Berlin. Die Finanzierung der geplanten Milliardeninvestitionen bleibt weiterhin offen. Wird ein FDP-Minister die Schuldenbremse lockern können?

SPD, FDP und Grüne haben eine Bringschuld. „Die Finanzen müssen hinterlegt werden, ganz klar“, sagte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans unserer Redaktion. Wie die SPD haben auch ihre Ampel-Partner von FDP und Grünen nach den Sondierungen keine Zahlen geliefert, dafür aber andere Akzente gesetzt.

„Es gibt das Bundeskanzleramt, es gibt das Finanzministerium, es gibt ein neues Klimaministerium“, sagte FDP-Chef Christian Lindner. Er sei der Meinung, „jeder der Partner muss eine Möglichkeit haben, auch gestalterisch zu wirken“.

Die Grünen für das Klima, die FDP für das Geld? Der fast unverhohlene Anspruch auf das Finanzministerium ärgerte Grünen-Chef Robert Habeck. „Wir haben sehr unterschiedliche finanzpolitische Vorstellungen. Die Konkurrenz ist da, ohne Frage.“

Ampel: Weniger Geld für Verkehr und Militär

Beide dürften drei Fakten parat haben: auf der Einnahmeseite die Einnahmen durch die globale Mindeststeuer ab 2023, laut Ifo-Institut jährlich bis zu sechs Milliarden Euro, auf der Ausgabenseite die Rückzahlung der Corona-Schulden – 20 Jahre lang im Schnitt je 24 Milliarden Euro – und die Höchstgrenze bei der Nettokreditaufnahme.

Die ab 2023 wieder geltende Schuldenbremse begrenzt die Nettokreditaufnahme auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, in der mittelfristigen Planung kalkuliert der Bund im Jahr mit zwölf Milliarden Euro.

Zwei Unbekannte sind das Wachstum und die Zinsentwicklung. Wegen der Inflation und vermutlich steigender Zinsen rechnet der Bund mit entsprechend höheren Ausgaben. Für 2022 sahen die Institute konjunkturelle Nachholeffekte – nach der Corona-Krise – und rund 4,8 Prozent Wachstum voraus. Lesen Sie auch: Das steht im Ampel-Sondierungspapier

Finanzierungsfragen haben Annalena Baerbock (Grüne), Christian Lindner (FDP), Robert Habeck (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) nicht geklärt.
Finanzierungsfragen haben Annalena Baerbock (Grüne), Christian Lindner (FDP), Robert Habeck (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) nicht geklärt. © Getty Images | Jens Schlueter

Die zwölfseitige Agenda der Sondierer enthält durchaus Ziffern, meist allerdings Jahreszahlen. Auf Seite fünf findet sich dann doch ein Preisschild: Noch im Jahr 2022 werde man der Rentenversicherung „aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock von zehn Milliarden Euro zuführen“.

Die einmalige Ausgabe ist zu stemmen. Erstens ist die Schuldenbremse im Jahr 2022 noch ausgesetzt. Zweitens enthält der Bundeshaushalt „umfangreiche Rücklagen“, wie die Bundesbank analysiert. Das sind Mittel, die genehmigt, aber nicht ausgegeben wurden, sei es für den Kita-Ausbau, sei es für die Digitalisierung von Schulen. Allein aus der Flüchtlingskrise sind noch Rücklagen von 48 Milliarden Euro im Haushalt.

Koalition: Bürgergeld kann teuer werden

Schwieriger sind zusätzliche Ausgaben, die jedes Jahr anfallen. Das Versprechen von jährlich 400.000 neuen Wohnungen, davon 100.000 öffentlich gefördert, dürfte nach Schätzungen von SPD-Fachpolitikern mindestens sechs Milliarden Euro kosten.

Auch das geplante Bürgergeld (anstelle von Hartz IV) dürfte eher mehr Geld kosten. Die Finanzierung der EEG-Umlage könnte mit rund 20 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Völlig unklar ist, wie viel für Klimainvestitionen eingeplant werden sollen. Die Grünen haben als Größenordnung 50 Milliarden Euro genannt. Unklar ist, wie groß der staatliche Anteil daran wäre.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sorgte schon in der mittelfristigen Planung etwas vor. Der Wehretat beträgt 45,6 Milliarden Euro und soll verstetigt werden und nicht etwa steigen, wie oft versprochen. Ähnlich verhält es sich bei den Ausgaben für Verkehr.

Ampel: Investitionen könnten kreditfinanziert werden

Drohende Finanzierungslücken wird man nicht allein damit schließen, dass der Staat Steuerbetrug und Geldwäsche stärker bekämpft oder Steuerschlupflöcher schließt.

Interessanter ist der Hinweis von Walter-Borjans auf „die Möglichkeiten staatlicher Institutionen“. Gemeint sind nicht nur die Förderbanken, sondern auch die Autobahngesellschaft oder die Bundesanstalt für Immobilien – hier lassen sich Milliardeninvestitionen außerhalb des Bundesetats abwickeln.

Zur Not muss der Finanzminister ab 2023 umsteuern: mit einem strikten Sparkurs und Subventionsabbau. Spätesten dann schlägt die Stunde der Wahrheit bei der Schuldenbremse. „Bei Investitionen in die Zukunft ist dabei auch eine teilweise Finanzierung mit Krediten gerechtfertigt. Die Schuldenbremse enthält dafür durchaus Spielräume“, sagte Walter-Borjans unserer Redaktion.

Vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) gibt es Vorschläge, die Corona-Schulden in 40 statt in 20 Jahren abzutragen und die Schuldenbremse zu lockern, von 0,35 auf 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Eine Ironie wäre, wenn dies ausgerechnet einem FDP-Finanzminister zufiele.