Istanbul. Zunächst begann die türkische Offensive gegen Kurdenmilizen in Nordsyrien mit Luftangriffen und Artilleriefeuer. Kurz darauf tauchten Berichte über Opfer auf. Nun haben auch türkische Soldaten die Grenze überquert und liefern sich heftige Gefechte um eine Stadt.

Die Türkei hat nach Luftangriffen und Artilleriefeuer gegen kurdische Milizen in Nordsyrien nun auch mit einer Bodenoffensive begonnen. Das bestätigte das türkische Verteidigungsministerium in Ankara über Twitter.

"Unsere heldenhaften türkischen Streitkräfte und die Nationale Syrische Armee haben im Rahmen der Operation Friedensquelle ihre Bodenoffensive im Osten des (Flusses) Euphrat begonnen", hieß es im Text. Mit der Nationalen Syrischen Armee sind von der Türkei unterstützte syrische Rebellen gemeint.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete heftige Kämpfe zwischen türkischen Truppen und Einheiten der von Kurdenmilizen angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) am Eingang und in der Umgebung der Stadt Tall Abjad nahe der türkischen Grenzstadt Akcakale.

Der Sprecher der SDF, Mustafa Bali, wies Meldungen syrischer Rebellen zurück, wonach diese gemeinsm mit der türkischen Armee in Tall Abjad eingerückt seien. Die Angriff der türkischen Kräfte am Boden sei zurückgeschlagen worden, schrieb er auf Twitter.

Bali erklärte über Twitter auch, die türkische Armee habe die Umgebung eines Gefängnisses beschossen, in dem die "gefährlichsten Dschihadisten" der IS-Terrormiliz festgehalten würden. Die SDF-Truppen hatten bei ihren Operationen gegen die Extremisten Tausende IS-Anhänger gefangen genommen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Start des lange geplanten Militäreinsatzes am Mittwochnachmittag per Twitter bekanntgegeben. Ziel der Offensive ist die kurdische YPG-Miliz, die auf syrischer Seite der Grenze ein großes Gebiet kontrolliert. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit eine Terrororganisation.

Erdogan schrieb am Nachmittag auf Twitter: "Unser Ziel ist, den Terrorkorridor, den man an unserer südlichen Grenze aufbauen will, zu zerstören und Frieden und Ruhe in die Region zu bringen."

Am Nachmittag und Abend waren die türkischen Streitkräfte mit Luftangriffen und Artilleriefeuer zunächst vor allem an zwei Standorten vorgegangen: Tall Abjad und Ras al-Ain. Ras al-Ain liegt gegenüber dem türkischen Ort Ceylanpinar in der südosttürkischen Provinz Sanliurfa.

In den ersten Stunden der Angriffe, die um 16 Uhr Ortszeit begannen, seien mindestens 15 Menschen getötet worden, sagten Aktivisten. Unter den acht zivilen Opfern seien auch zwei Kinder, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Bei den anderen Toten handele es sich um Kämpfer der von Kurden angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF). Die Menschenrechtler berichteten zudem von mehr als 40 Verletzten, darunter 13 Zivilisten.

Die Offensive löste international scharfe Kritik aus. Senatoren im US-Kongress bereiteten eine parteiübergreifende Resolution für Sanktionen gegen die Türkei vor. Viele Regierungen und internationale Institutionen drangen auf einen sofortigen Stopp der Offensive.

Bundesaußenminister Heiko Maas sagte in Berlin: "Die Türkei nimmt damit in Kauf, die Region weiter zu destabilisieren und riskiert ein Wiedererstarken des IS." Es drohe eine weitere humanitäre Katastrophe sowie eine neue Fluchtbewegung. "Wir rufen die Türkei dazu auf, ihre Offensive zu beenden und ihre Sicherheitsinteressen auf friedlichem Weg zu verfolgen." US-Präsident Donald Trump befand, die Offensive sei "keine gute Idee".

Auch die EU-Staaten haben die Türkei in einer gemeinsamen Erklärung zum Abbruch der Militäroffensive aufgefordert. "Erneute bewaffnete Auseinandersetzungen im Nordosten werden die Stabilität in der ganzen Region weiter untergraben, das Leiden der Zivilisten verschlimmern und zusätzliche Vertreibungen provozieren", heißt es in dem am Mittwochabend veröffentlichten Text. Die Türkei gefährde zudem die Erfolge der internationalen Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, die Türkei müsse sicherstellen, dass ihr Vorgehen verhältnismäßig und maßvoll sei. Er will am Freitag in Istanbul mit Präsident Erdogan zusammenkommen und auch über die Militäroffensive sprechen.