Schwerin. Die Bildung der bundesweit ersten rot-roten Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern hatte 1998 für Aufsehen gesorgt. Nun gibt es an der Küste ein Neuauflage.

Die SPD in Mecklenburg-Vorpommern wechselt nach 15 Jahren ihren Regierungspartner. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, die mit ihrer SPD Ende September die Landtagswahl klar gewonnen hatte, kündigte in Güstrow Koalitionsverhandlungen mit der Linken an.

"Wir sehen in der Linkspartei eine Partnerin, mit der wir unser Land gemeinsam voranbringen können. Uns geht es um einen Aufbruch 2030, mit mehr Wirtschaft, besseren Löhnen, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verantwortung", sagte Schwesig nach einer gut zweistündigen Beratung von Landesvorstand, Parteirat und Landtagsfraktion in Güstrow. Der bislang mitregierenden CDU bleibt somit künftig die Oppositionsrolle.

Einstimmige Entscheidung

Nach Angaben Schwesigs fiel die Entscheidung für Rot-Rot in sämtlichen Gremien einstimmig aus. "Es gab in allen Wortbeiträgen Zustimmung für eine solche Koalition", betonte sie. Es haben mit allen vier möglichen Regierungspartnern, CDU, Linke sowie Grüne und FDP gute Gespräche gegeben. Für sie sei aber wichtig gewesen, mit welcher dieser Parteien es die meisten Schnittmengen gebe und mit wem die beste und stabilste Regierung gebildet werden könne.

Die Linke habe in den Sondierungen deutlich gemacht, dass sie gut vorbereitet sei und auch personelle Stabilität gewährleiste. Im neuen, 79 Abgeordnete zählenden Parlament verfügt Rot-Rot mit 43 Sitzen über eine tragfähige Mehrheit, 34 Abgeordnete stellt allein die SPD.

Schwesig will noch in dieser Woche mit den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag beginnen. In einer Vielzahl wichtiger Punkte bestehe aber bereits Einigkeit. So sollen die Tariftreue im Landesvergabegesetz verankert und ein Schulpaket mit zusammen 1000 Stellen für Schulen und Berufsschulen geschnürt werden. Das aktive Wahlalter soll auf 16 Jahre gesenkt werden. Es soll ein landesweites Rufbussystem und ein vergünstigtes Seniorenticket geben und zudem ein Klimaschutzgesetz verabschiedet werden. Zugleich sicherte Schwesig zu, künftige Haushalte ohne neue Schulden aufzustellen und so die Schuldenbremse einzuhalten.

Mit dem beabsichtigten Wechsel des Regierungspartners reagiert Schwesig auch auf die desolate Situation bei der CDU, die in Land und Bund heftige Wahlniederlagen erlitten hat und auf der Suche nach neuen Führungskräften ist. Statt zuvor 18 stellt die Partei nur noch 12 Abgeordnete im Landtag.

Die CDU selbst reagierte wenig überrascht auf die Entscheidung Schwesigs. "Bereits vor der Wahl war erkennbar, dass bei der SPD nur ein geringes Interesse an einer Fortsetzung der Koalition vorhanden war", erklärte der amtierende CDU-Landeschef Eckardt Rehberg. Zwischen SPD und CDU habe es keine unüberbrückbaren Gegensätze gegeben. Die Linke sei aber offenbar politisch und personell deutlich billiger zu haben gewesen als die CDU, mutmaßte Rehberg.

In der Linken hatte es trotz eines ebenfalls ernüchternden Wahlergebnisses auf Landesebene kein Stühlerücken gegeben. Obwohl die Partei mit 9,9 Prozent erstmals ein einstelliges Ergebnis einfuhr, wurde die einflussreiche Spitzenkandidatin Simone Oldenburg einstimmig als Fraktionschefin wiedergewählt.

Die scharfzüngige frühere Schulleiterin gilt als erste Anwärterin auf ein Ministeramt. Mit nun noch 9 Abgeordneten dürfte die Linke Anspruch auf nur zwei Ressorts erheben. Das würde bei gleichbleibender Zahl der bislang acht Ministerien eines mehr für die SPD bedeuten.

Die Linke will MV aus dem Lohnkeller holen

Die Linke äußerte sich erfreut über die Möglichkeit zur Rückkehr in die Schweriner Landesregierung. "Damit hat sich die SPD für den Aufbruch und für einen sozialen Schwung in Mecklenburg-Vorpommern entschieden", meinte Oldenburg. Es bestehe die Chance, das Land aus dem Lohnkeller zu holen, die Wirtschaft zu stärken sowie die Kinder, Jugendlichen und Familien in den Mittelpunkt der Arbeit zu stellen.

Oldenburg kündigte Vorhaben für mehr Lehrkräfte, weniger Unterrichtsausfall und eine höhere Qualität in den Kitas an, außerdem eine Industriestrategie, die dem Klima- und Umweltschutz Rechnung trage.

Schon von 1998 bis 2006 hatte die SPD im Nordosten mit der PDS/Die Linke als Juniorpartner zusammen regiert. Das seinerzeit von Harald Ringstorff gegen den Willen der Bundes-SPD geschmiedete Bündnis sorgte als erste rot-rote Landesregierung in Deutschland für Diskussionen. Die Linke habe seither in mehreren Ländern bewiesen, dass sie Regierungsverantwortung tragen könne. "Die Linke in Mecklenburg-Vorpommern ist eine soziale, verlässliche und pragmatische Partei", betonte Schwesig.

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