Rom. Kein „streamen“, kein „surfen“: Italiens Regierungschefin sagt Anglizismen per Gesetz den Kampf an – und zensiert sich damit selbst.

„Italien zuerst“, lautet der Slogan, mit dem die Rechtspopulistin Giorgia Meloni im Oktober zur ersten italienischen Premierministerin aufgerückt ist. Dieses Motto soll jetzt auch in Sachen italienischer Sprache höchste Priorität erhalten. Melonis Regierungspartei „Fratelli d´Italia“ will das Italienische schützen und sagt Fremdwörtern in Dokumenten der öffentlichen Verwaltung den Kampf an. Behörden und Ämtern drohen Sanktion bis zu 100.000 Euro, wenn sie sich der sprachlichen „Überfremdung“ schuldig machen.

Wer Begriffe verwendet, die nicht der italienischen Sprache angehören, macht sich demnach strafbar. Dies geht aus einem Gesetzesentwurf hervor, das die Meloni-Gruppierung, stärkste Einzelpartei im italienischen Parlament, verfasst hat. Das Gesetz muss zwar noch vom Parlament gebilligt werden, doch Melonis Rechtskräfte verfügen über eine klare Mehrheit.

Das Gesetz soll auch für Schulen und das staatliche Fernsehen gelten. Zudem sollen an Universitäten „die Ausbildungsangebote, die nicht speziell auf das Erlernen von Fremdsprachen ausgerichtet sind, auf Italienisch angeboten werden“. Journalisten der staatlichen RAI-Sender sollten keine Anglizismen, wie „streamen“ oder „surfen“, mehr verwenden. Als Vorbild dienen ähnliche Gesetze, die in Frankreich und in Spanien eingeführt wurden.

Italien: Die Erste, die zahlen müsste, wäre Meloni selbst

„Es handelt sich nicht nur um eine Modeerscheinung, die Anglomanie hat Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft“, heißt es in dem Gesetzesentwurf. Er sieht auch vor, dass alle Namen und Abkürzungen, die auf Stellen in Unternehmen hinweisen, in der Landessprache geschrieben werden müssen – wobei Fremdwörter nur dann zulässig sind, wenn sie unübersetzbar sind. Weiter heißt es, dass der weit verbreitete Gebrauch des Englischen in Europa angesichts des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union „noch negativer und paradoxer“ sei.

Nannte sich in ihrer Antrittsrede im Parlament „Underdog“ – und hätte damit gegen das eigene Gesetz verstoßen: Giorgia Meloni.
Nannte sich in ihrer Antrittsrede im Parlament „Underdog“ – und hätte damit gegen das eigene Gesetz verstoßen: Giorgia Meloni. © AFP | Andreas Solaro

Allerdings: Die Erste, die eine Buße bezahlen müsste, wäre Regierungschefin Meloni selbst: Sie hatte sich in ihrer Antrittsrede im Parlament als „Underdog“ bezeichnet – obwohl es für den englischen Ausdruck gleich mehrere italienische Alternativen gäbe. Illegal wäre auch die neue, souveränistische Bezeichnung für das Industrieministerium, das von der Regierung Meloni in „Ministerium für Unternehmen und Made in Italy“ umgetauft worden ist.

Außenminister Tajani: „Hat nichts mit Mussolini zu tun“

Der von Melonis Vertrauensmann Fabio Rampelli verfasste Gesetzentwurf bringt den italienischen Außenminister Antonio Tajani, der auf eine lange Karriere in den Brüsseler Institutionen zurückblickt, in Verlegenheit. Vor ausländischen Journalisten dementierte er, dass sich hinter dem Gesetzentwurf der Meloni-Partei Nostalgie für Benito Mussolini verstecke. Der Duce hatte sich stets für die „Reinheit“ der italienischen Sprache eingesetzt und Fremdwörter verbannt.

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„Die Verteidigung der italienischen Sprache hat nichts mit Mussolini zu tun. Der Faschismus endete in Italien 1945, er ist Vergangenheit und interessiert uns nicht. Ich habe auch während meiner Jahre als EU-Parlamentspräsident die italienische Sprache immer verteidigt. Sie ist meine Muttersprache“, sagte Tajani, Nummer zwei der von Silvio Berlusconi angeführten Regierungspartei Forza Italia.