Berlin. SPD, Grüne und FDP haben sich nach stundenlanger Verhandlung geeinigt. Was Bürger und Verbraucher jetzt über die Pläne wissen müssen.

Katerstimmung im Regierungsviertel am Tag nach de m 30-Stunden-Verhandlungsmarathon der Ampelkoalition: SPD, Grüne und FDP einigten sich in wichtigen Punkten und hielten die Ergebnisse auf 16 Seiten Papier fest. Aber die Interpretationen darüber, wie die Ergebnisse zu bewerten sind, gehen weit auseinander. Wir erläutern, was die Pläne für die Verbraucher bedeuten – und was die Parteien sagen.

Autobahnen: Das hat die Ampel beschlossen

Autobahnen: Es gibt schon länger eine Liste aus dem Verkehrsministerium mit 144 Projekten aus dem Bundesverkehrswegeplan. Es geht um Autobahnabschnitte in sechs verschiedenen Bundesländern, die als Engstellen gelten. Unter anderem die Autobahn 40 bei Bochum, die A3 bei Leverkusen, die A7 bei Hannover und Hildesheim und die A8 um Stuttgart werden als besonders anfällig für Stau identifiziert.

Diese Engpässe will die Koalition beseitigen. Sanierung und Ausbau sollen nach Rücksprache mit den jeweiligen Ländern schnell vorangehen. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) kritisierte, weder Verkehrsplaner noch die Bauwirtschaft könnten so viele Baumaßnahmen bewältigen. „Die Liste ist zu umfangreich und keine wirkliche Priorisierung“, sagte Hermann unserer Redaktion.

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Entlang der Autobahnen und Bahnstrecken will die Bundesregierung den Ausbau von Photovoltaikanlagen beschleunigen. „Es soll kein Kilometer Autobahn mehr geplant werden, ohne die Möglichkeiten der Erzeugung erneuerbarer Energien auszuschöpfen“, heißt es in dem Koalitionspapier. Auch entlang von bestehenden Strecken sollen Windkraft- und Photovoltaikanlagen gebaut werden. Der Stromertrag aus diesen Anlagen ist nach Experteneinschätzung aber kein Riesenwurf.

Bahn: Die Ampel will investieren

Bahn: „Die Koalition hat vereinbart, deutlich mehr Geld in die Schiene als in die Straße zu investieren“, heißt es im Papier von SPD, Grünen und FDP. Die Deutsche Bahn benötigt bis zum Jahr 2027 etwa 45 Milliarden Euro, um die marode Infrastruktur zu verbessern. Das Geld dafür soll aus Einnahmen aus dem CO2-Zuschlag der Lkw-Maut kommen. Der Aufschlag beträgt 200 Euro pro Tonne Kohlenstoffdioxid. Emissionsfreie Laster sollen von der Gebühr befreit werden. Die Einführung ist für den 1. Januar 2024 geplant. Außerdem sollen künftig kleinere Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen ebenfalls Lkw-Maut zahlen.

Schnell angehen will Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) auch den Austausch maroder Brücken für Bahn und Straße. Die beschleunigten Genehmigungsverfahren bei der Bahn sollen künftig höchsten vier Jahre dauern.

Heizungs-Förderung: Das kommt auf Verbraucher zu

Heizung: Die Koalitionäre betonen, wie wichtig die Wärmewende für den Klimaschutz ist. Deshalb soll ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. Darauf hatte sich die Ampel schon vor einem Jahr geeinigt. Der erste Entwurf zu diesem Gesetz aus dem Wirtschaftsministerium löste aber Proteste aus – auch bei der FDP. Die Bedenken scheinen nun ausgeräumt: Noch im April soll das Kabinett das Gesetz beschließen. Vor der Sommerpause soll es durch den Bundestag.

Besonders die SPD-Vertreter versicherten immer wieder, dass man soziale Härten abfedern wolle, die aus dem Heizungstauschgesetz entstehen: „Niemand wird im Stich gelassen“, heißt es im Papier. Finanzhilfe für jene, die sich keine neue Heizung leisten können, hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bereits angekündigt. Unklar ist weiterhin, wie hoch die Förderung ausfallen und was sie insgesamt kosten wird.

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Klimaschutz: Das will die Koalition ändern

Klima- und Naturschutz: Für Autofahrer, die sich einen neuen Wagen kaufen, soll mithilfe des so genannten Klima-Labels bald klarer werden, wie teuer das Modell über die gesamte geschätzte Laufzeit wird, zum Beispiel durch die CO2-Bepreisung und die Kfz-Steuer. Verkehrsminister Wissing sagte, nur durch maximale Transparenz können Bürger entscheiden, ob das Auto möglichst klimafreundlich ist. Für die Änderung ist das Wirtschaftsministerium zuständig.

Außerdem wurden die Sektorziele, die jedes Ministerium für den Klimaschutz jährlich erreichen muss, aufgeweicht. Künftig wird der CO2-Ausstoß aller Sektoren insgesamt betrachtet. Besonders das Bau- und Verkehrsministerium hatten regelmäßig die Einsparziele verfehlt.

Eine Neuerung beim Naturschutz gibt es auch noch: Die Ampel will „Umwelt- und Naturschutzvorhaben insbesondere mit Blick auf Ausgleichsflächen“ neu bewerten. Künftig sollen sich Bauherren oder Investoren für Eingriffe in die Natur unkomplizierter freikaufen können. In der Realität werden Naturflächen oftmals auf kommunaler Ebene ausgeglichen, die Gebiete sind dann kleinteilig und unzusammenhängende Flächen. Die Ausgleichsflächen sollen in der Zukunft nicht mehr direkt vor Ort auf dem Gebiet einer Stadt oder Gemeinde geschaffen werden, sondern durch „länderübergreifende Biotopverbünde“.

Die politische Bewertung: Die allgemeine Lesart im politischen Berlin am Mittwoch lautete, dass sich die SPD und die FDP beim Koalitionsausschuss durchgesetzt hatten und die Grünen viele Kröten schlucken mussten. Bei den Grünen herrschte Ernüchterung: „Das, was wir beschlossen haben, das reicht noch nicht. Deshalb werden wir auch dranbleiben“, sagte Parteichefin Ricarda Lang. „Aber wir haben Fortschritte mit drin.“ Sozialdemokraten und Liberale hingegen sind zufrieden. Bei der Regierungsbefragung im Bundestag sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD): „Jetzt kommt Tempo in Deutschland.“