Berlin. Die Jusos organisieren den Widerstand gegen die GroKo und erzielen einen ersten Erfolg. Es wird gefährlich für SPD-Chef Martin Schulz.

Kevin Kühnert wird in den nächsten Wochen der Hauptgegner von Martin Schulz sein. Der Chef der Jungsozialisten ist strikt gegen die große Koalition, auf die Schulz mit der SPD zusteuert.

Kühnert lässt sich auch nicht vom Ergebnis der 24-stündigen Dauerverhandlungen mit der Union umstimmen. Dass gerade die CSU sehr zufrieden sei, könne nichts Gutes bedeuten, twitterte er am Freitag: „Wenn Schulz und Seehofer beide meinen, das Ergebnis sei für ihre Parteien ,hervorragend‘, dann liegt mindestens einer falsch.“

Notfalls will Kühnert bis zum Mitgliederentscheid kämpfen

Bis zum SPD-Sonderparteitag am kommenden Sonntag in Bonn will der 28-jährige Juso-Chef die Stimmung in der Partei so drehen, dass die Delegierten mit Nein stimmen. Notfalls will er bis zum Mitgliederentscheid weiterkämpfen, in dem alle SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen sollen.

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    Auf dem Landesparteitag der SPD in Sachsen-Anhalt am Sonnabend in Wernigerode konnte Kühnert einen ersten Erfolg verbuchen. Die SPD-Basis stimmte in dem Harz-Städtchen gegen weitere Verhandlungen mit der Union und damit gegen die große Koalition.

    Mit einer hauchdünnen Mehrheit von nur einer Stimme setzten sich Kühnerts Jusos mit ihrem Antrag durch. „Verlässliches Regieren ist mit der Union aktuell nicht möglich“, heißt es in der Begründung.

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    Die Ergebnisse der Sondierungen in Berlin zeigten, dass sich die Ziele der SPD so nicht durchsetzen ließen. „Danke! Gibt Rückenwind“, twitterte Kühnert anschließend.

    Die Parteifunktionäre haben weniger Einfluss auf die Basis

    Sachsen-Anhalt, wo die SPD seit dem sensationellen Wahlerfolg der AfD vor gut einem Jahr mit der Union und den Grünen regiert, ist nicht der Nabel der Welt.

    Entscheidend wird sein, was die Delegierten auf dem Parteitag in Bonn beschließen und dort stellt die SPD Sachsen-Anhalt nur sieben Delegierte.

    Das Ergebnis ist trotzdem ein schwerer Schlag für Schulz. Es zeigt, wie schwer einschätzbar die Stimmung in der Partei ist. Und wie wenig sich die Basis inzwischen an die Empfehlungen ihrer Funktionäre hält.

    Für den Juso-Chef ist Anti-GroKo-Kurs eine Chance

    Schon der Landesverband in Thüringen hatte im Dezember gegen eine erneute große Koalition gestimmt. In Sachsen-Anhalt hatte Landeschef Burkhard Lischka, der zugleich Bundestagsabgeordneter ist, die Partei davon abzubringen versucht – vergeblich.

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      Für Juso-Chef Kühnert, der erst seit dem Herbst an der Spitze der Nachwuchsorganisation steht, ist sein radikaler Anti-GroKo-Kurs die Chance, bundesweit bekannt zu werden.

      Für SPD-Chef Schulz, der sich nach dem Debakel bei der Bundestagswahl nur mit Mühe an der Parteispitze halten konnte, wäre ein Nein dagegen das politische Ende.

      Es ist unklar, ob Kühnert sich bewusst ist, welchen Schaden er der Partei mit seiner „No-GroKo-Tour“ durch alle Bundesländer zufügen kann.

      Auch Schulz tourt in den nächsten Tagen durchs Land

      Schulz muss nun kämpfen: um die Koalition mit der Union, aber vor allem um sein Parteiamt. Der SPD-Chef tourt deshalb in den nächsten Tagen ebenfalls durchs Land. Am Montag wird er in Dortmund vor Parteifreunden sprechen, am Dienstag in Düsseldorf.

      Gerade in Nordrhein-Westfalen, wo die SPD bundesweit noch am stärksten ist, gibt es die größten Vorbehalte gegen die große Koalition. Landeschef Michael Groschek war selbst lange skeptisch, wirbt inzwischen aber für Koalitionsverhandlungen mit der Union.

      Auch in Bayern, einem weiteren Hort des Widerstands gegen die GroKo, wird Schulz in der nächsten Woche vor der Landtagsfraktion auftreten und für Koalitionsverhandlungen mit der Union werben.

      Sonderparteitag könnte Schulz ins Stolpern bringen

      Der Sonderparteitag in einer Woche wird also zum Schicksalstag für Schulz. Ihn abzuhalten war eine Idee von NRW-Chef Groschek. Er war dazu gedacht, die aufgebrachte Partei zu beruhigen.

      Sonst hätte sie vermutlich auf dem Parteitag im Dezember dem Start der Sondierungen mit der Union gar nicht erst zugestimmt.

      Jetzt könnte die zusätzliche Versammlung Schulz erst richtig ins Stolpern bringen. Ex-Parteichef Sigmar Gabriel, der am Sonnabend in Sachsen-Anhalt vor Juso-Chef Kühnert sprach, hält den Parteitag deshalb auch für keine gute Idee.

      Dieses Verfahren sei ein Misstrauensbeweis gegenüber dem Parteivorstand und auch „gegenüber der eigenen Basis“, sagte Gabriel in Wernigerode. Nur die SPD-Mitglieder sollten über den Koalitionsvertrag abstimmen.

      So hatte Gabriel es selbst gehalten, als er die Partei vor vier Jahren gegen massive Widerstände auf GroKo-Kurs gebracht hatte.

      Parteifunktionäre haben weniger Einfluss auf Basis

      Die Argumente, die nun von den GroKo-Gegnern wie dem Juso-Chef gegen das Bündnis mit CDU und CSU angeführt werden, sind stets dieselben:

      Die SPD dürfe der AfD nicht die Oppositionsführerschaft im Bundestag überlassen. CDU und CSU seien untreue Verhandlungspartner, man habe zu viele schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht.

      Und: Das Verhandlungsergebnis aus der Nacht zu Freitag sei zu schlecht. Wesentliche SPD-Forderungen wie Steuererhöhungen oder die Bürgerversicherung fehlten. Die Vereinbarungen zur Flüchtlingspolitik seien untragbar.

      Das Papier enthalte „rechtspopulistische Forderungen“

      Das 28-seitige Kompromisspapier enthalte „rechtspopulistische Forderungen“, meinte deshalb die bayerische Juso-Chefin Stefanie Krammer. Die Vorsitzende der Linken-Gruppierung in der SPD, Hilde Mattheis, vermisst in der Vereinbarung den „generellen Politikwechsel“. Die SPD müsse sich „klarer positionieren als Partei für soziale Gerechtigkeit“, verlangt sie.

      Die Parteispitze, die bis auf eine Enthaltung von Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel für das Verhandlungsergebnis mit der Union und für Koalitionsverhandlungen votierte, versucht nun, noch gegenzusteuern.

      „Auch mit Zweckbündnis kann man den Menschen dienen.“

      Die in der Partei besonders beliebte Vizevorsitzende Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, macht deutlich, dass eine Koalition mit der Union nur ein Zweckbündnis wäre: „Aber auch mit einem Zweckbündnis kann man dem Land und den Menschen dienen“, sagte sie dieser Redaktion.

      Die SPD habe in den Sondierungsgesprächen viel für mehr soziale Gerechtigkeit erreicht. Jetzt müsse aber noch nachgebessert werden: „Sondierungen und Koalitionsverhandlungen sind unterschiedliche Paar Schuhe. Wir werden versuchen, in den Koalitionsverhandlungen noch Erfolge zu erzielen“, sagte Dreyer.

      Sie denke da vor allem an die Arbeitsmarktpolitik: „Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Beschäftigungsverhältnissen ist für viele Menschen in Deutschland von enormer Bedeutung.“

      Auch über die Leiharbeit werde man in den Koalitionsverhandlungen noch intensiv sprechen müssen. Das Gleiche gelte für die Gesundheitspolitik und die Bürgerversicherung.

      Hessen-SPD will in Verhandlungen mehr herausholen

      Auch die SPD in Hessen beschloss am Sonnabend, in möglichen Koalitionsverhandlungen mit der Union mehr herauszuholen.

      Ob Schulz es also noch schafft, seine Partei in die dritte Auflage der GroKo zu führen? Jeder zweite Bundesbürger glaubt nicht daran, das zeigt eine repräsentative Online-Umfrage für diese Redaktion.

      Knapp 45 Prozent der Befragten beantworteten eine entsprechende Frage mit „Eher nein“ oder „Nein, auf keinen Fall“. Rund 38 Prozent sagten, dass Schulz es schaffe. Der Rest war unentschieden.