Prag. Der Präsident ernennt in Tschechien den Regierungschef und die Minister. Doch Amtsinhaber Zeman liegt auf der Intensivstation einer Klinik. Wie geht es nun weiter nach der Parlamentswahl in dem EU-Mitgliedstaat?

Angesichts des unklaren Gesundheitszustands von Präsident Milos Zeman droht Tschechien nach der Parlamentswahl eine Zeit der politischen Unsicherheit.

Der 77-Jährige war am Sonntag auf die Intensivstation einer Klinik gebracht worden - einen Tag nach der Wahl, bei der die liberal-konservativen Oppositionsparteien eine gemeinsame Mehrheit der Sitze im Abgeordnetenhaus erringen konnten.

Zeman befindet sich nach Einschätzung seiner Ärzte in einem stabilisierten Zustand, wie die Sprecherin des Zentralen Militärkrankenhauses (UVN) in Prag am Montag bekanntgab. Er werde weiter auf der Intensivstation von einem Ärzteteam aus Spezialisten unterschiedlicher Disziplinen betreut.

Der Präsident spielt eine entscheidende Rolle nach der Wahl, denn er vergibt den Auftrag zur Regierungsbildung. Die Verfassung macht ihm dabei formell keine Vorschriften. Zeman gilt als enger Verbündeter des amtierenden populistischen Ministerpräsidenten Andrej Babis. Er hatte die oppositionellen Parteienbündnisse vor einiger Zeit als "Betrug am Wähler" bezeichnet. Und er kündigte an, den Regierungsauftrag an die stärkste Einzelpartei zu vergeben. Das wäre die ANO-Bewegung von Babis.

Ein Sprecher Zemans erklärte, sein Krankenhausaufenthalt bringe die Sondierungsgespräche zwischen den Parteien nach der Wahl nicht in Gefahr. Der Präsident brauche jetzt vor allem Ruhe. Bei der Parlamentswahl sicherte sich die Opposition unter dem Spitzenkandidaten Petr Fiala gemeinsam 108 Sitze. Die ANO von Babis kam auf 72 Mandate, die ultrarechte Freiheit und direkte Demokratie auf 20 der 200 Sitze im Abgeordnetenhaus.

Fiala gab sich am Montag geduldig. "Ich werde abwarten, bis sich der Gesundheitszustand des Präsidenten verbessert hat, was ich ihm wünsche", sagte der frühere Hochschulrektor. Dann hoffe er auf ein Treffen mit dem Staatsoberhaupt. Nach Einschätzung von Rechtsexperten erteilt der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses den Regierungsauftrag, falls der Präsident unpässlich sein sollte.

Das Staatsoberhaupt beruft zudem die erste Sitzung des neugewählten Abgeordnetenhauses ein. Ist der Präsident dazu nicht in der Lage, konstituiert sich die Parlamentskammer 30 Tage nach der Wahl von alleine. In Tschechien wird bereits offen darüber diskutiert, Artikel 66 der Verfassung zu aktivieren. Er ermöglicht es, den Präsidenten seiner Funktionen zu entheben, wenn er sein Amt "aus schwerwiegenden Gründen nicht ausüben kann". Notwendig ist dafür die Zustimmung des Abgeordnetenhauses und des Senats.

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