Minneapolis. Der gewaltsame Tod von George Floyd in Minneapolis hat im vergangenen Jahr große Teile der Welt erschüttert. Die Bilder und Videos der Tat verbreiteten sich rasch. Es ist daher schwierig, unvoreingenommene Geschworene für den Prozess gegen Derek Chauvin zu finden.

Im Prozess gegen den weißen Ex-Polizisten Derek Chauvin wegen der Tötung des unbewaffneten Afroamerikaners George Floyd hat am Dienstag die Auswahl der Geschworenen begonnen.

Das Gericht in der Stadt Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota sucht bis zu zwölf Geschworene aus, zudem vier Ersatzkandidaten. Die Auswahl könnte sich bis Ende des Monats hinziehen. Das Hauptverfahren soll erst am 29. März beginnen. Chauvin ist unter anderem wegen Mords zweiten Grades angeklagt, worauf bis zu 40 Jahre Haft stehen.

Die Geschworenen haben im US-Recht eine herausgehobene Bedeutung: Sie allein befinden über Schuld oder Unschuld. Die Kandidaten für die Jury dürfen unter Eid eingehend befragt werden, um sicherzustellen, dass sie nicht voreingenommen sind. In einem so bekannten und ausführlich in den Medien behandelten Fall wie der Tötung Floyds dürfte das eine größere Herausforderung sein. Verteidigung und Staatsanwaltschaft dürfen je eine bestimmte Zahl vorgeschlagener Geschworener ablehnen. Die Juroren bleiben in dem Prozess gegen Chauvin aus Sicherheitsgründen bis auf Weiteres anonym.

Die Auswahl der Geschworenen hätte eigentlich am Montag, dem ersten Prozesstag, beginnen sollen, wurde aber wegen verschiedener Anträge verschoben. Die erste Kandidatin wurde am Dienstag prompt von der Verteidigung abgelehnt. Die in einem Krankenhaus angestellte dreifache Mutter sprach mit ausländischem Akzent und bezeichnete die Tötung Floyds als "unfair". Damit ließ sie erkennen, dass sie womöglich nicht unvoreingenommen ist. Die Verteidigung äußerte zudem Bedenken, dass ihre Englischkenntnisse ungenügend sein könnten.

Der zweite Kandidat, ein Chemiker, erklärte, er habe das Video des Polizeieinsatzes gegen Floyd nicht gesehen, er habe aber den Tatort besucht. "Es ist in meiner Stadt passiert und es war ein Riesenereignis." Der Mann erklärte, er glaube, dass das System der Strafjustiz in den USA Angehörige von Minderheiten generell benachteilige. Er betonte jedoch, dass er es als Wissenschaftler gewohnt sei, Entscheidungen aufgrund der Fakten zu treffen. Er wurde als Geschworener für den Prozess angenommen. Die dritte Kandidatin räumte ein, dass sie nicht sicher sei, ob sie in diesem Fall unvoreingenommen sein könnte. Der Richter lehnte sie daher ab.

Der 46-jährige Floyd war am 25. Mai vergangenen Jahres in Minneapolis bei einer brutalen Festnahme ums Leben gekommen. Die Polizeibeamten drückten ihn auf der Straße zu Boden, Chauvin drückte sein Knie rund acht Minuten lang in Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor der Autopsie zufolge das Bewusstsein und starb.

Videos des Vorfalls verbreiteten sich wie ein Lauffeuer und führten in den USA zu wochenlangen Massenprotesten. Die Erwartungen an den Prozess sind daher groß. Viele Menschen hoffen auf ein Urteil, das ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt setzt.

Chauvin, der nach dem Vorfall entlassen wurde und später auf Kaution freikam, wird Mord zweiten Grades ohne Vorsatz vorgeworfen. Darauf stehen bis zu 40 Jahre Haft. Nach deutschem Recht entspräche dieser Anklagepunkt eher dem Totschlag. Chauvin muss sich zudem wegen Totschlags zweiten Grades verantworten, was mit zusätzlich 10 Jahren Haft geahndet werden könnte. Die Staatsanwaltschaft will ihn auch wegen Mord dritten Grades anklagen, worauf nochmals 25 Jahre stehen. Die Zulassung des Anklagepunktes steht aber noch aus.

Chauvin hat auf nicht schuldig plädiert. Seine Verteidiger argumentieren, der Einsatz sei gerechtfertigt gewesen, weil Floyd Widerstand geleistet habe. Zudem argumentieren sie, dass Floyds Tod nicht auf Gewalteinwirkung, sondern vor allem auf dessen vorbelastete Gesundheit und Rückstände von Drogen in seinem Blut zurückgehe.

Die Polizisten hatten Floyd wegen des Verdachts festgenommen, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben. Den übrigen drei an dem Einsatz beteiligten Ex-Polizisten werden Beihilfe zu Mord und Totschlag zweiten Grades zur Last gelegt. Sie sind gegen Kaution auf freiem Fuß und müssen sich ab 23. August vor Gericht verantworten. Bei einer Verurteilung drohen ihnen auch langjährige Haftstrafen.

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