Berlin. In den Alpen fehlt in diesem Winter der Schnee. Im Sommer könnte das zu Problemen führen. Diese Folgen könnte der warme Winter haben.

Es waren nicht nur für Wintersportler traurige Bilder, die in den vergangenen Wochen in den Alpen entstanden: Statt durch eine weiße Winterlandschaft schoben sich Skifahrer da auf schmalen Kunstschneebändern über die Pisten, drum herum alles grün. An manchen Orten standen die Lifte ganz. Von einer dicken, natürlichen Schneedecke nichts zu sehen.

Der Deutsche Wetterdienst verzeichnete etwa an der Messstation Garmisch-Partenkirchen nicht einen einzigen Tag mit Schneedecke im Januar, die durchschnittliche Temperatur lag in den ersten Tagen des neuen Jahres dort ganze sechs Grad über dem jahrelangen Mittel. In vielen Teilen Österreichs und der Schweiz sah es nicht besser aus. In Gstaad in der Schweiz ließen die Bergbahnen Schnee per Helikopter auf die Pisten transportieren.

Die grünen Wiesen im Gebirge sind nicht nur ein Problem für Skisportler und die Tourismus-Branche in den Alpen. Fehlende Schneedecken als Auswirkung des Klimawandels haben Folgen auch für das Wassersystem in Deutschland. Denn Wasser, das im Winter als Schnee fällt, schmilzt im Frühjahr und fließt in die Bäche und Flüsse. Wo allerdings kein Schnee liegt im Frühling, kann auch nichts schmelzen.

Skifahren im Grünen: Diese Piste im österreichischen Filzmoos gibt es nur, weil Kunstschnee eingesetzt wurde.
Skifahren im Grünen: Diese Piste im österreichischen Filzmoos gibt es nur, weil Kunstschnee eingesetzt wurde. © dpa | Matthias Schrader

Schnee als Wasserspeicher fällt in diesem Winter aus

„Schnee als Wasserspeicher fällt in diesem Winter zu einem großen Teil aus“, sagt Dietrich Borchardt, Hydrologe und Leiter des Themenbereichs Wasserressourcen und Umwelt am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung. Das habe Folgen für verschiedene Teile des Wassersystems, sagt er.

Es werde weniger Grundwasser gebildet, Flussgewässer, die sich unter anderem aus der Schneeschmelze speisen, würden im Frühjahr und Sommer weniger Wasser führen. Das betreffe unter anderem den Rhein und südliche Zuflüsse zur Donau, etwa Inn, Isar und Lech. „Sollten wir noch einmal einen Sommer wie 2022 bekommen, dann würde ein Winter, in dem die Wasserspeicher nicht aufgefüllt wurden, die Situation deutlich verschärfen“, sagt Borchardt.

Betroffen wären dann verschiedene Bereiche, in denen das Wasser gebraucht wird – in Wasserkraftwerken etwa, oder in der Schifffahrt. Weniger Wasser bedeute außerdem tendenziell eine schlechtere Wasserqualität in Bächen und Flüssen, was Ökosystemen schadet. Eine „klimabedingte Wirkungskette“ sei das, die immer deutlicher sichtbar werde, sagt der Wissenschaftler.

Und auch auf die Versorgung mit Trinkwasser kann der fehlende Schnee Auswirkungen haben. „Es steht letztlich weniger Wasser zur Verfügung, es kommt also zu Wasserkonkurrenz“, sagt Borchardt. „Die große Frage ist, bekommt das Wasser zuerst? Wofür wird es zuerst genutzt?“

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BDEW: Wichtiger als Schnee ist für die Versorgung der Regen

So alarmiert ist Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, noch nicht. Schnee und Eis als Wasserspeicher trügen zur Versorgung bei, sagt er. „Aber viel entscheidender für die Trinkwasserversorgung ist der Regen.“ Der sei die Voraussetzung für das Befüllen der Talsperren und Wasserreservoirs. „Das größte Reservoir ist der Bodensee, der in Süddeutschland viele Millionen Haushalte mit Trinkwasser versorgt. Und der Bodensee hat genug Wasser, hier gibt es aktuell keine Probleme.“

Doch klimabedingte Veränderungen stellen auch die Wasserbetriebe vor Herausforderungen. „Wenn wir zwei Trockenjahre hintereinander bekommen würden mit zu geringen Regenmengen, dann könnten wir in Situationen kommen, in denen zeitweise nicht mehr alle Bedarfe vollständig gedeckt werden können“, sagt Weyand. Deshalb müsse gehandelt werden.

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Investiert werden müsse unter anderem in neue Leitungssysteme, es müsse mehr Flächen geben, wo Wasser versickern kann, anstatt über Kanäle abgeleitet zu werden, und Wasserversorger müssten sich mehr in Verbünden zusammenschließen, um sich in Zeiten von Knappheit gegenseitig aushelfen zu können, sagt Weyand. Auch die Landwirtschaft müsse sich umstellen, hin zu einer effizienteren Bewässerung.

Kurzfristig hilft in heißen Sommern allerdings vor allem Priorisierung. Bei großer Hitze, wie etwa im vergangenen Sommer, steigt der Bedarf der Haushalte laut BDEW sprunghaft um 40 bis 60 Prozent. Das kann Pump- und Aufbereitungsanlagen an ihre Grenzen bringen. „Dann macht es Sinn, die Nachfrage zu reduzieren, in dem man zum Beispiel die Bewässerung von Gärten oder die Befüllung von Pools zeitweise untersagt“, sagt Weyand.

Die Ampel-Koalition arbeitet an einer Wasserstrategie

Handlungsbedarf sieht auch die Bundesregierung. Unter Federführung des Umweltministeriums arbeitet die Ampel-Koalition derzeit an einer Wasserstrategie. Einen Entwurf gibt es bereits, noch in diesem Quartal soll die Strategie ins Kabinett, sagt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Darin soll alles gebündelt werden, was nötig ist, um die Wasserversorgung und -nutzung auf die Klimakrise einzustellen.

In den Alpen und entlang der Flüsse, die aus dem Gebirge gespeist werden, sagt Lemke, müsse man sich auf Veränderungen des Wasserhaushaltes einstellen. Die Anrainerstaaten müssten sich deshalb austauschen und voneinander lernen. „Wir müssen rasch Anpassungsmaßnahmen ergreifen, und zwar über Ländergrenzen hinweg“, sagt Lemke dieser Redaktion. „Dabei müssen alle Beteiligten einbezogen werden, vom Tourismus über die Landwirtschaft bis hin zur Wasserversorgung.“ Das Bundesumweltministerium werde künftig seine Förderung von Umweltprojekten im Alpenraum noch stärker auf natürlichen Klimaschutz und den Schutz der Biodiversität ausrichten.

Die Wasserstrategie sei gut, sagt Borchardt, jetzt müsse es um die Umsetzung gehen. Denn Winter wie diesen wird es in Zukunft wohl viele geben.