Berlin. Am Mittwochmorgen gab es eine Razzia in der Szene der Reichsbürger. 25 Personen wurden festgenommen. 19 sitzen in Untersuchungshaft.

  • Am Mittwochmorgen gab es eine Razzia gegen eine bewaffnete Gruppe aus Reichsbürgern und Querdenkern
  • Gegen 25 Personen gab es einen Haftbefehl
  • 19 von ihnen sind bereits in Untersuchungshaft, der Rest tritt voraussichtlich am Donnerstag vor die Untersuchungsrichter
  • Unter den festgenommenen Personen sind der Adlige Heinrich XIII. Prinz Reuß und eine ehemalige AfD-Abgeordnete und Richterin

Bei einer bundesweiten Razzia in rund 150 Gebäuden zerschlug die Polizei am Mittwochmorgen eine mutmaßliche terroristische Vereinigung, die offenbar einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland geplant hatte. Die Gruppierung soll geplant haben, die staatliche Ordnung gewaltsam zu beseitigen und mit Waffengewalt einen Umsturz herbeizuführen. Auch von einem bewaffneten Angriff auf den Bundestag soll in Teilen der Gruppe die Rede gewesen sein.

Nach den Worten von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) lassen die Ermittlungen "in den Abgrund einer terroristischen Bedrohung aus dem 'Reichsbürger'-Milieu blicken". Die Vereinigung sei den Erkenntnissen zufolge von gewaltsamen Umsturzfantasien und Verschwörungsideologien getrieben gewesen, so Faeser. Die Bundesanwaltschaft erklärte, die Beschuldigten verbinde "eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland". Zur Umsetzung ihrer Pläne hätten sie den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten sowie Tötungsdelikte in Kauf genommen.

Insgesamt 25 Personen nahm die Polizei am Mittwoch in Deutschland, Italien und Österreich fest, 19 davon befanden sich am Abend bereits in Untersuchungshaft. Der Rest tritt am Donnerstag vor die Untersuchungsrichter. Die Gruppe soll aus einem Netzwerk aus "Reichsbürgern" und Verschwörungsideologen bestehen. Dazu gehören unter anderem der Adlige Heinrich XIII. Prinz Reuß, die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin aus Berlin, Birgit Malsack-Winkemann, sowie mehrere ehemalige Angehörige des Kommando Spezialkräfte (KSK) und der Fallschirmjäger der Bundeswehr, aber auch Ärzte und weitere Unternehmer.

Razzien in ganz Deutschland: Größte Durchsuchungsaktion der Geschichte

Bei einer der größten Durchsuchungsaktionen der bundesdeutschen Geschichte durchsuchten die Einsatzkräfte rund 150 Häuser, Wohnungen und Büros in elf Bundesländern. 51 Personen gelten nach Informationen von WDR, NDR und "SZ" bislang als Beschuldigte, 25 wurden am Mittwoch festgenommen. Dabei handelt es sich offenbar um 22 mutmaßliche Mitglieder der Gruppe sowie drei mutmaßliche Unterstützer.

Die spätestens Ende November 2021 gegründete Gruppe wollte nach Erkenntnissen der Ermittler gezielt Angehörige von Bundeswehr und Polizei für ihre Ziele gewinnen. Sie habe einen "militärischen Arm" und einen Rat gebildet, an dessen Spitze Heinrich XIII P. R. stand. Als zweiten Rädelsführer nennt die Bundesanwaltschaft Rüdiger v. P., laut Medienberichten ein ehemaliger Fallschirmjäger-Kommandeur. Auch bei einer Sachbearbeiterin der Polizei in Nordrhein-Westfalen rückten die Ermittler an. Das erfuhr der "Kölner Stadt-Anzeiger" aus Sicherheitskreisen. Die Frau wurde allerdings nicht festgenommen. Sie scheint eher am Rande der mutmaßlichen Terrorgruppe mitgewirkt zu haben.

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat die bundesweite Razzia in der Reichsbürgerszene als "Anti-Terror-Einsatz" bezeichnet. "Demokratie ist wehrhaft: Seit heute Morgen findet ein großer Anti-Terror-Einsatz statt", schrieb der FDP-Politiker am Mittwochmorgen auf Twitter. Der Generalbundesanwalt ermittele gegen ein mutmaßliches Terror-Netzwerk aus dem Reichsbürger-Milieu. "Es besteht der Verdacht, dass ein bewaffneter Überfall auf Verfassungsorgane geplant war."

Verfassungsschutz-Präsident: "Gefahr war schon recht real"

Die Sicherheitsbehörden waren nach Aussage des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, früh über die Umsturzplanungen einer Reichsbürgergruppierung im Bilde. Das sagte Haldenwang am Mittwoch in einem ZDF-"Spezial". Man habe die Gruppe seit dem Frühjahr dieses Jahres beobachtet und einen recht klaren Überblick über deren Planungen und Entwicklung gehabt. Die Planungen seien dann immer konkreter geworden und es seien Waffen beschafft worden.

"Zu dem Zeitpunkt, an dem wir annehmen mussten, jetzt kann es gefährlich werden, haben wir natürlich auch unmittelbar mit Generalbundesanwalt und den Polizeibehörden zusammengearbeitet", sagte Haldenwang. Er betonte: "Die deutschen Sicherheitsbehörden insgesamt hatten die Lage jederzeit unter Kontrolle. Doch wenn es nach dieser Gruppe gegangen wäre, dann war diese Gefahr schon recht real."

Generalbundesanwalt: Reichsbürger teilten schon Regierungsposten auf

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    Generalbundesanwalt Peter Frank erklärte, die Gruppe habe noch kein konkretes Datum für die Verwirklichung ihres Vorhabens gehabt. Innerhalb der Vereinigung habe es aber Diskussionen gegeben, ob bestimmte Anlässe von außen nicht Grund zum Losschlagen hätten sein können, sagte Frank am Mittwochabend in einem ARD-"Brennpunkt": "Wir gehen davon aus, dass die Personen in der Vereinigung fest entschlossen waren und auch sicher waren, etwas zu tun", betonte Frank.

    Am Abend war zudem bekannt geworden, dass sich auch der Verteidigungsausschuss des Bundestages mit den Ergebnissen der Razzia befassen wird. Hintergrund ist, dass sich nach Angaben des Verteidigungsministeriums unter den Verdächtigen auch insgesamt drei Soldaten befinden, darunter als aktiver Bundeswehrangehöriger ein Soldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK) sowie zwei weitere, nicht aktive Soldaten.

    Ermittlungen liefen wohl unter dem Namen "Schatten"

    Bundesweit waren Polizeieinheiten zu der Razzia angerückt, darunter GSG9-Spezialkräfte der Bundespolizei. Zuvor hatten das Bundeskriminalamt (BKA), mehrere Landeskriminalämter und Verfassungsschutzbehörden umfangreiche Ermittlungen geführt. Beim BKA laufen die Ermittlungen nach Informationen von WDR, NDR und SZ unter dem Namen "Schatten". Zahlreiche Telefone wurden demnach überwacht, Personen observiert und deren Aktivitäten im Internet verfolgt.

    Die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden hatten im Frühjahr dieses Jahres nach ersten Hinweisen des Landesamtes für Verfassungsschutz in Hessen begonnen. Dort war man auf einen Adligen aufmerksam geworden: Heinrich XIII. Prinz Reuß, 71 Jahre alt, Immobilienunternehmer mit Wohnsitz in Frankfurt am Main und Gutsherr eines Jagdschlosses im ost-thüringischen Bad Lobenstein. Er gilt als Hauptbeschuldigter und wurde am Mittwoch ebenfalls festgenommen. (mja/rs/dpa)

    Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.