Der dänische Mariagerfjord misst 43 Kilometer von Hobro bis zum Kattegat. Ein Muss für Wasserratten, Nostalgiker, Kanuten und Angler.

Wenn es in Dänemark etwas zu ­feiern gibt, dann schaut schon mal die Königin vorbei. Selbst zur Einweihung des Maritimen Kulturcenters im beschaulichen Hobro am Ende des ­Mariagerfjords. Stolz berichtet Direktor Peter Leth, auf welchem Hocker Margrethe II. saß, um sich darüber zu informieren, wie Schiffsplanken mit Hanf und Pech versiegelt werden.

„Den Hobroer Hafen gab es bereits im Spätmittelalter. Damals wurden hauptsächlich Heringe umgeschlagen“, sagt Leth. „Heutzutage legen noch jährlich über 100 Schiffe aus aller Welt am Nordkai an. Sie liefern unterschiedliche Rohstoffe, Düngemittel und Baumaterialien.“ In den alten Speichern und ­Gebäuden im stillgelegten Teil des Hafens haben Museen, Galerien, Märkte, Restaurants und Cafés eröffnet.

Vor einigen Jahren kaufte Peter Leth die 170 Jahre alte Holzschiffswerft, um sie zu erhalten. Inzwischen gehört sie einer Stiftung und ist Teil des Kulturcenters. Am Anleger dümpeln einige schmucke Segelschiffe. Auch der Zweimast-Schoner „Brita Leth“, auf dem man Törns buchen kann.

Der Fjord ist fischreich – vor allem an Forellen

Wer lieber festen Boden unter den Füßen hat, kann während einer Führung beobachten, wie Holzschiffe unterschiedlicher Größe repariert oder neu gezimmert werden. Gratis gibt es den Blick von der Dachterrasse des Museums über die Stadt und den Fjord, der in Hobro endet. 43 Kilometer misst er bis zum Kattegat.

Ein paar Wassersportler schieben Kajaks ins seichte Wasser. Der Raddampfer „Svanen“ macht sich ebenfalls auf den Weg – in Richtung Nachbarstadt Mariager. „Der Fjord ist bis 30 Meter tief und sehr fischreich, besonders an Forellen“, erzählt Kapitän Paul, der das Schiff seit zwölf Jahren steuert: „Auch Hornhecht, Hering und Flunder bekommt man hier an den Haken.“ Die „Schwan“ schippert an der Hügellandschaft Bramslev Bakker vorbei, die von einem Panorama-Wanderweg durch­zogen ist, der sogar vom Deutschen Wanderinstitut prämiert wurde.

Eigentlich ist der Mariagerfjord gar kein Fjord

„Geologisch gesehen ist der Mariager­fjord gar kein Fjord, sondern eine Förde“, so der Kapitän: „Nur im Dänischen gibt es im Gegensatz zum Deutschen kein Wort für Förde – wie zum Beispiel die Flensburger und Kieler Förde.“ Fjorde wie in Norwegen entstanden dort, wo ein Gebirgsgletscher seewärts wanderte und dabei ein Tal grub. Förden entwickelten sich, wo sich eine Eis­zunge eines großen Eispanzers im Flachland landeinwärts bewegte. Sie schob Geröll vor sich her, und so bildete sich hügeliges Endmoränengebiet.

Zottelige schottische Hochland­rinder grasen nah am Ufer. Am Anleger im Fischerdorf Stinesminde schaukeln einige Motorboote, deren Besitzer vielleicht im Laufe des Tages noch die Angel nach Forellen auswerfen werden. Je weiter die „Svanen“ Richtung Meer gleitet, desto flacher werden die Böschungen. Drei Kanuten kreuzen, dann nimmt sie Kurs auf das pittoreske Städtchen Mariager am Südufer.

Fachwerkhäuser mit roten Dachpfannen

Eine große weiß getünchte Klosterkirche überragt den Ort. „Die Birgittinen gründeten im Mittelalter zwei Klöster in Dänemark: Maribo (Marias Haus) auf Lolland und Mariager (Marias Acker)“, schallt es aus dem Schiffslautsprecher: „Maria war die Schutzheilige des Ordens. Nach der Reformation 1536 bestand das Kloster weiter als protestantisches, adliges Damenstift.“ Doch es gab wenig Interesse, und so wurde es einige Jahrzehnte später geschlossen. Ende des 18. Jahrhunderts entfernte man vier Fünftel des Komplexes und baute den Rest zur heutigen Kreuzform um.

Die Privatbahnlinie Mariager-Handest-Veteranjernbane wurde 1927 eröffnet.
Die Privatbahnlinie Mariager-Handest-Veteranjernbane wurde 1927 eröffnet. © Dagmar Krappe | DAGMAR KRAPPE

„Mariager ist als Rosenstadt bekannt. Im vergangenen Jahr inspizierte Margrethe II. den neu angelegten Rosengarten mit 400 verschiedenen Sorten“, sagt Kapitän Paul noch, bevor er seine Gäste von Bord geleitet. Gelb gestrichene Fachwerkhäuser mit roten Dachpfannen und Kopfsteinpflaster prägen den Ort.

In den 60er-Jahren wurden Salzstöcke entdeckt

Kein bisschen verstaubt ist die kulturhistorische Aufbereitung der Region im 300 Jahre alten einstigen Handelshof. Natürlich dürfen die Wikinger nicht fehlen, aber es gibt auch Räume, in denen ein uriges Kolonialwarengeschäft, eine Rasierstube, eine Gerichtskanzlei und eine Schmiede eingerichtet sind.

Am Hafen befindet sich das Salzmuseum „SaltCenter“. „Im Mittelalter war die Salzstadt des Nordens Lüneburg“, sagt Direktor und Geologe Henrik Hansen: „Das Lønborg-Salt kam über Lübeck nach Skandinavien, hier machte man damit Heringe und Fleisch haltbar. Unsere 16 Salzstöcke wurden erst in den 1960er-Jahren westlich von Hobro entdeckt.“

Über eine 25 Kilometer lange, unterirdische Pipeline gelangt die Sole von dort zur niederländischen Firma Akzo Nobel am Fjord. Die bereitet daraus hauptsächlich Dialysesalz für die Pharmaindustrie. Das Museum bezieht geringe Mengen Sole aus denselben Vorräten.

Seit 1927 gibt es eine private Bahnlinie

In einer Siedehütte im Museumshof erhitzt Sieder Arrec Hvornun das Salzwasser in einer riesigen, rechteckigen Pfanne so lange, bis das Salz auskristallisiert. „Wir benötigen das weiße Gold für unser Besucher-Experimentierlabor und stellen Tafelsalz verschiedener Geschmacksrichtungen für unseren Shop her“, sagt Hansen: „Und wir haben ein kleines, 38 Grad warmes ,Totes Meer‘. Da Salzwasser eine höhere Dichte als Trinkwasser hat, geht man nicht unter, sondern schwebt auf der Wasseroberfläche.“

Nicht nur in der Siedehütte dampft es. Im Bahnhof nebenan ist die Mariager-Handest-Veteranjernbane eingefahren. Die Luft riecht nach verbrannter Kohle. Bahnhofsvorsteher und Zugführer Max Rasmussen stempelt fleißig hellbraune Pappkärtchen – Edmondsonsche Tickets: „Damit die Fahrt mit unserer Museumsbahn stilecht ist.“

Seit 1970 dampft es wieder

1927 wurde die private Bahnlinie von Mariager über Handest nach Viborg eröffnet. „Die etwa 60 Kilometer lange Trasse finanzierte sich durch den Transport von Kohle. Dampfschiffe lieferten sie in den Hafen von Mariager. Die Bahn brachte sie ins Hinterland“, erzählt Rasmussen. Ein alter Kohlekran steht als Industriedenkmal zwischen Kai und Bahnhof.

„1966 stellte man die Verbindung ein, entfernte die Schienen zwischen Handest und Viborg. Die ­Gemeinde Mariager kaufte den verbliebenen 17 Kilometer langen Schienenstrang, um noch 25 Jahre lang Bitumen zu transportieren. Und es gründete sich ein Verein, um die Dampfzug-Ära zu erhalten.“ Seit 1970 dampft es wieder.

400 Kilo Kohle und vier Kubikliter Wasser

Als Lokführer verrichtet Anders Hansen seinen Dienst auf der längsten Museumsbahnstrecke Dänemarks: „Als Arbeiter in einer Waggonfabrik hatte ich den Eisenbahnvirus im Blut.“ Vor Jahrzehnten machte er den Lokführerschein für Diesel und Dampf.

Die drei alten schwarzen Ladys auf dem Werksgelände erblickten zwischen 1909 und 1928 das Licht der Schienenwelt bei der Firma Henschel in Kassel. Heute ist die Jüngste, Lok HV 3, im Einsatz. Kurz nach 14 Uhr lässt Anders Hansen die Dampfpfeife ertönen, und Heizerin Katrine Andersen schaufelt unermüdlich Kohlen vom Tender in die Feuerbüchse. Sie muss darauf achten, dass genügend Dampf auf dem Kessel ist, und die Lok ist gefräßig. 400 Kilogramm verschlingt sie auf einer Hin- und Rücktour und schluckt dazu vier Kubikliter Wasser.

Auch Margrethe II. fuhr schon im Museumszug

Fünf Jahre ist es her, dass Katrine in den „Blaumann“ schlüpfte. Ihr Wunsch ist es, auch irgendwann den Dampflokführerschein zu machen. Kollegin Ilone Arildskov macht sich nicht so gern die Hände schmutzig, lächelnd sagt sie: „Ich trage lieber eine Uniform und knipse Fahrkarten.“ Wer einen Platz auf der rechten Seite ergattert hat oder gleich auf einer der Außenplattformen stehen geblieben ist, hat kurz hinter Mariager den perfekten Blick auf den Fjord.

Bald taucht der Zug in einen Mischwald ein und zuckelt durch Felder und Weiden bis True. Das einstige Bahnhofsgebäude fungiert seit den 80er-Jahren als Wohnhaus. Lokführer Anders griff zu, als es zum Verkauf stand, und zog mit seiner Familie ein. An verstreuten Gehöften vorbei schnauft Lok HV 3 bis ins Dorf Handest.

Nein, Königin Margrethe II. und ihr Gefolge warten nicht auf dem Bahnsteig. Aber der Dannebrog, die dänische Flagge, ist gehisst, und ein Leierkastenmann spielt alte Weisen. Ob die Königin schon mit dem Museumszug gefahren ist? „Natürlich“, sagt Max Rasmussen: „Aber das ist 30 Jahre her.“ Dann wird es höchste Zeit für eine Wiederholung, Majestät!

Tipps & Informationen

AnreiseDie Region Mariagerfjord ist über die A7 gen Norden zu erreichen. Ab Landesgrenze geht es weiter auf der E45 Richtung Aarhus/Aalborg. Abfahrt Hobro/Handest. Über die 180 ist man in wenigen Minuten in Hobro. Über die 180 und 555 gelangt man nach Mariager.

Unterkunft z. B. im Hotel Postgaarden in Mariager, Torvet 6, DZ mit Frühstück ab ca. 150 Euro, Tel. 0045/9854/1012, www.hotelpostgaardenmariager.dk; oder im Hotel Bramslev Gaard (nördliche Fjordseite), Bramslev Bakker 4, Valsgaard, DZ mit Frühstück ab ca.
140 Euro, Tel. 0045/9851/20 30, www. bramslevgaard.dk

Ausflugstipps Kajakvermietung: www. mariagerfjordkajak.dk; Raddampfer: www.svanen.dk; Museumseisenbahn: www.mhvj. dk, Salzmuseum: www.saltcenter. dk/de, Maritimes Kulturcenter: www.brita-leth.dk

Auskunft Touristbüro Hobro, www. visitmariagerfjord.dk; VisitDenmark, visitdenmark.de

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch VisitDenmark.)