Berlin. Der wochenlange Abwärtstrend bei den Corona-Zahlen scheint gebrochen. Am Samstag gab es wieder einen Anstieg. Doch die Pläne zur Öffnung vieler Schulen und Kitas in Deutschland zum Wochenbeginn stehen. Für die Beschäftigten dort rückt nun eine frühere Impfmöglichkeit näher.

In Deutschland deutet sich eine erneute Verschärfung der Corona-Pandemie an. Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Samstag 9164 Neuinfektionen binnen eines Tages. Das waren 810 mehr als am Samstag der Vorwoche. Zudem stieg der sogenannte R-Wert - eine weitere wichtige Kennzahl.

Vor dem Hintergrund anstehender Schul- und Kita-Öffnungen in mehreren Bundesländern am Montag verdichten sich unterdessen die Anzeichen, dass das Personal bei der Corona-Impfung früher an die Reihe kommen könnte und die Impfverordnung entsprechend geändert wird.

Das RKI gab den bundesweiten Sieben-Tage-R-Wert am Samstagnachmittag mit 1,07 an. Das ist der höchste Wert seit mehreren Wochen. Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 107 weitere Menschen anstecken. Das könnte darauf hindeuten, dass sich die ansteckenderen Virusvarianten trotz des Lockdowns rascher ausbreiten.

RKI-Präsident Lothar Wieler rief die Menschen zum Durchhalten auf: "Falsche Versprechungen helfen niemandem, und es ist ganz einfach so, dass wir diese Maßnahmen, die wir kennen, dass wir die eine gewisse Zeit noch durchhalten müssen", sagte er bei einer im Internet übertragenen Diskussion des Bundesgesundheitsministeriums zum Thema Impfen.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach von einer "echt schwierigen Phase" der Corona-Pandemie. Alle seien nach zwölf Monaten müde. "Ein Kind, das zehn Jahre alt ist, hat jetzt ein Zehntel seines Lebens in der Pandemie verbracht." Es sei die Erwartung da, dass es mit gesunkenen Neuinfektionszahlen auch wieder ein Stück rausgehe aus den Beschränkungen. Spahn erwähnte zugleich die Mutationen. Zuversicht gebe aber das Impfen, fügte er hinzu.

Hier wird immer wahrscheinlicher, dass Kita- und Grundschulbeschäftigte in der Reihenfolge nach vorne rücken. Es sei gesellschaftlich sehr wichtig, dass Kitas und Grundschulen wieder öffnen könnten, sagte Spahn. Am Montag beginnt in zehn Bundesländern in vielen Einrichtungen wieder Präsenzunterricht und die Kitas nehmen mehr Kinder auf. Weil dort aber Abstand nicht möglich sei, wolle man die Beschäftigten zügig in die nächsthöhere Gruppe zwei nehmen und früher ein Impfangebot möglich machen, sagte Spahn.

Bei der Impfreihenfolge in Deutschland wurden drei große Gruppen festgelegt: Gruppe eins mit "Höchster Priorität", Gruppe zwei: "Hohe Priorität", und Gruppe drei: "Erhöhte Priorität". Kita- und Grundschulbeschäftigte stehen nach der aktuellen Impfverordnung in Gruppe drei und wären damit voraussichtlich erst im Sommer dran. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder hatten das Gesundheitsministerium bei ihrer jüngsten Beratung gebeten, zu prüfen, ob Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher früher dran kommen könnten. Dafür müsste die geltende Impfverordnung geändert werden.

Vertreter mehrerer Bundesländer haben sich inzwischen dafür ausgesprochen. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) teilte am Samstag mit, eine entsprechende Änderung der Bundesimpfverordnung sei in Arbeit. Eine Grundsatzentscheidung solle am Montag aller Voraussicht nach auch in der Gesundheitsministerkonferenz fallen. Spahn hatte bereits am Freitag gesagt, es zeichne sich ein "relativ großer Konsens" in dieser Frage ab. Eine große Mehrheit der Deutschen hat sich in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov Deutschland ebenfalls dafür ausgesprochen.

Familienministerin Franziska Giffey (SPD) verteidigte die geplanten Schul- und Kita-Öffnungen. "Man kann die Kinder nicht noch viel länger zuhause lassen, weil sonst der Kinderschutz und das Kindeswohl in Gefahr sind", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Berlin und verwies auf Probleme wie Vereinsamung, Bewegungsmangel und entstehende "Bildungs- und Bindungslücken". Zudem seien viele Eltern am Ende. "Die Belastungsgrenze ist erreicht."

Giffey betonte, dass Öffnungen "verantwortungsvoll" erfolgen müssten, mit Einhaltung von Hygieneregeln und Schutzmaßnahmen für das Personal. "Dass wir dabei das Infektionsgeschehen weiter im Blick haben müssen, ist selbstverständlich. Es geht jetzt um Öffnungsschritte mit Sicherheit."

Bildungsgewerkschaften und Lehrervertreter forderten mit Blick auf die Öffnungen besondere Rücksicht auf den Gesundheitsschutz. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, nannte es zwar richtig, schrittweise wieder mit dem Unterricht in den Schulen zu beginnen, aber nur in Regionen mit niedrigem Infektionsgeschehen. Wenn Bundesländer flächendeckend öffneten, auch in Landkreisen mit hohen Ansteckungszahlen, sei das mit Blick auf den Gesundheitsschutz nicht verantwortbar, sagte er der dpa.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zeigte sich skeptisch: "Die Länder, die jetzt ihre Schulen öffnen, gehen ein hohes Risiko - für die Gesundheit der Lehrkräfte, der Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern", sagte die Vorsitzende Marlis Tepe den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).

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