Jerusalem. Israels Ministerpräsident Netanjahu kommt nach Deutschland – doch den Besuch begrüßt nicht jeder. Schon im Vorfeld gibt es Proteste.

Die Berlin-Reise des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu wird von Hürden überschattet: Es begann mit lautstarken Protesten auf der Autobahn und den Zufahrten zum Flughafen Ben Gurion, wo Demonstranten den Regierungschef mit Botschaften wie „Komm nur ja nicht zurück“ verabschiedeten.

Ursprünglich war geplant, dass die Reise knapp drei Tage dauert und dass Netanjahu von seiner Frau Sara begleitet wird. Nun verreist der Ministerpräsident solo und kürzer: Statt Mittwochmorgen flog er erst am späten Nachmittag ab, anstatt am Freitag wird er bereits Donnerstagabend die Rückreise nach Israel antreten.

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Als Grund dafür gibt das Büro des Ministerpräsidenten dringende Termine in Israel an: Vor drei Tagen war an einer Straßenkreuzung im Norden Israels eine Bombe explodiert. Anders als sonst stehen die Details dieses Attentats unter strenger Zensur. Es soll sich um einen Anschlag handeln, der nicht den üblichen Mustern eines palästinensischen Attentats entspricht, heißt es. Was das bedeutet, ist unklar. Ob die Causa tatsächlich der wahre Grund für die Reiseverkürzung ist, ebenso.

Netanjahu-Reise von kommt zu heiklem Zeitpunkt

Lediglich drei Programmpunkte erwarten Netanjahu in Berlin. Am Donnerstag wird er zunächst das Holocaustmahnmal Gleis 17 am Bahnhof Grunewald besuchen, wo er gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz auftreten wird. Danach ist ein längerer Austausch mit Scholz geplant, in dem es neben bilateralen Beziehungen vor allem um den Iran gehen soll. Nach einer gemeinsamen Pressekonferenz, an der auch israelische Journalisten teilnehmen werden, wird Netanjahu von Präsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen.

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Die Reise kommt zu einem äußerst heiklen Zeitpunkt. In Israel gehen derzeit wöchentlich Hunderttausende Menschen auf die Straße, um gegen die geplante Entmachtung der Justiz durch Netanjahus rechtsreligiöse Regierung zu demonstrieren. Ein Teil dieser Justizreform ist bereits in erster Lesung im Parlament beschlossen worden.

Sie sieht vor, dass Richter in Zukunft von der Politik bestellt werden. Gesetze sollen vom Höchstgericht, das in Israel auch Verfassungsgericht ist, de facto nicht mehr aufgehoben werden können. Die Regierung könnte dann nach Belieben Grundrechte einschränken, ohne dass sie irgendjemand daran hindern könnte. Diese geplanten Einschnitte in der Demokratie werden auch Thema beim Treffen mit dem Kanzler sein.

Kritik an Netanjahu-Besuch in Berlin aus Israel

Aus Israel mehrten sich im Vorfeld des Besuchs kritische Stimmen, die Scholz dazu aufriefen, Netanjahu gegenüber Klartext zu sprechen oder ihn sogar kurzfristig wieder auszuladen. Am Dienstag hatten rund 1000 prominente Autoren und Kulturschaffende, darunter der preisgekrönte Schriftsteller David Grossman, in einem Brief an Deutschlands Botschafter in Tel Aviv dazu aufgerufen, Scholz’ Treffen mit Netanjahu abzusagen.

Mahnende Worte kommen auch von dem israelischen Intellektuellen und langjährigen Politiker Avraham Burg, dessen Vater Yosef Burg aus Deutschland geflüchtet war und von der Staatsgründung an mehreren israelischen Regierungen angehörte. Wenn ein deutscher Kanzler sich tatsächlich als „wahrer Freund Israels“ zeigen wolle, dann müsse er sich klar gegen die Entmachtung der Justiz und die Wiedereinführung der Todesstrafe aussprechen, sagt Burg.