Berlin. Die Mission in Afghanistan ist gescheitert. Eines kann der Abzug leisten: eine ehrliche Debatte über Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Die Menschen hungern. Nicht nur am Rand der Gesellschaft, ein halbes Land, 20 Millionen Menschen. Afghanistan ist zurück in der Steinzeit. Hunger, Gewalt gegen Frauen – ein Rückzugsort für Hardcore-Islamisten.

Das Welternährungsprogramm rechnet vor, es bräuchte 1,4 Milliarden US-Dollar um das Nötigste zu leisten. Das klingt viel. Aber dagegen baut sich eine andere Zahl auf: weit mehr als 12 Milliarden Euro. So viel hat der Bundeswehr-Einsatz in 20 Jahren Afghanistan-Krieg gekostet.

Ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban müssen die Menschen in dem Land am Hindukusch eine bittere Bilanz ziehen. Doch nicht nur die. Auch Deutschland spürt: Der deutsche Militäreinsatz war teuer, kostete Menschenleben, brachte dem Land keine Demokratie. Scheiterte.

Solidarität versickert im Behördendschungel

59 deutsche Soldaten starben in Afghanistan, Tausende Zivilisten vor Ort ließen ihr Leben. Einige Jahre hat die Bundeswehr in Afghanistan wenigstens Schlimmeres verhindert. Doch nun: Steht Afghanistan dort, wo es vor 20 Jahren stand – unter der Knute der Taliban.

Christian Unger, Politik-Korrespondent
Christian Unger, Politik-Korrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Schlimmer: Jetzt, ein Jahr nach Ende des Militäreinsatzes, setzt sich das Scheitern fort. Die Bundesregierung hat ihr Versprechen nicht einhalten können, alle afghanischen Ortskräfte und andere gefährdete Helfer der Bundeswehr aus dem Land zu retten. Noch immer müssen sich Menschen in dem Land vor den Islamisten verstecken, obwohl sie für deutsches Militär Landebahnen gebaut oder Kurierdienste übernommen haben.

Ein guter Teil der Ortskräfte ist mittlerweile in Deutschland gelandet. Noch immer fliegen regelmäßig Chartermaschinen mit weiteren Geretteten aus Pakistan hierher. Das ist gut.

Zugleich aber zeigt sich, dass Deutschlands groß angekündigte Gesten der Solidarität immer wieder von Visum-Bürokratie, Ministerien-Gerangel und Behörden-Willkür aufgerieben wird.

Deutschland hat Lehren zu ziehen

Die Empathie mit den Menschen in Afghanistan ist abgeebbt. Doch nicht nur das: Auch die Lehren für Auslandseinsätze in der Zukunft sind noch ungeklärt. Es ist gut, dass der Bundestag den Bundeswehr-Einsatz in einem Untersuchungsausschuss aufbohrt, und Forscher die Operation am Hindukusch auswerten.

Schon jetzt wird deutlich: Militärisches Gerät, Waffen und Fahrzeuge sind veraltet. Gerade Einsätze in Regionen wie Afghanistan und Mali erfordern Material, das auch bei 40 Grad und mehr noch funktioniert.

Doch nicht nur das: Regierung und der Bundestag müssen den Untersuchungsausschuss zu Afghanistan auch dafür nutzen, zu sondieren, was die Bundeswehr künftig in der Welt leisten kann. Dabei gilt: Weniger ist mehr. Nicht in jedes Krisengebiet kann Deutschland Soldaten entsenden.

Derzeit sind deutsche Soldaten in zwölf Missionen auf drei Kontinenten unterwegs. Bei kaum einem Einsatz vermittelt die Politik den Menschen in Deutschland den Eindruck, als würden deutsche Soldaten auf ihren Missionen Erfolge verbuchen.

Mit Waffengewalt wird kein Land zur Demokratie

Klar ist auch: Soldaten als Wachleute für Brunnenbauer, wie etwa in den ersten Afghanistan-Jahren, das verfehlt das Ziel. Die Bundeswehr muss sich stärker spezialisieren auf ihr Kerngeschäft: den militärischen Einsatz.

Und auch dafür braucht es eine Strategie: Waffengewalt hilft im Einsatz gegen Piraten, um freie Fahrt für Schiffe zu sichern. Waffengewalt hilft aber nicht, um ein Land von einer Islamisten-Diktatur zur Demokratie zu verwandeln.

Der Einsatz in Afghanistan ist gescheitert – wenn wir noch etwas gewinnen wollen, ist es die ehrliche Debatte darüber, was Deutschlands Armee im Ausland künftig wirklich leisten kann.