Ankara. Innenminister Horst Seehofer spricht mit der Regierung in Ankara über mehr Finanzhilfen. Die Zahl der Flüchtlinge ist wieder stark gestiegen

Hält der Flüchtlingspakt mit der Türkei? Oder schickt Ankara Millionen Migranten nach Europa? Darum ging es bei den Gesprächen, die Bundesinnenminister Horst Seehofer und der EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos am Donnerstag und Freitag in Ankara und Athen führten.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sprach am Freitagmittag nach dem Treffen von „produktiven Gesprächen“. Man wolle in der Flüchtlingspolitik weiter mit Europa kooperieren und habe gesehen, dass auch die EU „Interesse an einer gesünderen Zusammenarbeit mit der Türkei“ habe.

Anlass der Reise, die Seehofer und Avramopoulos in die Türkei und nach Griechenland führte, sind die jüngst stark gestiegenen Migrantenzahlen in der Ägäis. Seit Mai kamen doppelt so viele Kriegsflüchtlinge und Wirtschaftsmi­granten aus der Türkei über die Ägäis wie im Vorjahr. In der letzten Septemberwoche hat sich die Zahl gegenüber 2018 sogar verfünffacht.

Türkei beherbergt Millionen Flüchtlinge

EU-Kommissar Avramopoulos drängte die Türkei, gegen die steigende Zahl von Migrantenüberfahrten vorzugehen. „Es ist dringend nötig, ungesetzliche Abfahrten aus der Türkei noch stärker zu verhindern“, sagte Avramopoulos. Außenminister Cavusoglu spielte das Thema herunter. Er sprach von einem „kleinen Anstieg von Ankünften“ und „unbegründeten Vorwürfen gegen die Türkei“.

Bei den Gesprächen ging es auch um zusätzliche Finanzhilfen für die Türkei, die nach eigenen Angaben bereits rund vier Millionen Migranten beherbergt und eine neue Flüchtlingswelle aus der umkämpften syrischen Region Idlib befürchtet. Der Migrationsdruck auf die Türkei sei „gewaltig“ und steige weiter an, sagte Seehofer nach einem Treffen mit seinem türkischen Amtskollegen Süleyman Soylu.

Man müsse deshalb das Flüchtlingsabkommen stärken. Über den türkischen Wunsch nach mehr Finanzhilfen will Seehofer nun mit der neuen EU-Kommission sprechen, „damit das sehr schnell angegangen wird“.

Erdogan droht den Europäern

Im Flüchtlingsdeal, der im März 2016 geschlossen wurde, hatte die EU der Türkei Finanzhilfen von sechs Milliarden Euro für die Unterbringung und Versorgung syrischer Flüchtlinge zugesagt. Davon wurden nach Darstellung der EU-Kommission bereits 5,6 Milliarden bereitgestellt. Die türkische Regierung klagt hingegen, bisher seien erst 2,6 Milliarden geflossen.

Staatschef Recep Tayyip Erdogan hatte in jüngster Zeit mehrfach gedroht, er werde massenhaft Migranten nach Europa schicken, wenn die EU keine weiteren Zahlungen leiste.