Berlin. Sexuelle Gewalt, schwere Drohungen: Kinder, die an Demos im Iran teilnehmen, werden laut Amnesty International im Gefängnis gefoltert.

Es sind heftige Vorwürfe gegen das iranische Regime: Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International berichtet über furchtbare Folter an Kindern und Jugendlichen. Demonstrierende seien geschlagen und ausgepeitscht worden. Es habe Vergewaltigungen und andere sexuelle Gewalt sowie den Einsatz von Elektroschockern gegeben. Die Täter laut dem Amnesty-Bericht: iranische Geheimdienste und Sicherheitsbehörden.

Der Amnesty-Bericht über die Folterungen wurde in der Nacht zu Donnerstag veröffentlicht. Es ist der erste große Bericht über systematische Gewaltanwendung gegen Kinder und Jugendliche seit Beginn der Proteste im Iran vor rund sechs Monaten.

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Amnesty über Iran: "Protest der Jugend soll gebrochen werden"

Der Menschenrechtsorganisation zufolge zielt die Gewalt darauf ab, die Jugend des Landes zu unterdrücken und ihren Protest zu brechen. Dieter Karg, Iran-Experte bei Amnesty in Deutschland, sagte laut Mitteilung: "Es ist abscheulich, dass Beamte ihre Macht auf diese Weise gegenüber schutzbedürftigen und verängstigten Kinder missbrauchen, ihnen und ihren Familien schwere Schmerzen und Ängste zufügen und sie mit schweren körperlichen und seelischen Narben zurücklassen."

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Der Bericht dokumentiert Gewalt zum Zeitpunkt der Festnahme, wo Kinder und Jugendliche in Gefängnistransportern geschlagen werden. Später werden sie demnach oftmals in den Haftanstalten gefoltert. Es gebe Elektroschocks an Genitalien, die Betroffenen müssten unbekannte Tabletten einnehmen und es würden schwere Drohungen ausgesprochen, etwa die Verhaftung naher Verwandter, falls die Betroffenen sich beschweren würden.

Ein Mädchen läuft in Teheran an einer Häuserfassade entlang. - Hunderte Schulmädchen sind in den vergangenen drei Monaten im Iran vergiftet worden.
Ein Mädchen läuft in Teheran an einer Häuserfassade entlang. - Hunderte Schulmädchen sind in den vergangenen drei Monaten im Iran vergiftet worden. © ---/dpa

Amnesty-Bericht: Gefolterte Kinder teilweise jünger als zwölf Jahre

Laut Amnesty International wurden auch Kinder gefoltert, die nicht älter als zwölf Jahre alt waren. Ihren Bericht stützen die Menschenrechtler auf Zeugenaussagen Dutzender Inhaftierter und Angehöriger. Angesichts der überwiegend jungen Protestteilnehmer geht Amnesty davon aus, dass Tausende Kinder inhaftiert waren. Erst vor wenigen Tagen hatte Irans Justiz offenbart, dass mindestens 22.000 Demonstranten festgenommen worden waren. Ein Großteil der Protestteilnehmer soll inzwischen freigekommen sein. Genaue Zahlen gibt es von staatlicher Seite nicht. Lesen Sie auch: Proteste im Iran: Was denken die Exil-Iraner in Deutschland?

Auslöser der jüngsten Protestwelle im Iran war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Die 22-Jährige wurde Mitte September von den Sittenwächtern wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen und starb wenige Tage später im Polizeigewahrsam. Zu Beginn richteten sich die Proteste noch gegen die Kopftuchpflicht. Später forderten die Demonstranten den Sturz der Islamischen Republik. Inzwischen zeigt sich die politische und geistliche Führung wieder selbstbewusst.

Eine Protestierende hält ein Porträt von Jina Mahsa Amini während einer Demonstration im Iran in die Luft. Der Tod der jungen kurdisch-stämmigen Frau nach ihrer Festnahme durch die iranische Sittenpolizei hat in dem Land die jüngste und am längsten andauernde Protestwelle gegen das Regime hervorgerufen.
Eine Protestierende hält ein Porträt von Jina Mahsa Amini während einer Demonstration im Iran in die Luft. Der Tod der jungen kurdisch-stämmigen Frau nach ihrer Festnahme durch die iranische Sittenpolizei hat in dem Land die jüngste und am längsten andauernde Protestwelle gegen das Regime hervorgerufen. © AFP | OZAN KOSE

Vor allem die junge Generation protestierte jüngst. Der Großteil soll nicht älter als 25 Jahre gewesen sein. Seit der Protestwelle im Herbst steht Irans Führung unter Druck wie noch nie seit der Islamischen Revolution 1979. Auch Monate nach den Aufständen setzen viele Frauen ihren Protest in anderer Form fort, etwa durch das demonstrative Ignorieren der Kopftuchpflicht. Auch interessant: SPD-Chef fordert Freilassung der Iranerin Samaneh Asghari

Amnesty forderte eine Freilassung der inhaftierten Kinder und appellierte an die internationale Staatengemeinschaft: "Da es keine Aussicht auf wirksame unparteiische Untersuchungen der Folter von Kindern in Iran gibt, fordern wir alle Staaten wie auch die Bundesregierung auf, universelle Gerichtsbarkeit über iranische Beamte auszuüben", sagte Dieter Karg von Amnesty. (fmg/dpa)