Berlin. Auch wenn viele Bürger noch den Sommer genießen: Im Herbst wird der Kampf gegen Corona wieder härter. Die Politik stößt Vorbereitungen zum Gegensteuern an. Welchen Unterschied sollen da Impfungen machen?

Weiterhin Masken, mehr Impfungen, mögliche neue Einschränkungen: Vor den Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten in der kommenden Woche hat das Ringen um den Corona-Kurs für Herbst und Winter begonnen.

Denn inmitten der relativ entspannten Sommerwochen für die meisten Bürger breiten sich neue Infektionen schon wieder besorgniserregend schnell aus. Das Gesundheitsministerium von Ressortchef Jens Spahn (CDU) legte jetzt vor - und listete in einem Bericht, der an den Bundestag und die Länder ging, Vorschläge auf, um die vierte Welle flach zu halten. Vor allem mögliche Beschränkungen für Ungeimpfte sorgen für Diskussionen.

Die steigenden Infektionszahlen seien "eine Warnung", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch in Berlin. "Unser aller Ziel muss es ja sein, einen weiteren harten Lockdown zu verhindern." Etwa mit Abstand und Masken hätten es alle in der Hand, den Pandemieverlauf zu beeinflussen. Zu möglichen neuen Maßnahmen äußerte sie sich nicht. Der Ministeriumsbericht sei "eine Diskussionsgrundlage" für Festlegungen der Bund-Länder-Runde am Dienstag. Und die sind rund sechs Wochen vor der Bundestagswahl eine heikle Angelegenheit: Welche Schritte sind wann für wen sinnvoll und treffen in der heißen Wahlkampfphase auch auf breitere Akzeptanz?

Das Gesundheitsministerium schreibt in dem Bericht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt: "Die Werkzeuge sind da. Wir müssen sie nur nutzen." Dabei könnten Schutzmaßnahmen wegen der fortgeschrittenen Impfkampagne nun "moderater" ausfallen als zuletzt im Herbst und Winter. "Ein so einschneidender Lockdown wie in der zweiten und dritten Welle wird aller Voraussicht nach nicht notwendig sein", heißt es im Bericht. Ein Überblick über Vorschläge und Reaktionen:

Die Lage

"Eine vierte Welle kündigt sich an - wenn auch noch (!) auf niedrigem Niveau", lautet die Einschätzung. Da sei ein "verstärkter Eintrag von Infektionen durch Reiserückkehrer". Zudem nähere sich das "Kontaktverhalten der Bevölkerung dem Verhalten der Zeiten vor der Pandemie aktuell schrittweise wieder an". Im Herbst und Winter kämen auch jahreszeitlich verstärkende Effekte hinzu. Die Frage sei also: "Wie hoch wird diese vierte Welle? Das entscheidet sich jetzt."

Die Impfungen

Inzwischen sind 53 Prozent aller Einwohner vollständig geimpft, 62 Prozent mindestens einmal. Allerdings seien 32 Millionen Bürger noch nicht geimpft, darunter neun Millionen Kinder, für die es keinen zugelassenen Impfstoff gebe. Laut Modellierungen des Robert Koch-Instituts (RKI) mache es für die Belastung der Kliniken einen entscheidenden Unterschied, wenn die Quote der vollständig Geimpften bei den Über-60-Jährigen möglichst über 90 Prozent liege und bei den 12- bis 59 -Jährigen über 75 Prozent. Aktuell lägen diese Quoten bei knapp 80 Prozent und 48 Prozent. "Dies zeigt, wie wichtig verstärkte Anstrengungen zur weiteren Steigerung der Impfquote sind." Denn das Impfen flache die Kurve massiv ab, erläutert das Ministerium.

Der Basis-Schutz

Daneben seien daher "durchgängig und inzidenzunabhängig" weiter Maßnahmen wie Abstand und Maskentragen nötig - und zwar überall dort, wo in geschlossenen Räumen viele Menschen zusammentreffen, bei denen der Impfstatus nicht bekannt ist, oder unter denen besonders verletzliche Personen sein könnten. "Bis ins Frühjahr 2022" sollten daher in allen Bereichen des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs sowie im Einzelhandel medizinische Masken Pflicht bleiben. Und zwar "für alle, auch für Geimpfte und Genesene".

Schutzmaßnahmen

Impfen und Testen verhinderten mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit, dass Personen mit großer, infektiöser Viruslast einen Raum betreten, heißt es im Bericht. Unabhängig von der Inzidenz sollte daher ab Anfang/Mitte September die Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen "generell nur unter Einhaltung der 3G-Regel (3G: geimpft, genesen oder getestet) möglich sein": Innengastronomie, Hotelübernachtungen, körpernahe Dienstleistungen wie Friseure, Sport und Veranstaltungen drinnen, Großveranstaltungen drinnen und draußen.

Maßnahmen für Ungeimpfte

Besonders für Ungeimpfte könnten abhängig von der Impfquote, der Inzidenz und der Rate schwerer Klinikfälle ab bestimmten Grenzwerten erneut weitergehende Einschränkungen notwendig werden, schreibt das Ministerium. Dazu zählten Kontaktbeschränkungen und die Begrenzung der Teilnahme oder ein Teilnahme-Ausschluss für nicht geimpfte Personen für Veranstaltungen und die Gastronomie ("2G statt 3G") - also auch mit negativem Test. Von der Opposition kamen umgehend Proteste. FDP-Vize Wolfgang Kubicki warnte in der "Bild"-Zeitung (Mittwoch), das komme einer Impfpflicht gleich. Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow forderte in der "Welt", es müsse weiterhin möglich sein, "alle Aktivitäten, die für Geimpfte erlaubt sind, auch mit einem entsprechenden Testnachweis zu machen".

Das Ministerium erläutert in dem Bericht: "Generell können und müssen Geimpfte und Genesene aufgrund des deutlich reduzierten Risikos für sich und andere nicht mehr den gleichen Beschränkungen unterliegen wie nicht-geimpfte Personen." Regierungssprecherin Demmer betonte: "Wir wollen keine Impfpflicht, auch nicht durch die Hintertür."

Die Tests

Angesichts der schwächeren Nachfrage nach Impfungen wird darüber diskutiert, dass man für Tests künftig etwas bezahlen soll - auch als Anstoß für Menschen, die sich gratis impfen lassen könnten. Das Ministerium schlägt ein Ende der kostenlosen Schnelltests nun für Mitte Oktober vor. Nur für Menschen, die nicht geimpft werden können oder für die keine allgemeine Impfempfehlung vorliegt wie Schwangere oder Unter-18-Jährige, solle es weiterhin kostenlose Tests geben. Der Bund übernimmt seit März die Kosten für Schnelltests für alle. Linke-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler forderte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "So lange es Testpflichten gibt, muss es kostenlose Tests geben." Ein Aus wäre "im höchsten Maße unsozial."

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