Berlin. Über 60 Prozent der Bürger halten den Staat für überfordert - so lautete im vergangenen Jahr das für viele alarmierende Ergebnis einer großen Umfrage. Nun wurden die Menschen in Deutschland wieder befragt.

Das Vertrauen der Menschen in Deutschland in die politischen Institutionen ist stark gestiegen. Der Anteil der Bürger, die den Staat als fähig zur Erfüllung seiner Aufgaben ansehen, wuchs im Vergleich zum vergangenen Jahr um 22 Prozentpunkte auf 56 Prozent.

Das zeigt die neue Bürgerbefragung "Öffentlicher Dienst" des Beamtenbunds dbb, die der dpa vorliegt. Eine Minderheit von 40 Prozent sieht den Staat als mit seinen Aufgaben und Problemen überfordert an.

Auffällig ist, in welch geringem Maß Anhänger der AfD demnach in die Handlungsfähigkeit des Staats vertrauen. Von ihnen tun dies nur 5 Prozent.

Eine Überforderung des Staates sehen 22 Prozent derer, die den Staat überhaupt als überfordert ansehen, bei Schulen und Bildung. 20 Prozent von ihnen bewerten den Staat in der Asyl- und Flüchtlingspolitik als überfordert, 16 Prozent in der Corona-Krise, 14 Prozent im Bereich innere Sicherheit, 12 Prozent bei sozialen Sicherungssystemen und Rente, 11 Prozent bei der Gesundheitsversorgung und jeweils 10 Prozent bei Klima und Umweltschutz sowie bei Steuern und Finanzen.

Die besten Noten erteilen die Bürger der Straßenreinigung und der Müllabfuhr. Sie konnten Noten von 1 bis 6 geben und erteilten ihnen im Durchschnitt eine 1,8. "Gut" gab es für die Bibliotheken (2,0), die Museen (2,0), die Kindergärten (2,2), die Polizei (2,3) und die Universitäten (2,3). Die Krankenhäuser sowie Hallen- und Freibäder bekamen jeweils 2,4. Auch die Sozialversicherungen, die Stadt- bzw. Gemeindeverwaltungen, die Finanzämter, die Gerichte und die Schulen erreichten im Schnitt noch Noten besser als 3.

Der dbb-Vorsitzende Ulrich Silberbach machte hauptsächlich ein überwiegend positiv beurteiltes Handeln von Staat und öffentlichem Dienst in der Corona-Krise für die Trends verantwortlich. "Ich glaube, dass das Gemeinwesen stabiler aus der Krise hervorgeht", sagte er der dpa. "Die Menschen stellen mit großer Mehrheit fest: Dieser Staat trägt dazu bei, in diesem Land für Sicherheit, für Gesundheit, für Wachstum und ein gutes Miteinander zu sorgen."

Dem öffentlichen Dienst fehlten zwar rund 300.000 Menschen. "Trotzdem sind wir froh, dass die Bürgerinnen und Bürger den Eindruck haben, der Staat kommt mit den Aufgaben immer noch ganz gut klar", sagte Silberbach.

"Wer heute noch der These "privat vor Staat" anhängt, sollte spätestens jetzt erkennen: Das sieht die Mehrheit der Menschen in Deutschland völlig anders", so Silberbach.

Von der Politik forderte der Chef von dbb beamtenbund und tarifunion, den öffentlichen Dienst zu stärken. Dazu gehöre ein Digitalisierungsschub, die verstärkte Ausbildung von Fachkräften und deren möglichst dauerhafte Bindung an den Staat als Arbeitgeber.

Vor der Fortsetzung der Tarifverhandlungen für die Beschäftigten von Bund und Kommunen am Samstag in Potsdam sagte Silberbach: "Dazu gehört auch, dass die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber bei den aktuellen Tarifverhandlungen begreift, dass wir alle in Deutschland einen krisenfesten und zukunftssicheren öffentlichen Dienst brauchen." Die kommunalen Arbeitgeber lehnen angesichts ihrer Einnahmeausfälle in der Krise derzeit Einkommenserhöhungen ab. Diese werden vom dbb und der Gewerkschaft Verdi verlangt.

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