Berlin. Facebook forscht daran, wie Menschen Texte per Gedanken aufschreiben können. Experten glauben nicht an den schnellen Projekterfolg.

Es klingt wie eine Szene aus der fernen Zukunft: Eine Frau schreibt ihrem Mann eine Nachricht, dass sie im Stau steht und erst später zum Essen kommt. Ihr Kollege, der neben ihr sitzt, bemerkt davon nichts. Denn die Frau hat ihre Hände nicht vom Lenkrad genommen, ja hat nicht einmal einen Finger gerührt. Sie musste die kurze Botschaft nur denken, ein paar auf die Kopfhaut geklebte Sensoren erledigen den Rest. Es dauert nur einen Wimpernschlag – und die Botschaft ist fertig und verschickt.

Regina Dugan forscht für Facebook zur Interaktion von Mensch und Maschine.
Regina Dugan forscht für Facebook zur Interaktion von Mensch und Maschine. © REUTERS | STEPHEN LAM

Wenn es nach Facebook geht, könnte diese Szene schon in einigen Jahren Wirklichkeit werden: Zwischen Vorträgen über Entwicklerplattformen, niedlichen Kameraeffekten und praktischen Chat-Bots, schilderte Regina Dugan, Leiterin von Facebooks geheimer Hardware-Abteilung „Building 8“, wie sich das soziale Netzwerk künftig die Interaktion von Mensch und Maschine vorstellt.

Informationen vom Gehirn ins Smartphone tippen

Dabei gehe es keinesfalls darum, wahllos Gedanken von Menschen zu lesen. Es gehe nur um das, was ohnehin an das Sprachzentrum weitergeleitet werde. Und von dem werde das menschliche Gehirn bislang ausgebremst: Selbst unter den ungünstigsten Bedingungen erzeuge unser Gehirn in jeder Sekunde die Datenmenge von vier HD-Filmen – Sprache schaffe gerade einmal 100 Bits pro Sekunde zu übertragen, soviel wie ein Modem aus dem Jahr 1980; Nachrichten in sein Smartphone einzutippen sei sogar noch langsamer.

Statt dessen forsche Facebook daran, Informationen direkt vom Gehirn ins Smartphone zu übermitteln. „Das klingt unmöglich, aber es ist näher, als Ihnen bewusst ist“, versicherte Dugan ihren Zuhörern und verwies auf ein Projekt der Stanford-Universität.

Die berichtete Anfang des Jahres von einem Forschungsprojekt, bei dem drei Patienten mit schweren Lähmungen Nachrichten Kraft ihrer Gedanken, Buchstabe für Buchstabe, eingeben können. Den Teilnehmern gelang es dabei, bis zu acht Wörter pro Minute auf einem Display mit einem Cursor anzusteuern und auszuwählen.

Worte sollen im Sprachzentrum erkannt werden

Facebooks Projekt: Informationen sollen direkt vom Gehirn ins Smartphone übermittelt werden.
Facebooks Projekt: Informationen sollen direkt vom Gehirn ins Smartphone übermittelt werden. © dpa | Andrej Sokolow

Für Facebooks Pläne ist diese Technologie jedoch nicht zu gebrauchen: zu allererst, weil den Probanden für die Kommunikation zwei Sonden direkt ins Hirn eingepflanzt wurden – wenig praktikabel, wie Dugan anmerkt.

Zudem setze man auf einen direkteren, schnelleren Ansatz. Während die Probanden der Stanford-Universität einen virtuellen Cursor steuern, in dem sie den Motocortex, also den für Bewegungen verantwortlichen Bereich ihres Hirns, stimulieren, will Dugan Worte direkt im Sprachzentrum erkennen.

Später wolle man nicht nur das Wort, sondern die Wortbedeutung selbst auslesen können – also nicht das Wort „Apfel“ sondern dessen semantische Bedeutung, sodass sich diese Information unabhängig von der gesprochenen Sprache verstehen lässt.

100 Wörter pro Minute scannen

Für all das brauche Facebook laut eigener Aussage aber optische Sensoren, die Bilder des Hirns störungsfrei durch Haut, Knochen und Haare scannen können, millimetergenau und das mehrere hundert Mal pro Sekunde. Und hier beginnt Facebooks echte Herausforderung: Denn diese Sensoren gibt es nicht.

Deshalb habe man 60 hoch qualifizierte Spezialisten verpflichtet, die diese bahnbrechende Technologie erforschen sollen. Eine Herkulesaufgabe – aber Facebook ist optimistisch: In wenigen Jahren werde man ein System zeigen, dass in Echtzeit 100 Wörter pro Minute aus dem Hirn scannen kann, ist sich Regina Dugan sicher.

Doch Facebook ist nicht der einzige Silicon-Valley-Spieler, der Zugriff auf das menschliche Hirn sucht. Vor wenigen Wochen erst meldete das „Wall Street Journal“, dass Tech-Visionär Elon Musk sich am Unternehmen Neurolink beteiligt. Das Unternehmen will eine Möglichkeit erforschen, das menschliche Hirn direkt mit einem Computer zu verbinden.

Musk, der auch hinter dem Erfolg der Elektroautomarke Tesla und dem Raketen-Anbieter Space-X steckt, wolle so den Menschen fit machen, um künftig mit künstlicher Intelligenz mitzuhalten.

Ob das tatsächlich klappen könnte, ist noch völlig offen – Neurolink steht mit seiner Forschung ganz am Anfang. Kritiker halten die dafür nötigen operativen Eingriffe an Gehirnen gesunder Menschen aber für unverantwortlich.

Facebook braucht einen Durchbruch

In diesem Punkt immerhin sind Facebooks Pläne unbedenklich – man wolle ausdrücklich an „nicht invasiven Methoden“ forschen, erklärte Facebook-Managerin Dungan.

Ob dagegen die Aussicht auf Erfolg größer ist, bleibt vorerst unklar – die zu überwindenden Herausforderungen sind immens. Auch der Experte Klaus-Robert Müller, Professor an der Technischen Universität Berlin und einer der Gründungsväter von Berlin Brain-Computer-Interface, glaubt nicht an einen schnellen Erfolg: „Es ist zur Zeit kein bildgebendes Verfahren bekannt, dass den Anforderungen Facebooks auch nur ansatzweise genügen würde. Facebook bräuchte also einen echten wissenschaftlichen Durchbruch.“

Regina Dugan ist sich dessen natürlich bewusst. Sie beendete ihren Vortrag denn auch mit dem Satz: „Die Gefahr, zu scheitern, ist der Preis, den man für das Privileg bezahlen muss, etwas Großartiges zu schaffen.“