Berlin. Fehler in der neuen Datenschutzerklärung können für Webseitenbetreiber teuer werden. Denn in den kommenden Wochen drohen Abmahnungen.

Ein kleiner Fehler sollte die Bonner Onlinehändlerin Vera Dietrich teuer zu stehen kommen. Sie verkauft Textilien über das Internet. Dort offerierte sie auch einen Schal aus Kaschmir und Wolle. Das Angebot brachte ihr eine Abmahnung durch einen Abmahnverein ein.

Die Kennzeichnung entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen, hieß es in dem Schreiben. „Es hätte heißen müssen, 50 Prozent Kaschmir und 50 Prozent Wolle“, erläutert die Händlerin ihren Fehler. In Panik überwies sie 232 Euro Gebühren. Die beigelegte Unterlassungserklärung unterzeichnete Dietrich aber nicht.

Der Abmahnverein ließ nicht locker. Per Gerichtsvollzieher sei ihr dann eine Strafandrohung von 250.000 Euro oder einem halben Jahr Haft bei einer Wiederholung des Fehlers angedroht worden. Gegen diese einstweilige Verfügung zog Dietrich vor Gericht und setzte sich kürzlich auch gegen den Abmahnverein durch, dem das Gericht die Klagebefugnis absprach. Doch das ist ein eher seltener Erfolg. Denn das Recht ist häufig aufseiten professioneller Abzocker, auch wenn es eigentlich nur einen fairen Wettbewerb sichern soll.

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    Nur jede vierte Firma wird rechtzeitig fertig

    In den kommenden Wochen werden sich womöglich viele Onlinefirmen, Webseitenbetreiber oder auch Blogger auf unliebsame Abmahnschreiben einstellen müssen. Denn Ende der Woche tritt die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft. Sie sieht strenge Informationspflichten für die Webseitenbetreiber vor. Den Besuchern der Seiten muss zum Beispiel erklärt werden, welche Daten der Betreiber erhebt und wie sie verwendet werden, auch dass der Gast die gesammelten Daten abfragen darf.

    Zwar ist die Neuregelung seit zwei Jahren bekannt. Doch vorbereitet haben sich darauf längst nicht alle Internetportale. Einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom zufolge wird nur jede vierte Firma rechtzeitig mit der Umsetzung fertig. Das bietet Abzockern unter den Abmahnern eine Gelegenheit.

    Auch Verbraucherzentralen dürfen abmahnen

    Die Abmahnung ist eigentlich ein Instrument zum Schutz eines fairen Wettbewerbs und zur einfachen Beseitigung von Rechtsverstößen. Damit sollen zum Beispiel unlautere Werbung oder Urheberrechtsverletzungen unterbunden werden. Konkurrenten dürfen gegen solche Verstöße vorgehen und Abmahnungen verschicken.

    Damit einher geht die Forderung, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Darin verpflichten sich die Abgemahnten, die monierte Praxis bei Androhung einer Strafzahlung zu unterbinden. Oft wird ein Anwalt damit beauftragt. Es gibt auch Organisationen, die abmahnen dürfen. Dazu gehören etwa die Verbraucherzentralen, Mietervereine oder der ADAC. Auf der Liste der zugelassenen Einrichtungen des Bundesamts für Justiz finden sich aber auch Vereine wie die Umwelthilfe.

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      DSGVO für Firmen und Vereine schwer umzusetzen

      Und es gibt auch Anwälte oder Abmahnvereine, die offenbar allein aus Gewinnstreben nach Verstößen im Internet suchen. Das könnte demnächst verstärkt der Fall sein, da die DSGVO vor allem für kleine Firmen oder Vereine schwierig umzusetzen ist. „Wenn sich leicht Geld verdienen lässt, dann eher bei den Kleinen“, befürchtet die Rechtsexpertin des digitalen Marktwächterteams der Verbraucherzentralen, Carola Elbrecht.

      Wehren können sich die Betroffenen praktisch nicht, sofern sie einen Fehler begangen haben. Deshalb rät Elbrecht bei Unsicherheiten über die Angaben auf der eigenen Webseite, sich rechtlichen Rat einzuholen. „Das Sicherste ist, die Seite zu deaktivieren, bis die Prüfung erfolgt ist“, sagt Elbrecht.

      Rechtsverstoß könnte zu bedrohlichen Strafen führen

      Wenn tatsächlich eine Abmahnung ins Haus flattert, raten die Experten zur Ruhe. Laut Elbrecht sollte der Anspruch inhalt­lich und in Höhe der Gebühren- und Strafzahlungen von Experten überprüft werden. Ignorieren sollte man eine Abmahnung nicht. Dann besteht die Gefahr, dass der Gegner vor Gericht zieht und ein kleiner Rechtsverstoß zu existenziell bedrohlichen Strafzahlungen führt.

      Vera Dietrich kämpft mittlerweile für eine Gesetzesänderung, um den Abzockern der Branche das Handwerk zu erschweren. Sie hat im Bundestag eine Petition dazu eingereicht. 25.000 Unterstützer haben den Antrag unterzeichnet. Auch hat sie Politikern die Problemlage direkt geschildert. „Die Lebenswirklichkeit vieler Abgeordneter ist von diesen Fällen weit entfernt“, stellt sie fest und rät allen Betroffenen, sich direkt an ihren Wahlkreisabgeordneten zu wenden. Einen ersten Erfolg kann die Händlerin verbuchen. Der Petitionsausschuss befasst sich im Juni mit ihrer Eingabe, obwohl das notwendige Quorum von 50.000 Unterschriften verfehlt wurde.

      Auch im Justizministerium wird schon über Änderungen nachgedacht. So könnten beispielsweise Vertragsstrafen nicht mehr an die Abmahner, sondern an die Staatskasse fließen. Das würde den finanziellen Anreiz dazu schmälern. Entschieden ist aber noch nichts.