Berlin. Die EU-Kommission will dem riesigen Klimasubventionsprogramm der USA etwas entgegensetzen. Es geht um dreistellige Milliarden-Summen.

Der Wettlauf ist eröffnet: Grüne Zukunftstechnologien und die Profite, die sie bringen, wollen alle Industriestaaten zu sich holen. Die USA haben im vergangenen Jahr mit dem Inflation Reduction Act vorgelegt – am Mittwoch präsentierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Vorschläge der Kommission für eine Antwort.

Was ist der Inflation Reduction Act und warum ist er ein Problem für Europa?

Der Inflation Reduction Act (IRA), das amerikanische Inflationsbekämpfungsgesetz, ist US-Präsident Joe Bidens Versuch, zwei große Aufgaben auf einmal zu lösen – Treibhausgas-Emissionen zu senken und die US-Wirtschaft, vor allem die Industrie, anzukurbeln. Insgesamt 369 Milliarden Dollar (331 Milliarden Euro) an Subventionen und Steuererleichterungen hat der Kongress auf den Weg gebracht und Wirtschaftspolitiker in sämtlichen europäischen Hauptstädten damit nachhaltig erschreckt. Denn das Geld aus Washington lockt auch Firmen, auf deren Investitionen eigentlich die EU-Staaten hoffen. Für Wasserstoff etwa gibt es in den USA drei Dollar Steuererleichterungen pro Kilo Wasserstoff, das aus grünem Strom produziert wurde; damit werben die USA heftig um eine Schlüsselbranche auf dem Weg zur Klimaneutralität.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen betonte aber auch, dass die EU längst nicht nur mit den USA konkurriert. Auch andere große Wirtschaftsländer wie Japan, Indien, Großbritannien und Kanada hätten sich längst auf den Weg gemacht.

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Was plant die EU-Kommission?

Der EU-Plan, ausgerollt auf 20 Seiten, ruht auf vier großen Säulen: Einem vereinfachten regulatorischen Rahmen, schnellerer und mehr Förderung, Qualifikation von Arbeitskräften und Handel.

Nach den Vorstellungen der Kommission sollen unter anderem vorübergehend bis 2025 die Regeln gelockert werden, nach denen Mitgliedsstaaten Industrien mit Beihilfen unterstützen können. Auch Steuersenkungen sollen möglich sein für Unternehmen, die sonst womöglich in Länder außerhalb des Blocks abwandern. Im Genehmigungsrecht will die EU Hürden aus dem Weg räumen. Um mehr Fachkräfte zu gewinnen, soll die Erwerbsbeteiligung von Frauen und jungen Menschen erhöht werden.

Die finanziellen Möglichkeiten, auf diese Art Anreize zu setzen, unterscheiden sich zwischen den Mitgliedsstaaten allerdings drastisch. Es gibt deshalb Sorgen, dass die Pläne den Wettbewerb im Binnenmarkt verzerren könnten. Der Vorschlag der Kommission helfe Deutschland und Frankreich extrem, sagt etwa der Grünen-Europabgeordnete Rasmus Andresen. Sehr vielen anderen Staaten helfe er „eigentlich überhaupt nicht“. „Das kann zu mehr Ungleichheit führen“, sagte der Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament.

Die Vorschläge der Kommission sollen bei einem EU-Gipfel kommende Woche mit den Mitgliedsstaaten beraten werden. Im März sollen dann Gesetzesvorschläge vorgestellt werden, über die dann wieder die EU-Staats- und Regierungschefs diskutieren sollen.

Aus Deutschland gab es schonmal Rückenwind für die Kommission: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lobte die Pläne: „Die grünen Märkte sind die Leitmärkte schon der nahen Zukunft“, sagte er. „Es liegt in unserem Interesse, die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft unseres Industriestandorts zu stärken.“ Deutschland werde sich konstruktiv einbringen in die Gespräche.

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Um wie viel Geld geht es?

Um sehr viel Geld – wie viel genau blieb allerdings offen. Die Kommission geht von einem Bedarf in dreistelliger Milliardenhöhe aus, einen konkreten Betrag nannte von der Leyen aber bei der Vorstellung des Plans nicht.

Kurzfristig geht es dabei vor allem um Geld und Kredite aus bereits bestehenden Töpfen – dass man sich so viel schneller als erhofft unabhängig gemacht habe von russischem Gas, sagte von der Leyen, bedeute auch, dass etwa Mittel aus dem REPower-EU-Programm jetzt umgeleitet werden könnten in Richtung grüne Transformation und konkurrenzfähige Energiepolitik. Damit können Mitgliedsstaaten etwa steuerliche Subventionen finanzieren. „Es ist schnell, es ist planbar, es ist zielgerichtet“, sagte von der Leyen über dieses Vorgehen.

Mittelfristig soll ein geplanter EU-Souveränitätsfonds eine größere Rolle spielen – wie der genau aussehen soll, ist allerdings noch unklar.

Der allergrößte Teil der Investments, die für das Ziel von netto null Emissionen benötigt werden, wird aber aus privatem Kapital kommen müssen, auch das betonte die Kommission in ihrem Vorschlag.

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Was sagt die Wirtschaft?

Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter machen Druck, das Programm jetzt möglichst schnell im Detail auszuarbeiten und mit Leben zu füllen.

„Dass die EU-Kommission jetzt einen Plan für eine Antwort auf den IRA präsentiert, zeigt die Dringlichkeit, den Heimatmarkt für Zukunftstechnologien zu stärken und die Pariser Klimaziele zu erreichen“, sagte Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien, diese Redaktion. „Er muss zügig präzisiert und umgesetzt werden.“

Das Problem habe die Kommission richtig erkannt, heißt es auch aus der Industrie, doch auf die richtige Umsetzung kommt es jetzt an. Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, kritisiert, die Konturen des Plans seien „noch zu unscharf“. BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner dringt vor allem auf vereinfachte Regelwerke. Zu oft verliere sich die EU in kleinteiligen Regulierungen – bei Planungs- und Genehmigungsverfahren etwa, oder bei Definitionsfragen wie der, was genau eigentlich als grüner Wasserstoff zählen soll.