Berlin. Die Verteidigungsministerin in Erklärungsnöten: Die Beschaffung des Kampfjets F-35 könnte sich verzögern und deutlich teurer werden.

Die Lufthoheit hat ein Pilot: Ingo Gerhartz. Zweifel am Kampfjet F-35? Deutschland suche Probleme, wo andere Nationen keine sähen. "Und wir übrigens auch nicht!", twittert der Inspekteur der Luftwaffe. "Ist die Luft dort eine andere?" Anders als in den Niederlanden, in Belgien, Italien oder Norwegen?

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In der Ampel-Koalition wird die Milliarden teure Beschaffung – ein Zukunftsprojekt der Bundeswehr – zerredet. Zweifel hat vor allem das FDP-geführte Finanzministerium gesät. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) steht unter Erklärungsdruck. Ihr Ressort hat heute in einer Telefonschalte mit dem Haushaltsausschuss versucht, die Sorgen zu zerstreuen.

Hinter vorgehaltener Hand fragen sich Verteidigungsexperten, ob es um das fliegerische Potenzial oder um eine politische Retourkutsche geht. Lambrecht hatte unlängst die schleppende Bestellung von Munition für die Bundeswehr mit fehlenden Haushaltsmitteln erklärt; und Finanzminister Christian Lindner sich wiederum gegen diesen Vorwurf verwahrt.

F-35: Lässt sich Lambrecht eine Pannenvogel andrehen?

Als sein Ministerium am Freitag die förmliche Vorlage, die so genannte 25-Millionen-Vorlage für die insgesamt 35 Flugzeuge, vorstellte, hat der parlamentarische Staatssekretär Florian Toncar (FDP) für den Haushaltsausschuss in einer "allgemeinen Vorbemerkung" (liegt unserer Redaktion vor) bis ins Detail die Risiken hervorgehoben:

  • Ob der Fliegerhorst Büchel, der Stationierungsort, rechtzeitig modernisiert wird, insbesondere die Startbahn;
  • ob die Maschinen rechtzeitig für den Flugbetrieb zugelassen werden;
  • und wie bei nahezu jedem Rüstungsprojekt, ob der Kostenrahmen eingehalten wird und die pünktliche Auslieferung sicher ist. Die ersten Jets sollen immerhin ab 2026 ausgeliefert werden.
  • Konkret beziffert das Ministerium die Gesamtkosten des Geschäfts auf knapp zehn Milliarden Euro (inklusive Bewaffnung und Umsatzsteuer) und warnt vor "Mehrkosten".

Streit um F-35: Bloß ein Fingerhakeln unter Koalitionspartnern?

Dabei griff Toncar interne Unterlagen des Verteidigungsministeriums auf, aus denen zum Beispiel hervorgeht, dass für die Bewaffnung "bis dato kein endverhandeltes Angebot" vorliege oder der Zeitplan "höchst ambitioniert" sei. Im Klartext: Er ließ Lambrecht ausgerechnet mit den Argumenten ihres eigenen Hauses schlecht aussehen.

Nicht zuletzt trieben Lindners Leute Vorsorge für den Fall, dass das Projekt F-35 aus dem Ruder laufen sollte. In diesem Fall wird er sich mit dem Hinweis leicht aus der Affäre ziehen können, rechtzeitig auf die Risiken hingewiesen zu haben. Nahezu ausgeschlossen ist, dass das Projekt aber noch aufgegeben wird.

Die Tornadoflotte ist schließlich über 40 Jahre alt. Für die Nachfolge war die F-35 stets das Wunschflugzeug der Piloten, zunächst heimlich, mit der Zeit immer unverhohlener. Nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges vertrug die Beschaffung keinen Aufschub mehr. Zumal plötzlich für die Bundeswehr Geld da war: aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen.

Bundeswehr: Piloten wollen den Jet – und die USA

Für den Jet spricht, dass es ein Flugzeug von der Stange ist, nicht wie das deutsche französische Vorhaben FCAS (Future Combat Air System) erst entwickelt werden muss. Vor allem haben die USA das Projekt forciert. Zum einen kommen die Maschinen vom US-Hersteller Lockheed Martin. Zum anderen ist es ein offenes Geheimnis, dass die Amerikaner im Eifel-Städtchen Büchel Atomwaffen stationiert haben. Lesen Sie auch:Tarnkappenjet F-35: Kosten, Hersteller und Fähigkeiten

Zur so genannten nuklearen Teilhabe gehört, dass im Ernstfall deutsche Maschinen mit den Atomwaffen aufsteigen. Weil sie den nuklearen Schutzschirm mit ihrem deutschen Verbündeten teilen, liegt es auf der Hand, dass sie auch die Bedingungen dafür bestimmen.

Hinter den Kulissen galt es von Anfang an als unwahrscheinlich, dass die USA einem umgebauten Eurofighter etwa für den atomaren Einsatz zustimmen würden. Genau das deutet auch die FDP-Wehrexpertin Marie-Agnes Strack Zimmermann an. "Jeder, der bei den USA militärisches Material bestellt, weiß, dass dies an entsprechende Voraussetzungen gebunden ist", sagte sie unserer Redaktion. "Das ist nichts Neues."

Lange Zeit hätte insbesondere Lambrechts Partei, die SPD, gern auf die Atomwaffen verzichtet. Aber nachdem Kreml-Chef Wladimir Putin einen Angriffskrieg begann, ist diese Position politisch überholt.

F-35: Augen zu und durch im Parlament

Am 14. Dezember soll der Haushaltsausschuss eine Tranche der Kosten freigeben. Früher oder später wird der Bundestag die Finanzmittel wohl freigeben: Augen zu und durch.

Ein Sprecher des Ministeriums beteuerte am Montag, "es gibt keine Krise. Es gibt derzeit kein Problem in der Planung, auch nicht in der Infrastruktur". Das Projekt sei "deutlich auf einem guten Weg" und "alles grün".

Strack-Zimmermann: "Zackzack" auf den Weg bringen

Die Ironie ist, dass es jenseits der kaufmännischen Risiken durchaus technische Zweifel gibt. Denn bisher hat der Wundervogel immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt, mal mit Fehlern im Triebwerk, mal mit Problemen auch bei den Schleudersitzen. 2020 kam der Jet bei den US-Streitkräften auf eine durchschnittliche Verfügbarkeit von 54 Prozent, 2021 von 61 Prozent.

Zur Bringschuld der Bundeswehr gehört der Umbau des Flugplatzes in Büchel. Gefordert seien aber auch die Landesbehörden. "Da darf sich Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) "auch schnellstmöglich persönlich drum kümmern", sagte Strack-Zimmermann. "Ich möchte keine Einwände hören von irgendeinem Landrat oder Bürgermeister. Es geht um unsere nationale Sicherheit. Und darum muss das jetzt Zackzack, auf den Weg gebracht werden."

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Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.