Hongkong. Die Opposition in Hongkong bekommt die ganze Härte des neuen Sicherheitsgesetzes zu spüren. Dutzende Anhänger werden in Untersuchungshaft festgehalten.

In Hongkong müssen im bisher größten Verfahren wegen angeblicher Verstöße gegen das neue Sicherheitsgesetz alle 47 angeklagten Oppositionsanhänger vorerst in Untersuchungshaft bleiben.

Nach einer viertägigen Marathon-Anhörung gewährte ein Hongkonger Gericht am Donnerstag zwar 15 der Angeklagten zunächst die Freilassung auf Kaution. Allerdings legte die Justizbehörde dagegen umgehend Einspruch ein, weshalb sie vorerst nicht auf freien Fuß gesetzt werden. Die übrigen Beschuldigten müssen demnach voraussichtlich bis zum 31. Mai in Untersuchungshaft bleiben, wenn der Prozess fortgesetzt werden soll.

Vier der 47 Angeklagten, darunter der bekannte Demokratie-Kämpfer Joshua Wong, werden bereits seit Monaten wegen anderer unterstellter Vergehen im Gefängnis festgehalten.

Die Beschuldigten, zu denen sowohl prodemokratische Politiker als auch Aktivisten gehören, waren am Sonntag unter dem Vorwurf der Verschwörung zur Staatsgefährdung festgenommen und angeklagt worden. Hunderte Demonstranten hatten in den vergangenen Tagen immer wieder vor dem Gericht demonstriert.

Die Anklagen stehen im Zusammenhang mit inoffiziellen Vorwahlen, die die Oppositionskräfte im vergangenen Juli vor der später wegen der Pandemie abgesagten Hongkonger Parlamentswahl abgehalten hatten. Die Vorwahlen, bei denen die aussichtsreichsten Kandidaten ermittelt werden sollten, um im Hongkonger Parlament eine Mehrheit zu erringen, waren auf Kritik der Regierung gestoßen, die von "bösartigen Umsturzplänen" sprach.

Die Opposition hatte sich das Ziel gesetzt, mit einer Mehrheit im Parlament die Arbeit der Regierung zu blockieren und so Regierungschefin Carrie Lam zum Rücktritt zu zwingen. Dies, so argumentierten die Ankläger, sei ein Verstoß gegen das neue Hongkonger Sicherheitsgesetz. In vielen westlichen Staaten hatte die Anklage Empörung ausgelöst.

Die Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Bundestag, Gyde Jensen (FDP), kritisiert die Gerichtsentscheidung: "Die Beschuldigten werden in U-Haft weggesperrt, als seien sie Schwerverbrecher. Menschen, die in einem demokratischen Verfahren demokratische Wahlen vorbereitet haben, werden wie Staatsfeinde behandelt. Damit zeigt auch die Hongkonger Justiz, dass sie längst aus Peking kontrolliert wird", teilte Jensen mit.

Jetzt plant Peking bereits weitere Maßnahmen, um die Kontrolle über seine Sonderverwaltungsregion auszuweiten. Eine in Hongkong geplante Reform des Wahlsystems wurde von Staatsmedien als ein "Highlight" des diesjährigen Volkskongresses bezeichnet, der an diesem Freitag beginnt. Mit der Reform werde das Ziel verfolgt, dass Hongkong "nur von Patrioten regiert" wird.

Die parteinahe Zeitung "Global Times" skizzierte einen Plan, nach dem der Einfluss prodemokratischer Kräfte weiter massiv beschnitten würde. Die Zeitung sprach von "Schlupflöchern" des Wahlsystems, die geschlossen werden sollen. Demnach könnte ein von Peking kontrolliertes Gremium sämtliche Kandidaten, die sich in Hongkong zu einer Wahl stellen, zunächst auf ihre politische Gesinnung prüfen, um sicherzustellen, dass es sich um "Patrioten" handelt.

Auch legte das Blatt nahe, dass das Wahlkomitee, das den Hongkonger Regierungschef wählt, neu zusammengesetzt werden könnte. Schon jetzt besetzen überwiegend Vertreter der pekingtreuen Berufs- und Wirtschaftsverbände das aus 1200 Mitgliedern bestehende Komitee. Nach den dargelegten Plänen könnten zusätzlich die bisher vertretenen 117 Bezirksräte Hongkongs, die dem demokratischen Lager angehören, aus dem Komitee entfernt werden.

Das umstrittene Sicherheitsgesetz trat Ende Juni als Reaktion auf die seit einem Jahr anhaltenden Demonstrationen in Hongkong in Kraft und stieß international auf scharfe Kritik. Es richtet sich gegen Aktivitäten, die Peking als umstürzlerisch, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch ansieht.

Gleich mehrere bekannte Aktivisten wurden in den vergangenen Monaten wegen verhältnismäßig geringer Vergehen zu Gefängnisstrafen verurteilt. Eine ganze Reihe Hongkonger Aktivisten setzte sich zudem zuletzt aus Angst vor Strafverfolgung durch das neue Hongkonger Staatssicherheitsgesetz in andere Staaten ab.

Seit dem 1. Juli 1997 gehört Hongkong wieder zu China, wird aber nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme" regiert. Diese Vereinbarung sieht eigentlich vor, dass Hongkonger für 50 Jahre bis 2047 "ein hohes Maß an Autonomie" und viele Freiheiten genießen. Seit der Verabschiedung des Sicherheitsgesetzes reden viele jedoch nur noch von "Ein Land, ein System".

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