Berlin. Drittes Geschlecht im Geburtenregister: Darauf haben Menschen nach Ansicht eines wichtigen europäischen Gerichtshofes keinen Anspruch.

Ein französischer Mensch wollte sich in die Geburtsurkunde „intersexuell“ statt „männlich“ eintragen lassen. Die Behörden verweigerten ihm das. Daraufhin klagte die Person vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Der gab den Behörden Recht: Die Weigerung der französischen Behörden sei kein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, urteilten die Richter am Dienstag in Straßburg.

Bei intersexuellen Menschen wird das körperliche Geschlecht nicht der medizinischen Norm von männlichen oder weiblichen Körpern zugeordnet, sondern bewegt sich in einem Spektrum dazwischen.

Geschlechtseintrag ändern: Betroffene müssen viele Hürden überwinden

Im nun verhandelten Fall bezeichnete die Geburtsurkunde den 1951 geborenen Menschen als „männlich“. Ärztliche Bescheinigungen zufolge wurde seine Intersexualität aber bereits kurz nach der Geburt festgestellt. Dieser Status hat sich den Angaben zufolge auch nicht geändert. Daher wollte die klagende Person nun „intersexuell“ oder „neutral“ in die Geburtsurkunde eintragen und „männlich“ streichen lassen. Die französischen Behörden lehnten das ab.

Zurecht, wie der EGMR nun urteilte. Denn die Diskrepanz zwischen der biologischen Identität und der rechtlichen Identität könne Menschen zwar Leid und Angst zufügen. Das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sei durch die Weigerung der Behörden aber nicht verletzt worden.

Geschlechter: Gesetzgeber entscheidet über binäres System

Denn im Vordergrund stehe die Notwendigkeit eines zuverlässigen Personenstandsregisters. Das französische Recht sei auf der Basis von zwei Geschlechtern aufgebaut. Würde nun ein „neutrales“ Geschlecht anerkannt, seien neue Gesetze notwendig. Das könne aber wegen der Gewaltenteilung nur durch den Gesetzgeber und nicht durch die Justiz erfolgen. Die Anerkennung eines dritten Geschlechts sei eine Frage, über die die Gesellschaft entscheiden müsse. Frankreich könne selbst bestimmen, in welchem Tempo und Umfang es den Bedürfnissen intersexueller Menschen nachkommen wolle, so die Richter.

In Deutschland ist es grundsätzlich möglich, seinen Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Bislang regelt das allerdings das Transsexuellengesetz aus den 80er Jahren. Es gilt als diskriminierend und reformbedürftig. Die Ampelregierung hat bereits angekündigt, es durch das Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen. Das soll laut Justiz- und Familienministerium bald in Kraft treten.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat. Die von der EU unabhängigen Organe setzen sich für den Schutz der Menschenrechte in den 46 Mitgliedstaaten ein. (lro/dpa)