Berlin. Wie mangelhaft war die Doktorarbeit von Franziska Giffey? Ihren Doktortitel will die Ministerin wegen der Plagiats-Diskussionen nicht mehr führen. Nun wird die Dissertation erneut geprüft.

Obwohl Bundesfamilienministerin Franziska Giffey nach Diskussionen um ihre Dissertation auf das Führen ihres Doktortitels verzichtet, prüft die Freie Universität Berlin (FU) die umstrittene wissenschaftliche Arbeit erneut. Das teilte die Universität am späten Mittwochabend mit.

Es solle nun untersucht werden, ob nach Abschluss des ersten Prüfverfahrens die richtige Entscheidung getroffen worden sei. Die FU hatte Giffey im Herbst 2019 wegen Mängeln in der Arbeit eine Rüge erteilt, ihr aber ihr den Doktortitel nicht entzogen. Nun bestehe der Wunsch, das neue Verfahren - ungeachtet der Komplexität - möglichst in der Vorlesungszeit des Wintersemesters abzuschließen, so die Uni.

Am Donnerstag sagte eine Sprecherin Giffeys auf dpa-Anfrage, die Ministerin habe gegenüber der FU die Möglichkeit zur Stellungnahme genutzt. Über den Inhalt dieser Stellungnahme wurde nichts bekannt. Der Sender ntv hatte unter Berufung aus dem Umfeld der Ministerin gemeldet, dass Giffey Rechtsmittel gegen die Neu-Eröffnung des Prüfverfahrens einlegen wolle. Die Sprecherin der Ministerin sagte, in der Stellungnahme sei "von einer Klage-Androhung keine Rede".

Giffey hatte am vergangenen Freitag im lang anhaltenden Streit um Plagiatsvorwürfe erklärt, sie verzichte auf das Führen ihres Doktortitels. Zuvor hatte die FU angekündigt, sie wolle das Prüfverfahren um ihre Doktorarbeit neu aufrollen. Giffey hatte weitere Konsequenzen ausgeschlossen. Sie will an ihrer Kandidatur für den Berliner SPD-Landesvorsitz auf einem Parteitag am 27. November festhalten. Zudem ist die Ministerin als Spitzenkandidatin der Berliner SPD für die Abgeordnetenhauswahl 2021 im Gespräch.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte Konsequenzen, falls Giffey der Doktortitel aberkannt werden sollte. "Die Untersuchung der Doktorarbeit und vor allem der Vorwürfe, die damit verbunden sind, muss fortgeführt werden - und sie muss schnell zu einem Ende gebracht werden, noch vor den anstehenden Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus", sagte Kramp-Karrenbauer bei einer Veranstaltung der "Augsburger Allgemeinen" am Mittwochabend.

Giffey hatte die FU im Februar 2019 selbst um die Einleitung eines formellen Prüfverfahrens wegen ihrer Dissertation "Europas Weg zum Bürger - Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft" gebeten. Sie hatte sogar vom Rücktritt vom Ministeramt gesprochen, falls ihr der Titel aberkannt werde.

Nach Abschluss der ersten Prüfung hatte die FU im Herbst 2019 entschieden, den Doktorgrad nicht zu entziehen und stattdessen eine Rüge zu erteilen. Trotz der festgestellten Mängel habe nicht grundsätzlich infrage gestellt werden können, dass es sich bei der Dissertation um eine eigenständige wissenschaftliche Leistung handelte, teilte die FU damals mit.

Kramp-Karrenbauer sagte am Mittwoch, sollte sich herausstellen, dass sich die Vorwürfe bewahrheiten, "gehe ich davon aus, dass Frau Giffey das tut, was sie nämlich selbst schon angekündigt hat - und ich gehe davon aus, dass die SPD hier eben nicht mit zweierlei Maß misst."

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die Freie Universität sei nach einer "sehr gründlichen Prüfung" zu der Entscheidung gekommen, es bei einer Rüge zu belassen. "Und jetzt stellt die Universität ihre eigene Entscheidung wieder infrage." Lambrecht weiter: "Frau Giffey hat klargemacht, dass der Doktortitel für sie keine Rolle mehr spielt. Ich muss sagen: Ganz großen Respekt!"

Auf die Nachfrage, warum die SPD in ähnlichen Fällen bei der Union lautstark den Rücktritt gefordert habe, entgegnete Lambrecht: "Das war eine ganz andere Situation. Herrn Guttenberg ist der Doktortitel entzogen worden - Frau Giffey nicht. Wir legen hier überhaupt keine unterschiedlichen Maßstäbe an."

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