Washington. Finanzminister Olaf Scholz hofft immer noch aufs Kanzleramt. Ein anderes Thema aber steht bei seiner US-Reise im Mittelpunkt. Große Digitalkonzerne sollen künftig mehr Steuern zahlen.

Ins Weiße Haus würde Olaf Scholz gerne - als Kanzler der neuen Bundesregierung. Weniger als drei Monate vor der Wahl ist der Finanzminister nach Washington gereist, um eines der größten Projekte seiner Amtszeit weiter voranzutreiben.

Eine globale Mindeststeuer soll dazu führen, dass Digitalriesen wie Amazon mehr Steuern zahlen. Für den SPD-Kanzlerkandidaten ein Thema, bei dem er sein Image als "Macher" und "Leader" beweisen will. Trotz schwacher Umfragewerte für die SPD: Scholz ist nach wie vor fest davon überzeugt, dass er Kanzler werden kann.

Im Wahlkampf helfen soll auch eine globale Steuerreform, für die sich Scholz als Vorkämpfer sieht und nun nach jahrelanger Arbeit die "Ernte" einfahren will. 130 Länder vereinbarten am Donnerstag im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), dass sie eine Mindestbesteuerung von Unternehmen garantieren wollten.

"Werden von Verständigung profitieren"

Scholz sprach in Washington von einem "kolossalen Fortschritt". Der Steuerwettlauf nach unten sei vorbei. Bisher fänden große Unternehmen Wege, wie sie fast gar keine Steuern zahlen. "Die großen digitalen Plattformunternehmen sind besonders eifrig dabei gewesen, das Steuerzahlen zu vermeiden." Viele hätten sich herausgeredet, dass sie sich an die Regeln halten. "Das werden sie in Zukunft auch tun - nur sie werden dann Steuern zahlen, und zwar auch in Deutschland. Wir werden insgesamt von dieser Verständigung, die dort erzielt wird, profitieren."

Wieviel Geld das genau in die Staatskasse bringt, wollte Scholz nicht sagen. Der Bund kann die Mittel aber gut gebrauchen, denn die Haushaltslage ist nach der immensen Verschuldung in der Corona-Krise angespannt.

Die Einigung auf OECD-Ebene ist ein weiterer wichtiger Meilenstein zu der globalen Reform, die in den kommenden Jahren dann von den einzelnen Staaten umgesetzt werden soll. Anfang Juni hatten sich die Finanzminister der G7-Staaten auf die Reform geeinigt. Ende der kommenden Woche wollen die Finanzminister der G20, darunter ist auch China, dann Nägel mit Köpfen machen. Neben einer Mindeststeuer von 15 Prozent soll auch dafür gesorgt werden, dass Großkonzerne künftig dort Steuern zahlen, wo sie ihre Umsätze machen. Das zielt etwa auf große Digitalkonzerne.

Kurswechsel in Washington macht Mindeststeuer möglich

Eine der wichtigsten Verbündeten von Scholz ist US-Finanzministerin Janet Yellen, die er am Freitag treffen wollte. Yellen hatte sich Anfang April für eine globale Mindeststeuer ausgesprochen und den Bemühungen mit der Schlagkraft der weltgrößten Volkswirtschaft damit neuen Rückenwind gegeben. Die frühere US-Regierung des damaligen Präsidenten Donald Trump hatte Bemühungen um einen globalen Mindeststeuersatz abgelehnt. Sie fürchtete, dass international tätige US-Konzerne dadurch schlechter gestellt würden.

Yellen sprach nun mit Blick auf die OECD von einem "historischen Tag" für die Wirtschaftsdiplomatie. Bislang hätten sich Länder im Umgang mit den Konzernen gegenseitig unterboten. "Dieses Wettrennen hat kein Land gewonnen", erklärte Yellen. "Niedrigere Steuersätze haben es nicht nur versäumt, neue Geschäfte anzuziehen, sie haben Länder auch der Mittel für wichtige Investitionen für Infrastruktur, Bildung und der Bekämpfung der Pandemie beraubt."

Bis Freitag bleibt Scholz in Washington - ein angestrebtes Treffen mit US-Vizepräsidentin Kamala Harris im Weißen Haus klappte allerdings nicht. Scholz wird es angesichts der Fortschritte bei der Steuerreform verschmerzen können. Für den Finanzminister ist sie ein Thema der Gerechtigkeit und ein Mittel auch gegen populistische Strömungen in vielen Ländern. Und sie passt zu seinem Anspruch der politischen Führung. Zwar belegt die SPD bei Umfragen zur Bundestagswahl weiter nur Platz drei. Im Scholz-Lager aber ist man sicher, dass man das noch drehen kann bis zur Wahl und die SPD eine Regierung ohne die Union anführen kann. Immer wird auf die persönlich guten Umfragewerte von Scholz verwiesen. Bis zur Wahl könne noch viel passieren.

Scholz will im Wahlkampf auch auf das Thema Klimaschutz setzen, oder genauer: die Zukunft des Industriestandorts Deutschland. Auch hier strebt er das Image des "Machers" an, der den notwendigen, aber schleppenden Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen will - gegen Widerstände. ""Es geht jetzt ums Machen, ums Hinbekommen, um Leadership", sagte Scholz vor kurzem beim Tag der Industrie.

Das Thema Energie wird Scholz auch bei seinen Gesprächen in den USA begleiten, wenn auch eher hinter den Kulissen. Es geht um das umstrittene Pipelineprojekt Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland. Lange war dies das größte Streitthema zwischen den USA und Deutschland. Die USA befürchten eine Abhängigkeit Deutschlands von Russland. Nun aber stehen die Zeichen auf Entspannung, bis August soll es eine Lösung geben. Mitte Juli trifft Kanzlerin Angela Merkel (CDU) US-Präsident Joe Biden - dort, wo Scholz bald hinwill: im Weißen Haus.

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