Berlin. Der Bundestag hat am Donnerstag über die künftige Regelung von Organspende abgestimmt. Lesen Sie hier, was die Reform mit sich bringt.

Der Bundestag hat darüber abgestimmt, wie die Organspende in Deutschland in Zukunft geregelt sein wird. Die Abgeordneten stimmten mehrheitlich gegen die von Gesundheitsminister Jens Spahn forcierte Widerspruchslösung nach der jeder, der nicht explizit widerspricht, als Organspender zählt. Diese Lösung war unter anderem auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel favorisiert worden.

Während 292 Abgeordnete für den Antrag stimmten, sprachen sich 379 Abgeordnete dagegen aus, drei enthielten sich. Damit bleiben Organspenden in Deutschland weiterhin nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Linke-Vorsitzende Katja Kipping fanden mit ihrem Gegenvorschlag – die erweiterte Entscheidungsregelung – mehr Unterstützung. Ihr Entwurf wurde in zwei Abstimmungen mehrheitlich angenommen. In der Schlussabstimmung sprachen sich 432 Abgeordnete dafür aus. Dieser Entwurf hatte unter anderem die Unterstützung von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Was Sie jetzt zur Organspende wissen müssen.

Organspende: Was ändert sich mit der Reform?

Grünen-Chefin Annalena Baerbock spricht am Donnerstag im Bundestag in Berlin über Organspende.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock spricht am Donnerstag im Bundestag in Berlin über Organspende. © dpa | Kay Nietfeld

Die erweiterte Entscheidungsregelung koppelt die Organspende nicht an einen Automatismus. Wer ab dem Alter von 16 Jahren einen Personalausweis beantragt, ihn verlängert oder sich einen Pass besorgt, soll beim Amt Informationsmaterial bekommen. Beim Abholen des Ausweises soll man sich dann vor Ort oder auch später zu Hause außerdem in ein neues Online-Register eintragen können – mit Ja oder Nein. Damit werden potenzielle Spender künftig mindestens alle zehn Jahre einmal an das Thema Organspende erinnert.

Für eine regelmäßige Aufklärung sollen auch Hausärzte eine größere Rolle spielen. Sie sollen Patienten bei Bedarf alle zwei Jahre über Organspenden informieren und zum Eintragen ins Register ermuntern – aber ergebnisoffen und mit dem Hinweis, dass es weiter keine Pflicht zu einer solchen Erklärung gibt. Grundwissen über Organspenden soll auch Teil der Erste-Hilfe-Kurse vor einer Führerscheinprüfung werden. Im Online-Register sollen Entscheidungen jederzeit zu ändern sein.

„Mit der wiederkehrenden Befragung – spätestens alle zehn Jahre – machen wir zusammen mit Abgeordneten von Union, SPD, FDP und Linken einen Vorschlag, der einerseits die Zahl der Organspendenzahlen erhöht, das Recht auf die Unversehrtheit des eigenen Körpers wahrt und zugleich zeitnah umzusetzen ist“, sagte Baerbock unserer Redaktion im vergangenen Dezember. „Zudem machen wir einen Vorschlag, der verfassungsschonender ist.“

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Organspende: Zahl der Spender ging zuletzt zurück

Beide Entwürfe hatten das Ziel, mehr Organspenden in Deutschland zu erwirken. 9000 Patienten in Deutschland stehen auf den Wartelisten für Spenderorgane. Die Zahl der Spender war im vergangenen Jahr wieder leicht auf 932 zurückgegangen, nachdem 2018 noch 955 Menschen nach ihrem Tod Organe für andere Patienten überlassen hatten. Es gab nun aber weiterhin mehr Spender als beim bisherigen Tiefstand von 797 im Jahr 2017. Im vergangenen Jahr wurden 2995 Organe an die Vermittlungsstelle Eurotransplant übergeben – vor allem Nieren, Lebern und Lungen.

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Unabhängig von der Debatte über neue Regeln gilt seit vergangenem Jahr ein Gesetz, das die Bedingungen für Organspenden in Kliniken verbessern soll. Es sieht mehr Geld sowie mehr Kompetenzen und Freiräume für Transplantationsbeauftragte der Kliniken vor. Mobile Ärzteteams sollen kleineren Häusern ohne eigene Experten helfen, einen Hirntod als Voraussetzung für Organ-Entnahmen festzustellen.

Wie fallen die Reaktionen auf die Organspende-Reform aus?

Jens Spahn gab sich trotz des Scheiterns seines Entwurfs entschlossen. Er werde die beschlossenen Pläne als Minister voller Tatkraft umsetzen. In drei, vier oder fünf Jahren sollte dann geschaut werden, ob sich an der Lage der Patienten, die auf Organe warten, tatsächlich etwas geändert habe. „Ich würde gern eines Besseren belehrt werden, dass es uns gelingt, tatsächlich die Zahl der Organspenden signifikant zu erhöhen“, sagte Spahn.

Jens Spahn (CDU) am Donnerstag vor der Abstimmung über seinen Entwurf zur Organspende-Neuregelung im Bundestag.
Jens Spahn (CDU) am Donnerstag vor der Abstimmung über seinen Entwurf zur Organspende-Neuregelung im Bundestag. © dpa | Kay Nietfeld

Er hätte sich natürlich eine Mehrheit für den eigenen Entwurf gewünscht, sagte der Bundesgesundheitsminister „Dass ich ein Stück enttäuscht bin, liegt in der Natur der Sache.“ Er hob zugleich hervor, dass die Debatte über dieses Thema ein Wert an sich gewesen sei. Patienten, die teils seit Jahren auf ein Organ warteten, hätten gesehen, dass sie nicht vergessen seien. „Hier geht es nicht um Gewinnen und Verlieren. Hier geht es darum, Menschen in Not zu helfen“, sagte Spahn.

Die christlichen Kirchen haben die Entscheidung des Bundestags zu einer moderaten Reform der Organspenderegeln als richtigen Weg begrüßt. „Wir glauben, dass das heute beschlossene Gesetz geeignet ist, die erfreulich große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung praktikabel und nachhaltig in eine individuelle Bereitschaft zur Organspende zu überführen“, hieß es am Donnerstag in einer weitgehend wortgleichen Erklärung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Weiter heißt es in der Erklärung: „Das Gesetz gewährt weiterhin eine möglichst große Entscheidungsfreiheit bei der Organspende und trifft dennoch Maßnahmen, die dazu führen, dass die Menschen sich verstärkt mit der Frage der Organspende befassen.“ Es halte zudem praktische Regelungen bereit, wie etwa die Einführung eines Registers, die die Abläufe und Strukturen bei der Organspende weiter verbesserten. Die Verabschiedung „setzt ein wichtiges Zeichen für den Erhalt und Schutz grundlegender (medizin-)ethischer und grundrechtlicher Prinzipien, auf denen das Wertefundament unserer Gesellschaft fußt.“

So ist die Organspende in Europa geregelt

Organ- und Gewebespenden sind in den europäischen Ländern unterschiedlich geregelt. Vor allem auch für deutsche Urlauber im Ausland können daher andere Regeln gelten als in Deutschland. „Deshalb ist es ratsam, sich vor einem Auslandsaufenthalt über die dort geltende Regelung zu informieren“, betont die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

In fast allen Ländern gilt entweder die (erweiterte) Zustimmungsregelung, die Entscheidungsregelung oder die Widerspruchsregelung, über deren mögliche Einführung in Deutschland am Donnerstag der Bundestag zu entscheiden hat.

  • Erweiterte Zustimmungsregelung: Organe und Gewebe dürfen nur entnommen werden, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten einer Organspende zugestimmt hat. Falls keine Dokumentation der Entscheidung der verstorbenen Person vorliegt, werden die nächsten Angehörigen oder Bevollmächtigten gebeten, im Sinne der verstorbenen Person zu entscheiden. Diese Regelung gilt in Dänemark, Irland, Island, Litauen, in den Niederlanden (ab Mitte des Jahres Widerspruchslösung), Rumänien, der Schweiz und im Vereinigten Königreich.
  • Erweiterte Entscheidungsregelung: Sie stellt eine Abwandlung der erweiterten Zustimmungslösung dar und umfasst die Pflicht zu regelmäßiger Information der Bürgerinnen und Bürger. Diese Regelung gibt es jedoch nur in Deutschland.
  • Widerspruchsregelung: Hat die verstorbene Person einer Organspende zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen, zum Beispiel in einem staatlich geführten Widerspruchsregister, können Organe zur Transplantation entnommen werden. In einigen Ländern haben die Angehörigen das Recht, einer Organentnahme dann zu widersprechen, wenn keine klare Entscheidung der verstorbenen Person vorliegt. Die Widerspruchslösung gilt in Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Türkei und in Ungarn.

(ba/dpa/epd)