Hannover. Heißbegehrter VW California: 30 Jahre nach dem Debüt des Campers aus Hannover erlangen die ersten Modelle jetzt den Oldtimer Status.

Er hat 30 Jahre auf dem Buckel. Und wer eins der ersten Exemplare von 1988, als der VW California auf dem Essener Caravan-Salon sein Debüt gab, sein Eigen nennt, kann noch in diesem Jahr erstmals ein H-Kennzeichen für historische Fahrzeuge an den kultigen Camper-Van schrauben. Über vier Generationen hinweg entwickelte sich der ausgebaute VW-Transporter nicht nur zum erfolgreichsten Reisemobil seiner Klasse, er verkörpert längst eine automobile Lebenseinstellung, in der Freiheit und unabhängiges Reisen eine zen­trale Rolle spielen.

Unter diesen Aspekten könnte die Namensgebung treffender gar nicht gewählt worden sein, obwohl auf offiziellem VW-Vertriebsweg noch nie ein ­California nach Kalifornien exportiert wurde. Grund genug für die Nutzfahrzeug-Sparte von Volkswagen, den Bus wenigstens zu einer Geburtstagstour unter dem Motto „California2California“ in den sonnigen US-Bundesstaat zu schicken.

Wie die Amerikaner wohl reagieren? Fällt so ein Fahrzeug in den Mega-Staus von Los Angeles und an den übervölkerten Stränden entlang des Highways 101 überhaupt auf?

Tatsächlich ist die Neugier dort, wo Ferrari, Lamborghini, McLaren und Co. zum Alltag gehören, erstaunlich groß. Schon nach Ankunft am L.A.-Airport wird die Cali­fornia- Flotte bestaunt, und kurze Zeit später beim Ampelstopp kurbelt nebenan ein stämmiger Kerl in einem noch stämmigeren Chevy Suburban das Seitenfenster herunter und fragt, was das denn für ein Auto sei: „So was ­habe ich ja noch nie gesehen.“ Wir klären auf, der Kerl reckt uns seinen nach oben gestreckten Daumen entgegen und düst ab.

Als Vanagon auf Joker-Basis gab es den Camping-Bus auch mal in den USA

Wir erleben auf unserer viertägigen Tour noch einige solcher Begegnungen. Neugierige, die verwundert das California-Typenschild beäugen, den VW-Van aber zumindest einordnen können. Wie zum Beispiel die nicht mehr ganz so junge Lady in Santa Barbara, die es lustig findet, dass der California nur in Europa angeboten wird, während der Eurovan, den sie einmal besaß, nur in Nordamerika zu haben war.

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    Tatsächlich hat der kompakte Campingbus auch in den Staaten eine Vergangenheit. Die reicht allerdings noch in eine Zeit lange vor dem ersten California-Auftritt zurück, als der bewohnbare VW-Transporter noch über den Ausbaupartner Westfalia unter der Bezeichnung Joker vertrieben wurde, die damals als Synonym für den Campingbus schlechthin galt.

    Als Vanagon auf Joker-Basis wurde die dritte Generation (T3) des VW-Busses in die USA und Kanada exportiert. Für kurze Zeit trat dann der Eurovan als T4-Modell – immer noch als Joker-Ableger – in dessen Fußstapfen, ehe nach ein paar ­weiteren Jahren mit einem Winne­bago-Lizenzausbau das endgültige Aus für die VW-Reisemobile jenseits des Großen Teichs kam.

    Da hatte in Deutschland die Erfolgsgeschichte des Californias längst begonnen. 1988 feierte der erstmals in Eigenregie vertriebene Camper noch als Reisemobil-Sondermodell auf Basis der T3-Generation seine Premiere. Steffi Graf hatte als bisher einzige ­Tennisspielerin der Welt gerade den Golden Slam (vier Grand-Slam-Turniere plus Olympia-Gold) gewonnen, Dustin Hoffman brillierte zusammen mit Tom Cruise in „Rain Man“, Helmut Kohl war Kanzler in Deutschland und Ronald Reagan US-Präsident.

    Sowohl zur Markteinführung als auch bei späteren Anzeigenkam­pagnen wurde in Good Old Germany immer wieder gerne auf den Mega-Hit der amerikanischen Gruppe The Eagles und das besungene Hotel in West-Hollywood Bezug genommen: „Hotel California. Ruhige Lage, komfortable Ausstattung, Panorama garantiert.“ Ein Erinnerungsfoto an dem berühmten Hollywood-Schriftzug ist daher Pflicht.

    Der Ur-California wurde nur in Pastellweiß und Marsalarot ausgeliefert

    Das Geheimnis des California-Erfolges lag und liegt in seinem genialen Grundkonzept, das selbst bis zur heutigen sechsten Generation in seinen ­wesentlichen Punkten erhalten blieb: Das sind die drehbaren Frontsitze, die mit der verschiebbaren Mittelsitzbank und einem Klapptisch zu einer gemütlichen Sitzgruppe integriert werden, die Küchenzeile auf der linken Fahrzeugseite, das 2,00 x 1,14 Meter große Bett, das nach dem Umbau im Parterre entsteht, und natürlich das Aufstelldach, das früher ausschließlich manuell bedient wurde, heute aber auch mit elektrohydraulischer Betätigung angeboten wird.

    Ein Zelt in fast zwei Metern ­Höhe, das eine weitere Schlafkoje von 2,00 x 1,20 Meter beherbergt und dank Lattenrost auch bequemen Schlaf ­garantiert. Perfektioniert wurde die Innenraumnutzung mit solchen Details wie den beiden Campingstühlen, die in der Heckklappe untergebracht sind, und dem dazugehörigen Tisch, der sich passgenau in den Hohlraum der seitlichen Schiebetür einfügt.

    Natürlich gab es in den drei Jahrzehnten auch eine Menge Veränderungen, Weiterentwicklungen und Verfeinerungen. Aber abgesehen von dem Wechsel vom Hinter- zum Vorderradantrieb beim Übergang zur vierten Generation im Jahr 1991 mehr Evolutionäres als Revolutionäres. So wurde der Ur-California zu Beginn nur in den beiden Farben Pastellweiß und Marsalarot ausgeliefert. Heute hat der Kunde die Wahl unter 27 verschiedenen Farbkombinationen, auf Wunsch auch in Zweifarb-Lackierung und mit Zeltdächern in Grau, Rot oder Blau.

    Die Boxermotoren verschwanden, der Antriebswechsel bescherte deutlich mehr Platz im Heck, Allradantrieb kam optional dazu und mit dem aktuellen T6 hielten 2015 zahlreiche Assistenzsysteme Einzug, lassen sich Smartphones ins Infotainment einbinden und kann das Fahrzeug in einen rollenden WLAN-Hotspot verwandelt werden.

    Für die aktuelle Version kann man bis zu 90.000 Euro ausgeben

    Wirkliche Schwachstellen hat der VW California eigentlich nicht, sieht man einmal davon ab, dass er für jene Klientel, die Reisemobil-Komfort zwingend an einen Dusch-/Toilettenraum knüpft, einfach nicht infrage kommt. Das war schon mal anders, denn neben Varianten mit festem Compact- und Hochdach, Letzteres mit einem alkovenähnlichen Vorbau über dem Fahrerhaus, gab es vorübergehend ab 1995 beim T4 auch eine Ausführung mit langem Radstand sowie einer Nasszelle samt WC und Klappwaschbecken.

    Und natürlich ist der Preis für viele ein Hinderungsgrund: War das Debütanten-Modell 1988 noch eine abgespeckte Version des Westfalia Jokers und mit 39.990 Mark fast 10.000 Mark preisgünstiger, so kann man aktuell für die Top-Variante Ocean mit 204-PS-Dieselmotor, 7-Gang-DSG und ein paar zusätzlichen Annehmlichkeiten aus der Aufpreisliste leicht 80.000 bis 90.000 Euro versenken.

    Der Grundpreis für den California Ocean mit einem 75 kW/102 PS starken 2,0-Liter-Turbodiesel beträgt 59.862 Euro. Die etwas günstigere Coast-Variante, die nur über ein manuelles Aufstelldach verfügt, startet bei 52.003 Euro. Nur die Basis-Ausführung Beach, die als einzige auch mit einem nur 62 kW/84 PS starken Selbstzünder angeboten wird, keine Küche an Bord hat und damit zum Bett- und Transportmobil reduziert wird, ist bereits ab 42.566 Euro erhältlich – allerdings eher spärlich ausgestattet.

    Dennoch ist die Beliebtheit des kultigen VW-Campers auch nach 30 Jahren ungebrochen. Ja, der in Hannover-Limmer gefertigte California stellt sogar Jahr für Jahr neue Produktionsrekorde auf. Die Bestmarke von 2017 liegt jetzt bei 15.155 Neuzulassungen per annum. Über alle vier Generationen wurden bisher 157.500 Einheiten abgesetzt.