Berlin. Über Personalien soll zwischen SPD, Grünen und FDP noch nicht verhandelt worden sein. Jetzt aber bringen prominente FDP-Politiker ihren Parteichef für eines der wichtigsten Ministerien in Stellung.

FDP-Chef Christian Lindner ist aus Sicht von Parteifreunden der Favorit für das Amt des Bundesfinanzministers in einer möglichen Ampel-Regierung.

"Ich kann mir niemand besseren für diese Aufgabe vorstellen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, dem "Spiegel". Er habe in den letzten Wochen und Monaten gesehen, wie gründlich sich Lindner auf diese Aufgabe vorbereitet habe. "Das hat man auch bei den Verhandlungen gemerkt."

Auch der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki sieht Parteichef Christian Lindner als idealen Kandidaten für das Amt des Finanzministers. "Wer Zweifel daran hat, dass das alles gelingt - die Finanzierung der Vorhaben ohne Steuererhöhung und ohne neue Schulden - der muss doch wollen, dass Christian Lindner Finanzminister wird, um zu dokumentieren, dass das funktioniert. Ansonsten hätte die FDP die Torte im Gesicht", sagte er dem Radiosender NDR-Info.

Es sei jedoch bislang weder über die Ressortverteilung noch die Ressortzuschnitt gesprochen worden. Wer die besetzt, solle erst am Schluss der Verhandlungen entschieden werden.

Kubicki ging zudem davon aus, dass die Verhandlungen der FDP mit den Grünen und der SPD für einen gemeinsamen Koalitionsvertrag gelingen werden. Das Aushandeln der Einzelheiten auf Grundlage des Sondierungspapiers werde nicht einfach, aber "es ist machbar". "Ich habe eine so gute Stimmung, eine so gute Herangehensweise, professionell, in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht erlebt."

Buschmann wiederum ließ offen, ob er selbst das Amt des Fraktionsvorsitzenden von Lindner übernehmen würde. "Das weiß ich nicht", sagte der 44-Jährige, der als Vertrauter Lindners gilt. "Ich möchte eine Mannschaftsaufstellung, in der wir gemeinsam erfolgreich sind. Dafür ist nicht so entscheidend, was ich mir persönlich wünsche."

Buschmann betonte den Reformwillen der drei verhandelnden Parteien: "Wir wollen unser Land reformieren und die Schritte, die wir vereinbart haben, sind enorm." Es handle sich um "das größte Modernisierungsprojekt seit den 1970er-Jahren". "Alle drei Parteien verfolgen eine Philosophie des progressiven Pragmatismus." Das Neue an dem Sondierungsergebnis zwischen SPD, Grünen und FDP sei, dass man sich nicht auf Formelkompromisse verständigt habe. "Jeder musste sich bewegen."

Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP hatten am Freitag ein gemeinsames Papier zum Ergebnis ihrer Sondierungsgespräche vorgelegt und für Koalitionsverhandlungen plädiert. Der SPD-Vorstand votierte noch am Freitag einstimmig für Verhandlungen. Bei den Grünen soll ein Kleiner Parteitag mit 99 Delegierten an diesem Sonntag über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden. Die FDP-Führung will sich am Montag damit befassen.

FDP-Generalsekretär Volker Wissing betonte im Gespräch mit der "Rheinischen Post" den Wert des bislang Gelungenen. "Wir haben klare Richtungsentscheidungen getroffen, mit denen nun die Chance besteht, Gesellschaft, Wirtschaft und Staat zu modernisieren", sagte Wissing.

Es sei richtig, dass sich die drei Parteien darauf verständigt hätten, die Schuldenbremse "unangetastet" zu lassen. Auf die Frage, wie die umfassenden Vorhaben finanziert werden sollen - einer der Kernkritikpunkte am Sondierungspapier - sagte Wissing: "Die Frage der Finanzierung werden wir lösen und wir haben auch Vorstellungen, wie das passieren kann." Die weiteren Schritte würden dann im Laufe der Koalitionsverhandlungen geklärt.

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