Berlin. Gewerkschaften und Arbeitgeber haben sich nun auf einen “historischen“ Tarifanstieg für Beschäftigte im öffentlichen Dienst geeinigt.

  • Weitere Streiks im öffentlichen Dienst sind abgewendet
  • Bund, Kommunen und Gewerkschaften haben sich im Tarifstreit geeinigt
  • Welcher Kompromiss gefunden wurde

Der monatelange Kampf um die Tariferhöhungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst hat ein Ende. Bald soll es deutlich mehr Geld für die rund 2,5 Millionen Arbeitnehmer geben. Darauf konnten sich die Gewerkschaften, der Bund und die Kommunen in stundenlangen Tarifverhandlungen am Samstagabend in Potsdam einigen. Mit dem Kompromiss sollen die Beschäftigten bei den drastisch gestiegenen Verbraucher- und Energiepreisen entlastet werden. Die beschlossenen Einmalzahlungen und Lohnerhöhungen gelten allerdings nicht für Arbeitnehmer der Länder. Für die gilt ein eigener Tarifvertrag.

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Die Beschäftigten sollen durch die Einigung sofort entlastet werden: Insgesamt sind steuer- und abgabenfreie Einmalzahlungen in Höhe von 3.000 Euro vorgesehen. Die ersten 1.240 Euro werden bereits im Juni ausgezahlt. Ab Juli bis Februar 2024 werden die Beschäftigten monatlich jeweils 220 Euro erhalten.

Außerdem ist eine deutliche Lohnerhöhung vorgesehen, um die Folgen der Inflation auszugleichen. Ab März 2024 erhalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laut Vereinbarung dann als weiteres Plus einen Sockelbetrag von monatlich 200 Euro brutto sowie eine anschließende Erhöhung von 5,5 Prozent - mindestens aber 340 Euro brutto mehr. Der neue Tarifvertrag soll 24 Monate gelten. Mit dem Kompromiss übernehmen die Tarifparteien viele der Kernpunkte aus der letzte Woche veröffentlichten Schlichtungsempfehlung.

Einigung im Tarifstreit: Monatlich 400 Euro mehr für die Pflegekraft im öffentlichen Dienst

"Das ist die größte Tarifsteigerung in der Nachkriegsgeschichte im öffentlichen Dienst", begrüßt Verdi-Chef Frank Werneke die Entscheidung nach den Gesprächen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) übersetzt die Einigung in konkrete Zahlen: Mit dem Abschluss könne beispielsweise eine Reinigungskraft im öffentlichen Dienst 360 Euro beziehungsweise 13,6 Prozent mehr Gehalt verdienen.

Verdi-Chef Werneke sagte: "Eine Pflegekraft bekommt im Rahmen dieses Tarifabschlusses dauerhaft wirkend eine monatliche Entgeltsteigerung von 400 Euro. Oder ein Müllwerker oder eine Müllwerkerin von 357 Euro." Das entspreche einem Plus von 13,4 Prozent.

"Wir sind uns unserer großen Verantwortung bewusst für die Beschäftigten, für die öffentlichen Haushalte, für die soziale Gerechtigkeit und für einen starken und handlungsfähigen Staat", sagte Faeser am späten Samstagabend. Die Kosten der Tariferhöhungen für den Bund sollen sich laut Faeser 4,95 Milliarden Euro belaufen. Die Kommunen gehen allerdings von einem Vielfachen dieser Summe aus.

"Teuerster Tarifabschluss aller Zeiten": 17 Milliarden Euro mehr Ausgaben für Städte und Gemeinden

Faeser betonte, dass man bei schwieriger Haushaltslage den Gewerkschaften damit so weit wie möglich entgegengekommen sei. Betonung auf die Kosten des Tarifabschlusses legten vor allem Vertreter der Kommunen. Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Karin Welge, sprach sogar vom "teuersten Tarifabschluss aller Zeiten", der die ohnehin schon klammen Städte und Gemeinden rund 17 Milliarden Euro kosten werde.

"Die kommunalen Arbeitgeber sind bis an die finanzielle Belastungsgrenze gegangen mit diesem Kompromiss", sagte Welge nach der Einigung. "Und ich glaube, das Paket kann sich insgesamt sehen lassen." Die Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Beamtenbund hatten ursprünglich 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro mehr pro Monat für die Beschäftigten gefordert.

Sie verwiesen auf die hohe Inflation und die dadurch entstandene Belastung der Arbeitnehmer. Allein im März erreichten die Steigerungen bei Lebensmittelpreisen laut Daten des Statistischen Bundesamts mit 22,3 Prozent im Vorjahresvergleich den höchsten Stand seit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine Ende Februar 2022.

Tarifvereinbarung: Letzte Hürde muss noch genommen werden

Diese Steigerungsraten erreicht der neue Tarifvertrag nicht. Alle Tarifparteien betonten den Kompromisscharakter der Vereinbarung. "Wir hätten uns eine kürzere Laufzeit gewünscht, wir hätten uns eine stärker ausgeprägte soziale Komponente gewünscht", sagte Verdi-Chef Werneke. Trotzdem betonte der dbb-Vorsitzende Ulrich Silberbach: "Wir haben eine Inflationsausgleichs-Prämie, die jetzt in der Startphase zunächst mal über den Berg hilft."

Nach monatelangen Verhandlungen und drei ergebnislosen Runden im Tarifstreit hatte es ein Schlichtungsverfahren gegeben. Der dabei vor rund einer Woche zustande gekommene Kompromissvorschlag wurde nun von den Tarifparteien in den Kernpunkten unverändert übernommen. Verdi hatte sich durch die massiven Warnstreiks in seiner Verhandlungsposition gestärkt gesehen. Werneke sprach von der "größten Warnstreik-Beteiligung seit vielen Jahren und Jahrzehnten".

Der Tarifabschluss gilt für Tausende Berufszweige - unter anderem Erzieherinnen, Busfahrer, Angestellte von Bädern, Feuerwehrleute, Krankenschwestern, Verwaltungsangestellte, Altenpflegerinnen, Klärwerksmitarbeiter, Förster und Ärzte. Es geht um das Einkommen von über 2,4 Millionen Tarifbeschäftigten der kommunalen Arbeitgeber und 134.000 des Bundes. Über den am Samstag getroffenen Beschluss lassen Verdi und der Beamtenbund nun noch die eigenen Mitglieder abstimmen. Werneke äußerte sich aber überzeugt, die Mitglieder für die Vereinbarung gewinnen zu können. (dpa/os)