Brüssel. Die Nato erarbeitete zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen militärischen Operationsplan für einen medizinischen Krisenfall. Manche Alliierte sehen das Bündnis in Sachen Corona aber offensichtlich nicht an vorderster Front.

Die Nato hat Probleme mit ihrem Krisenplan für den Fall einer zweiten Welle der Corona-Pandemie.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hatten Mitgliedstaaten zuletzt noch nicht einmal 1,6 Millionen Euro für den neuen Treuhandfonds zur Pandemieabwehr zugesagt. Hoffnung der Nato-Zentrale war es, zügig mindestens einen zweistelligen Millionenbetrag zusammenzubekommen.

Mit dem Geld aus dem bereits im Juni beschlossenen "Pandemic Response Trust Fund" will die Nato eigentlich den Aufbau von Lagern mit medizinischer Ausrüstung ermöglichen und im Fall einer zweiten großen Corona-Welle auch Partnerländer wie die Ukraine unterstützen können. Angesichts der sich hinziehenden Vorbereitungen ist nun allerdings unklar, ob wirklich im großen Stil Krisenhilfe geleistet werden könnte - vor allem wenn es bereits zeitnah zu einer zweiten Pandemie-Welle kommen sollte.

Ein Nato-Sprecher bestätigte der dpa, dass bis zuletzt erst neun der 30 Alliierten feste Zusagen für den Fonds gemacht hatten. Er betonte allerdings, dass von mehreren Ländern "signifikante" Materialspenden angekündigt worden seien. Dazu gehörten unter anderem 200 moderne Beatmungsgeräte und Schutzausrüstung. Weitere Angebote seien in Vorbereitung, hieß es. Zu den bislang großzügigsten Materialspendern gehören nach dpa-Informationen die USA.

Als ein Grund für die bislang geringe Beteiligung an den Krisenvorbereitungen gilt, dass vor allem etliche europäische Alliierte die zivile Krisenvorsorge eher als Thema für die EU als für das Verteidigungsbündnis sehen.

So soll zum Beispiel auch Deutschland bislang erst 2400 Schutzmasken für den Aufbau der Lagerbestände zugesagt haben - und auch dies nur, weil eine Hochschule sie der Nato spenden will. Zur Freude der Bündniszentrale wurden aber immerhin 390.000 Euro zur Verfügung gestellt, die über den Treuhandfonds im Krisenfall in Partnerländer fließen können. Für diese Art von Hilfe seien insgesamt bereits mehr als 1,5 Millionen Euro zugesagt worden, sagte der Nato-Sprecher.

Zu den Ländern, die bislang keine finanzielle Beteiligung an dem Fonds zugesagt haben, zählen zum Beispiel die Niederlande. "Auf Drängen der Niederlande und anderer Verbündeter wird so weit wie möglich eine Komplementarität mit der EU angestrebt", heißt es aus Den Haag zum Thema. Demnach will sich das Land vorerst nur mit einer Million Euro an einem Fonds beteiligen, der die Nato-Beschaffungsagentur NSPA in die Lage versetzen könnte, im großen Stil für Alliierte und Partner Ausrüstung anzuschaffen.

Für Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist die Zurückhaltung ärgerlich - vor allem, weil er jüngst noch einmal schriftlich eine stärkere Beteiligung angemahnt hatte. Der Norweger hatte das Projekt des Treuhandfonds im Frühjahr stark vorangetrieben - auch um die Nato zu einem relevanten Akteur in der Krise zu machen. Ergänzt wird es durch einen Operationsplan mit dem Namen "Allied Hand", der aufzeigt, wie Nato-Streitkräfte bei einer zweiten Welle zum Beispiel beim Krankentransport helfen oder Feldlazarette aufbauen könnten.

Auch in diesem Bereich ist die Nato allerdings noch nicht sehr weit gekommen. Nato-Oberbefehlshaber Tod D. Wolters hatte die Mitgliedstaaten aufgefordert, bis zum 10. Juli Beiträge für den Operationsplan zu melden. Die bis dahin gemachten Zusagen waren aber offensichtlich unzureichend, um die Vorbereitungen befriedigend abschließen zu können - zumindest heißt es nun, der Prozess der Kräftegenerierung sei noch nicht abgeschlossen.

Aus dem Bundesverteidigungsministerium hieß es zuletzt ohne Angabe von Details, dass auch die Bundeswehr die Maßnahmen unterstützen werde. Umfang und Ausgestaltung würden aber noch geprüft. Und grundsätzlich gelte, dass beim Thema Corona für Deutschland die EU die Organisation an vorderster Front sei.

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