Kabul/Washington. Eine Woche lang soll weniger Gewalt in Afghanistan herrschen, damit überhaupt in Richtung Frieden gedacht werden kann. Der Verlauf des ersten Tages nach dem offiziellen Beginn einer eingeschränkten Waffenruhe gibt Anlass zur Hoffnung.

Im Krisenland Afghanistan ist es nach dem offiziellen Beginn einer siebentägigen Phase reduzierter Gewalt vergleichsweise ruhig geblieben.

Nach Angaben von lokalen Behördenvertretern kam es am Samstag nur vereinzelt zu kleineren Angriffen. US-Außenminister Mike Pompeo hatte am Freitag erklärt, dass die USA und die militant-islamistischen Taliban eine Vereinbarung erzielt hätten, die zu einer signifikanten Verringerung des Blutvergießens führen soll. Die eingeschränkte Waffenruhe hatte daraufhin am Samstag um Mitternacht Ortszeit begonnen.

Lokalen Behördenvertretern zufolge gab es in mindestens drei Provinzen des Landes kleinere Angriffe auf Kontrollposten, die den Taliban zugeschrieben wurden. In der nördlichen Provinz Balkh kamen demnach fünf Sicherheitskräfte ums Leben. Zwei Polizisten wurden den Angaben zufolge in der Provinz Urusgan verletzt.

Die "Reduzierung der Gewalt" wird von den USA als Test angesehen, der zeigen soll, ob die Taliban ihre Kämpfer tatsächlich kontrollieren können. Sollte eine Woche lang wirklich weniger Gewalt herrschen, dann wollen die USA und die Taliban ein weitergehendes Abkommen unterzeichnen - so kündigte es Pompeo an. Allerdings ließ Verteidigungsminister Mark Esper am Freitag vorsorglich wissen: "Wenn die Taliban den Friedenspfad ablehnen, bleiben wir darauf vorbereitet, uns und unsere afghanischen Partner zu verteidigen."

Am Ende der Testphase wird entscheidend sein, wie Zwischenfälle bewertet werden. Denn wie die Gewaltverringerung konkret aussehen soll, blieb weitgehend unklar. Die Taliban hatten ihre Kämpfer in einer am Freitagabend veröffentlichten Erklärung aufgefordert, sich an den sieben Tagen strikt an ein ihnen auferlegtes "Programm" zu halten. Zudem sollten sie sich nur auf "Selbstverteidigung bei Verstößen" der anderen Seite vorbereiten. Es sei auch strengstens verboten, in die von der Regierung kontrollierten Gebiete zu gehen.

Im Gegenzug dürften die USA ihre Einsätze und Luftangriffe gegen die Taliban reduzieren oder gar stoppen. Präsident Aschraf Ghani erklärte, die afghanische Polizei und Armee würden in der Woche nur die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Al-Kaida-Extremisten und andere Terrorgruppen angreifen, aber nicht die Taliban.

Das mögliche Abkommen, das der Gewaltreduzierung folgen könnte, soll dann einen Zeitplan für den Abzug von US-Truppen sowie Garantien der Taliban beinhalten, dass Afghanistan kein Rückzugsort für Terroristen wird. Washington bereitet für den 29. Februar eine Unterzeichnung vor. Das Abkommen soll auch den Anstoß geben für innerafghanische Verhandlungen - die eigentlichen Friedensgespräche. Dabei geht es dann um eine Neuverteilung der Macht in dem Krisenland.

Die USA und die Taliban verhandeln seit Juli 2018 über eine politische Lösung des Afghanistan-Konflikts. Ursprünglich waren die USA mit der Forderung eines umfassenden Waffenstillstands in die Verhandlungen gegangen. Den konnten sie den Taliban, die Gewalt als ihren wichtigsten Hebel sehen und militärisch immer aggressiver auftraten, allerdings nicht abringen.

Im vierten Quartal 2019 gingen Nato-Angaben zufolge im Schnitt 90 Angriffe am Tag auf das Konto der Taliban und anderer bewaffneter Gruppen - bei mehr als einem Drittel davon gab es Verletzte oder Tote. Im Gesamtjahr wurden mehr als 10.000 Zivilisten Opfer der andauernden Konflikte und Anschläge: Mehr als 3400 Bürger starben und knapp 7000 weitere wurden 2019 verletzt, wie die UN-Mission in Afghanistan (Unama) in einem am Samstag veröffentlichten Bericht mitteilte.

Die Hoffnung ist, dass die Gewalt nach den sieben Tagen nicht wieder das vorherige Niveau erreicht. Es wird erwartet, dass einer der ersten Punkte bei den innerafghanischen Verhandlungen ein umfassender Waffenstillstand sein könnte.