Washington. In den USA ist der Schwarze Daunte Wright von einer Polizistin in Minneapolis erschossen worden. Gegen die Frau wird Anklage erhoben.

Schnee und Minus-Temperaturen haben sie nicht abhalten können. Und der Rücktritt der Todesschützin und ihres Vorgesetzten stellt sie bei weitem nicht zufrieden: Am dritten Tag hintereinander versammelten sich rund 1000 wütende Demonstranten vor der Polizei-Direktion von Brooklyn Center.

Im Norden von Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota, wo die Anspannung wegen des auf die Zielgerade gehenden Mord-Prozesses um den unter einem Polizisten-Knie gestorbenen George Floyd täglich steigt, war am Sonntag der 20-jährige Schwarze Daunte Wright bei einer Polizei-Kontrolle im Auto unter fragwürdigen Umständen ums Leben gekommen.

Polizisten reichen Rücktritt ein

Seither fliegen trotz Ausgehsperre abends Steine, Wasserflaschen und andere Wurfgeschosse. Die Staatsgewalt, verstärkt um Nationalgardisten, antwortet mit Rauch-Granaten, Tränengas und Schlagstöcken. 60 Festnahmen wurden am Dienstag verzeichnet. Und Mike Elliott ist langsam mit seinem Latein am Ende.

Der junge Bürgermeister der 30.000 Einwohner zählenden Vorstadt, mit elf Jahren als Flüchtlingskind aus dem schwarzafrikanischen Liberia in die USA gekommen, hatte sich von zwei Personalentscheidungen erhofft, dass sich die Lage etwas beruhigt.

Kim Potter, seit 25 Jahren im Dienst und Präsidentin der örtlichen Polizei-Gewerkschaft, hat ihren Hut genommen. Die 48-Jährige gab an, bei der fatalen Begegnung mit Wright statt ihres Taser-Geräts (Elektroschocker) irrtümlich die Dienstwaffe abgefeuert zu haben. Gegen sie ist inzwischen Anklage wegen Todschlags erhoben worden.

Tim Gannon, der Chef der örtlichen Polizei, reichte ebenfalls seine Demission ein.

Kann Polizistin Taser mit Pistole verwechseln?

Vielen Demonstranten, den Angehörigen Wrights und afro-amerikanischen Bürgern in der Region ist das zu wenig. Sie fordern, dass Potter angeklagt wird, vor Gericht kommt und ins Gefängnis geht. Dass die Polizistin Taser mit Waffe verwechselt habe, halten sie für eine unglaubwürdige Schutzbehauptung.

Ben Crump, Anwalt der Wright-Familie, sagt, ein Taser wiege weniger als eine Waffe, leuchte, wenn aus dem Holster genommen, und sei anders als die Dienstpistole äußerlich aus schrill gelbem Material.

Die Aktivistin und Anwältin Nekima Levy Armstrong fordert Gouverneur Tim Walz auf, ein Gesetz ins Parlament einzubringen, dass die „qualifizierte Immunität” aufhebt. Dabei handelt es sich um ein 50 Jahre altes Rechtskonstrukt, das Staatsdiener in Uniform landesweit auch bei unverhältnismäßiger Gewaltanwendung mit Todesfolge beinahe prinzipiell vor negativen Folgen bewahrt.

Die Verfassungsrichterin Sonia Sotomayor sagte einmal, Uniformierte hätten so den Persilschein, „schießen zu dürfen und erst danach nachdenken zu müssen“.

Erst schießen, dann denken – das scheint nicht mehr zu gelten

Im George Floyd-Prozess gegen Officer Derek Chauvin war zuletzt der gegenteilige Eindruck entstanden. Sämtliche Polizei-Zeugen der Anklage verdammten das brutale Verhalten ihres Ex-Kollegen. Mit Barry Brodd, geladen von den Verteidigern Chauvins, widersprach am Dienstag der erste Sachverständige.

Er bescheinigte dem unter dreifacher Mord-Anklage stehenden Ex-Cop „mit objektiver Angemessenheit" gegen Floyd agiert zu haben. Mit einem Urteil wird in zehn Tagen gerechnet. Im Falle eines Freispruchs, für den ein einziger Geschworener reichte, wird mit einer Explosion der Gewalt gerechnet.