Washington. Die Demokraten wollen Trump nach dem Angriff seiner Anhänger auf das US-Kapitol zur Verantwortung ziehen - er ist sich keiner Schuld bewusst. Und während der Machtwechsel in Washington naht, wächst die Sorge vor weiterer Gewalt.

Der abgewählte US-Präsident Donald Trump zeigt nach der gewaltsamen Erstürmung des US-Kapitols durch seine Anhänger keine Reue.

Mit Blick auf seine Rede vor Unterstützern unmittelbar vor dem tödlichen Gewaltausbruch am Sitz des US-Parlaments sagte Trump am Dienstag: "Sie wurde analysiert und die Leute fanden, dass das, was ich gesagt habe, völlig angemessen war." Für die beispiellose Wut, die er beobachte, machte er Internetunternehmen und das angestoßene zweite Amtsenthebungsverfahren gegen ihn verantwortlich. Die Demokraten im US-Repräsentantenhaus wollen Trump wegen "Anstiftung zum Aufruhr" zur Verantwortung ziehen.

Trump war nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten, seit seine Unterstützer am vergangenen Mittwoch im Anschluss an seine Rede teils mit brachialer Gewalt in das Kapitol eingedrungen waren. Politiker der Demokraten und Republikaner werfen Trump vor, seine Anhänger aufgestachelt zu haben. Die Sicherheitskräfte wurden von den Randalierern überwältigt. Fünf Menschen starben, darunter ein Polizist. Die Behörden verschärfen nun die Sicherheitsvorkehrungen für die Amtseinführung von Trumps Nachfolger Joe Biden am 20. Januar. Hintergrund sind befürchtete weitere gewalttätige Proteste in den nächsten Tagen. Das Auswärtige Amt warnt Deutsche in den USA landesweit vor gewalttätigen Protestaktionen und Unruhen.

Die feierliche Vereidigung der US-Präsidenten ist auch unter normalen Umständen eine Veranstaltung mit maximalem Sicherheitsaufgebot. In diesem Jahr schüren die jüngsten Ausschreitungen die Sorge vor Zwischenfällen - auch wenn die Zeremonie wegen der Corona-Pandemie ohne das sonst übliche Massenpublikum läuft. Biden selbst sagte, er sehe der Zeremonie ohne Sicherheitsbedenken entgegen. "Ich habe keine Angst, den Eid draußen abzulegen", antwortete er am Montag auf eine entsprechende Journalisten-Frage.

Mehrere US-Medien berichteten am Montag über eine interne Warnung der Bundespolizei FBI an die Sicherheitskräfte, wonach es rund um Bidens Amtseinführung in den Hauptstädten aller Bundesstaaten zu bewaffneten und gewaltsamen Protesten kommen könnte. Eine bewaffnete Gruppe wolle am Samstag nach Washington reisen, hieß es nach einem Bericht des Senders ABC in dem FBI-Hinweis.

Der Kurznachrichtendienst Twitter hatte vor wenigen Tagen ebenfalls gewarnt, auf seiner Plattform und anderswo würden bereits konkrete Pläne für weitere bewaffnete Proteste verbreitet. Unter anderem sei dort die Rede von einer weiteren Attacke auf das Kapitol und auf Parlamentsgebäude in Bundesstaaten am 17. Januar. Infolge der Erstürmung des US-Kapitols löschte Twitter mehr als 70.000 Konten von Anhängern der Verschwörungstheorie "QAnon". Die Plattform war zuletzt verschärft gegen Nutzer, die Behauptungen über Wahlbetrug verbreiteten oder Gewalt verherrlichten, vorgegangen. Auch Trump ist von den Maßnahmen betroffen: Twitter hatte am Freitag sein reichweitenstärkstes Konto gesperrt.

Trump warf den Internetunternehmen vor, eine "fürchterliche Sache" für das Land zu tun. "Sie spalten und entzweien und sie zeigen etwas, was ich seit langer Zeit vorhergesagt habe", sagte Trump am Dienstag ohne konkreter zu werden. Ein häufig geäußerter Vorwurf gegen Plattformen wie Facebook und Twitter ist aber, dass sie konservative Stimmen unterdrücken. "Das verleitet andere dazu, das Gleiche zu tun. Und es verursacht eine Menge Probleme und eine Menge Gefahren", sagte Trump. "Ich habe noch nie so eine Wut gesehen", sagte er. "Man muss Gewalt immer vermeiden und wir haben enorme Unterstützung. Wir haben Unterstützung, wahrscheinlich wie sie niemand jemals zuvor gesehen hat."

Das von den Demokraten im Repräsentantenhaus angestoßene zweite Amtsenthebungsverfahren gegen ihn wegen "Anstiftung zum Aufruhr" verurteilte Trump als "Fortsetzung der größten Hexenjagd in der Geschichte der Politik". Das Verfahren sei "absolut lächerlich" und "gefährlich" für das Land. Trump äußerte sich auf seinem Weg nach Texas, wo er die Grenzmauer zu Mexiko besuchen wollte.

Der demokratische Abgeordnete David Cicilline bekräftigte die Notwendigkeit einer Amtsenthebung Trumps als Konsequenz für die Erstürmung des US-Kapitols. Trump sei eine Gefahr für das Land, sagte Cicilline dem Nachrichtensender CNN. Die Beweise, die ein Amtsenthebungsverfahren rechtfertigten, lägen auf der Hand. "Es gibt nicht viel zu untersuchen. Wir waren alle Zeugen davon oder Opfer davon, wir haben alle öffentlich die Aussagen des Präsidenten und seine Tweets gesehen."

Nach bisheriger Planung will das Repräsentantenhaus am Mittwoch über die Eröffnung des Amtsenthebungsverfahrens abstimmen. Angesichts ihrer Mehrheit in der Kammer könnten die Demokraten ein solches Verfahren aus eigener Kraft in Gang setzen. Eine Entscheidung fiele jedoch im Senat. Dass auch die zweite Kongresskammer noch vor dem Machtwechsel in Washington kommende Woche entscheiden könnte, ist quasi ausgeschlossen.

Es geht den Demokraten aber auch darum, Trump nach einer Verurteilung für Regierungsämter zu sperren. Damit würde ihm eine etwaige Präsidentschaftskandidatur 2024 verwehrt. Obwohl der Unmut über Trump auch unter den Republikanern wächst, ist die für eine Verurteilung nötige Zweidrittelmehrheit im Senat bislang nicht in Sicht.

Vor der Eröffnung des Amtsenthebungsverfahrens wollten die Demokraten am Dienstagabend (Ortszeit) mit ihrer Mehrheit zunächst noch eine Resolution durch das Repräsentantenhaus bringen. Damit wollen sie Vizepräsident Mike Pence dazu bewegen, Trump noch vor dem Machtwechsel in Washington des Amtes zu entheben. Auf Grundlage des Zusatzartikels 25 könnte Pence den Präsidenten mit einer Mehrheit wichtiger Kabinettsmitglieder für unfähig erklären, "die Rechte und Pflichten des Amtes auszuüben". Pence wird aufgerufen, binnen 24 Stunden nach der Verabschiedung der Resolution darauf zu reagieren. Bindend ist das nicht - und Pence hat entsprechende Forderungen der Demokraten bislang ignoriert.

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