Magdalena Neuner gewann 2007 drei WM-Titel und wurde zum Biathlon-Star. Am Donnerstag kehrt sie als TV-Expertin nach Südtirol zurück.

Im Februar 2007 ging der Stern von Magdalena Neuner auf. Bei ihrem WM-Debüt in Antholz stürmte sie als 19-Jährige zu drei Titeln und verzückte damit die deutsche Sportwelt. Vor den Weltmeisterschaften im Südtiroler Biathlon-Mekka spricht die Rekordweltmeisterin über den Erfolg von damals, das Leben von heute, über Nachwuchsprobleme und Medaillenkandidaten.

Welche Erinnerungen weckt es in Ihnen, wenn Sie an Antholz denken?

Magdalena Neuner: Natürlich viele gute. Es ist das erste Event, bei dem ich richtig erfolgreich war und somit der Beginn meiner Karriere. Ich stehe zwar jetzt auf der anderen Seite, aber es ist schon ein cooles Gefühl, wieder zu einer WM nach Antholz zu fahren und dort die tolle Stimmung zu erleben.

Abgesehen von Ihren Erfolg 2007: Was ist das Besondere an dem Ort?

Das Gesamtpaket macht es aus. Antholz ist geprägt von vielen deutschen Fans und daher beinahe ein Heim-Weltcup. Ich wohne selbst nur zwei Stunden entfernt; deshalb ist es für mich fast wie zu Hause. Es geht sehr familiär zu. Die Landschaft ist toll, das Wetter ist meistens gut, die Stimmung ohnehin. Das Stadion finde ich sehr schön, weil man von dort auch einen guten Einblick auf die Strecke hat. Außerdem wird vor und nach den Wettkämpfen auch außerhalb des Stadions viel geboten.

Haben Sie eigentlich noch „Bumsi“ zu Hause, das vielzitierte Bären-Maskottchen von damals?

Nein. Aber ich habe noch viele Bilder, als wir damals auf dem See stehen und die mich hochheben. Übrigens fand ich den Namen damals schon nicht schlimm. Die „Bumsis“ gehören eben auch zu den Antholzern. Und ich glaube nicht, dass die es anstößig meinen.

Wie sehr hat sich Ihr Leben nach dieser WM verändert?

Schon sehr. Sie war der Auslöser dafür, dass ich bekannt wurde. Ohne Antholz gäbe es Magdalena Neuner in dieser Form heute wahrscheinlich nicht. Das Besondere war ja auch, dass ich mit 19 zur jüngsten Dreifach-Weltmeisterin wurde. Daher kann man schon sagen: Antholz war ein einschneidendes Ereignis in meinem Leben.

Diese Bekanntheit hatte aber nicht nur positiven Seiten; sie wurden später sogar von einem Stalker verfolgt.

Ja, das gehört leider zur Bekanntheit dazu. Ich habe auch eine Zeit lang gebraucht, damit zurechtzukommen, überall erkannt zu werden; dass mich Leute zu Hause „besucht“ haben und ich keine Privatsphäre mehr hatte. Das ging von heute auf morgen. Ich konnte da nicht hineinwachsen, sondern musste schnell damit klarkommen. Seitdem ist es ein Teil meines Lebens geworden.

Denken Sie, dass es heute noch möglich ist, als 19-jähriger WM-Debütant dreimal Weltmeister zu werden?

Möglich ist alles. Es kommt darauf an, wer aktuell in der Lage wäre, das zu schaffen. Da sehe ich im Moment niemanden, der dies schaffen könnte. Aber es ist ja auch nicht die Regel, dass da jemand daherkommt und dreimal Gold abräumt. Damals haben bei mir viele glückliche Umstände eine Rolle gespielt – und dafür bin ich sehr dankbar.

Damals ist auch der Film „Mit den Waffen einer Frau“ entstanden, der Ihr WM-Märchen skizziert. Wie finden den Ihre Kinder eigentlich?

Ich habe den Film und auch immer mal gefragt, ob wir den angucken wollen. Aber es war noch kein großes Interesse da. Den Kindern ist vermutlich lieber, wenn ich live zu Hause bin.

Aber Verena, Ihre Fünfjährige, weiß zumindest um die erfolgreiche Mama, oder?

Na ja, sie hat neulich schon gefragt: Stimmt’s, Mama, du hast mal Biathlon gemacht und auch mal eine Medaille gewonnen? Aber um das Ganze zu begreifen, ist sie noch zu klein. Vielleicht kommt das später.

Hat Sie das sportliche Talent der Mama?

Ich finde schon, dass sie sportlicher Natur ist; aber sie ist nicht überehrgeizig. Sie lernt natürlich Skifahren; das gehört bei uns dazu wie das Radfahren. Sie ist im Schwimmkurs und hat ihren Spaß. Aber sie ist dabei nicht übermotiviert. Muss sie aber auch nicht.

Würden Sie Ihr später, wenn es Thema würde, zum Leistungssport raten?

Nein. Ich würde meinen Kindern aber auch nicht davon abraten. Ich möchte ihnen helfen, ihr Talent zu finden und ihren eigenen Weg zu gehen. Doch ich werde sie niemals zu irgendetwas drängen. Bei mir waren es ja auch nicht meine Eltern, die mich angetrieben haben. Sondern ich war es, die schon mit 9 unbedingt Biathletin werden wollte. Da hätte mich auch niemand davon abhalten können.

Kommen Sie heute noch regelmäßig dazu, Sport zu treiben?

Nicht so viel, wie ich manchmal gern möchte und mir auch guttun würde. Doch alles hat seine Zeit. Wenn ich mich jetzt entscheiden müsste, laufen zu gehen oder mit meinen Kindern zu spielen, würde ich mich immer für die Kinder entscheiden. Und wir machen ja auch viel draußen zusammen. Das genieße ich total.

Star-Gast, TV-Expertin, Interview-Partnerin: Ihr Leben scheint zumindest im Winterhalbjahr kaum ruhiger geworden.

Ja, es wundert mich selbst, dass mein Leben immer noch so von der Biathlon-Saison geprägt ist. Im Januar und Februar ist der Terminkalender extrem voll. Da bleibt wenig Zeit zum Durchatmen. Erst eine Woche nach der WM wird es ruhiger. Aber es freut mich natürlich, dass ich noch so gefragt bin. Und der Expertenjob beim Fernsehen macht mir wirklich Spaß. Ich hoffe, das kommt auch so rüber.

Mit dem Abstand von fast acht Jahren: War es richtig, bereits mit 25 die Karriere zu beenden?

Ja, definitiv. Ich habe keinen einzigen Tag bereut. Wenn ich beim Biathlon bin oder auf Langlauf-Skiern stehe, frage ich mich schon hin und wieder, ob ich nicht doch ein paar Tage länger hätte machen sollen. Die Antwort kommt aber immer ganz schnell: Nein! Den Sport, den ich liebe, kann ich immer noch machen – aber ohne Druck, ohne öffentliche Aufmerksamkeit, ohne zwölfmal die Woche trainieren zu müssen. Ich war liebend gern Leistungssportlerin, weil es hundertprozentig zu mir gepasst hat. Doch jetzt genieße ich das Leben mit meiner Familie genauso.

Sie hatten kürzlich Kritik am deutschen Biathlon-Nachwuchs geäußert. Fehlt den Talenten der Biss?

Es wäre zu einfach zu sagen, junge Leute hätten keine Lust mehr, Leistungssport zu betreiben. Mein Eindruck ist vielmehr, dass sich diese „New Work“-Philosophie durch alle gesellschaftlichen Bereiche zieht. Junge Menschen sind offenbar nicht mehr so bereit, dem Job alles unterzuordnen; alles für ein Ziel zu geben. Sie probieren mehr aus, achten auf ihre Freizeit. Und ich denke, dass wir das eben auch im Leistungssport merken. Doch uns muss im Biathlon nicht bange sein. Wir haben derzeit rund 600 Nachwuchsathleten, die Sportförderung in Deutschland ist beispielhaft. Da werden wieder neue Gesichter auftauchen, die neue Erfolge feiern.

Apropos Erfolge: Was ist in Antholz drin für das deutsche Team?

Auch wenn wir nicht die Favoriten sind: In den Staffeln sind wir immer ein Medaillenkandidat. Da bin ich sehr zuversichtlich. Bei den Herren können mit Benedikt Doll, Arnd Peiffer, Johannes Kühn und Philipp Nawrath gleich vier Athleten vorn reinlaufen. Das ist ja fast eine Luxussituation. Bei den Damen wird sich viel auf Denise Herrmann konzentrieren. Und Franziska Preuß muss vor allem gesund sein. Dann kann auch sie etwas holen.

Es gab Kritik, dass einige Sportler wie Erik Lesser oder Karolin Horchler nominiert wurden, ohne die WM-Norm erfüllt zu haben. Können Sie das nachvollziehen?

Ich bin noch nie der große Fan von diesen Qualifikationen gewesen. Und bei den Damen können wir uns das im Moment auch gar nicht leisten. Das war vielleicht vor 15 Jahren noch sinnvoll, als wir sechs Super-Athletinnen hatten. Heute empfinde ich diese WM-Normen überholt und, ehrlich gesagt, keiner Diskussion wert.

Wer werden die Stars der Titelkämpfe?

Johannes Thignes Bö – wer Gold will, muss ihn schlagen – und seine norwegische Landsfrau Tiril Eckhoff. Sie war extrem stark in dieser Saison, und ich denke, sie wird auch bei der WM dominieren.