Berlin. 180 Milliarden Euro neue Schulden wollte der Bund schon bislang in diesem Jahr machen. Mit einem Nachtragshaushalt kommen jetzt noch mal 60 Milliarden oben drauf. Was wird aus der Schuldenbremse?

Der Bundestag hat den Weg für eine Rekordverschuldung des Bundes in diesem Jahr frei gemacht. Er verabschiedete am Freitag den Nachtragshaushalt mit einer neuen Kreditaufnahme von 60,4 Milliarden Euro.

Damit kann Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in diesem Jahr die noch nie da gewesene Kreditsumme von insgesamt 240,2 Milliarden Euro aufnehmen.

Der Nachtragshaushalt sieht vor allem pandemiebedingte Ausgaben für Unternehmens- und Familienhilfen sowie für Gesundheitsmaßnahmen wie den Kauf von Impfstoffen vor. Zugleich sollen mit ihm niedrigere Steuereinnahmen ausgeglichen werden. Um die hohe Neuverschuldung zu ermöglichen, hob der Bundestag erneut die in Artikel 115 des Grundgesetzes verankerte Schuldenbremse auf.

Scholz sagte in der Debatte, der Nachtragsetat enthalte eine "massive finanzielle Unterstützung für die ganze Gesellschaft". Es gehe darum, die Corona-Pandemie zu überwinden. "Nach der Pandemie wollen wir durchstarten", sagte Scholz. "Dass das möglich ist, müssen wir jetzt planen. Dafür tragen wir Vorsorge mit diesem Nachtragshaushalt."

Die Opposition kritisierte die Höhe der Neuverschuldung, den Verzicht auf Einsparungen an anderer Stelle und die Unklarheit für die spätere Tilgung der Schulden. "Diese Schuldenorgie ist unverantwortlich und geschieht auf Kosten der nachfolgenden Generationen", sagte der AfD-Abgeordnete Volker Münz. Gesine Lötzsch von der Linken sagte, die Corona-Krise kenne Gewinner und Verlierer. Die Linke stelle zwei Fragen an den Haushalt: "Erstens: Zieht er die Gewinner zur Finanzierung des Gemeinwesens heran? Und zweitens: Unterstützt er die Verlierer wirkungsvoll? Beide Fragen muss ich mit Nein beantworten."

Die Grünen bezeichneten den Nachtragsetat als notwendig. Ihre Abgeordnete Anja Hajduk monierte jedoch, die vorgesehenen Hilfen für Menschen in der Grundsicherung reichten nicht aus. Für die FDP kritisierte Christian Dürr, dass der Bund nicht erst an seine Rücklagen herangehe, bevor er neue Schulden aufnehme: "Da liegen 50 Milliarden Euro in der Rücklage und es werden 60 Milliarden Euro neue Schulden gemacht."

Für den Haushalt stimmten CDU/CSU und SPD. FDP, Linke und AfD stimmten dagegen, die Grünen enthielten sich. Für die Überschreitung der im Grundgesetz festgeschriebenen Kreditobergrenze votierten in namentlicher Abstimmung 370 Abgeordnete. Es gab 78 Nein-Stimmen und 184 Enthaltungen. Erforderlich wären 355 Ja-Stimmen gewesen. Begründet wurde dieser Schritt damit, dass aufgrund des Ausmaßes der andauernden Corona-Krise und der zu ihrer Bewältigung erforderlichen Maßnahmen weiterhin eine "außergewöhnliche Notsituation" im Sinne von Artikel 115 Grundgesetz bestehe.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sprach sich dafür aus, so schnell wie möglich zur Schuldenbremse zurückzukehren. "Für die Union ist klar: Die Aussetzung der Schuldenbremse muss die absolute Ausnahme bleiben", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Es geht darum, dass unsere Kinder auch in Zukunft gestalten können. Eine dauerhafte Aussetzung der Schuldenbremse ist mit der Union deshalb nicht zu machen." CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet sagte bei den Familienunternehmer-Tagen 2021: "Ich finde nicht, dass man die Schuldenbremse ablösen darf, wie das manche vorgeschlagen haben. Der Staat braucht auch die Verpflichtung, mit dem Geld der Bürger sorgsam umzugehen."

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Achim Post, erwiderte darauf: "Wer wie CDU und CSU einerseits möglichst schnell wieder zur Politik der Schwarzen Null zurück will und andererseits Steuersenkungen für Höchstverdiener und große Konzerne durchsetzen möchte, der kann dies nur finanzieren, indem er bei Investitionen und beim Sozialstaat massiv kürzt." Der CDU-Vorsitzende und sein Generalsekretär sollten den Bürgern klar sagen, "wo sie den haushaltspolitischen Rotstift ansetzen wollen".

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