Berlin. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) konnte bei der Bundestagswahl einen Sitz erringen. Wer die Partei ist und wofür sie steht.

Als am Sonntagabend die Ergebnisse der Bundestagswahl absehbar waren, griff Spitzenkandidat Stefan Seidler bei der Wahlparty in Flensburg zum Mikrophon und jubelte: „Das ist der reine Wahnsinn. Wir sind drin. Ein Mandat.“ Der Grund für seine Freude: In der neuen Legislaturperiode wird im Bundestag eine weitere Partei vertreten sein. Der Südschleswigsche Wählerverband, kurz SSW, zieht mit einem Abgeordneten in das Parlament ein.

Die Partei der dänischen Minderheit und nationalen Friesen hatte zum ersten Mal seit 60 Jahren wieder an einer Bundestagswahl teilgenommen – und direkt einen Sitz gewonnen. Möglich ist das, weil für den SSW als Partei einer nationalen Minderheit die Fünf-Prozent-Hürde nicht gilt. Deshalb war es ausreichend, so vielen Stimmen zu gewinnen, dass ihr nach dem Berechnungsverfahren ein Sitz zustand.

Parteivorsitzender Meyer ist seit 1966 Mitglied des SSW

„Wir hatten uns zwei Ziele gesetzt: Ein Mandat in Berlin und über 50.000 Stimmen. Beides haben wir erreicht,“ sagt der Partei-Vorsitzende Flemming Meyer. Das Stimmen-Ziel hat der SSW am Sonntagabend sogar übertroffen: 55.330 Menschen setzten ihr Kreuz bei der Minderheiten-Partei.

Seit 2005 ist Meyer der Parteivorsitzende des SSW. Die Politik wurde dem ehemaligen Lehrer in die Wiege gelegt, bereits sein Vater Landesvorsitzender der SSW. Meyer ist seit 1966 Mitglied des SSW, über 11 Jahre lang war er Abgeordneter im schleswig-holsteinischen Landtag, bis er im Sommer dieses Jahres zurücktrat, um mehr Zeit mit seiner Familie verbringen zu können. Der 69-Jährige hatte lange dafür gekämpft, dass der SSW wieder bei einer Bundestagswahl antritt - dass die Partei nun auch einen Sitz erringen konnte, freut ihn umso mehr.

"Ich muss mich da hin und wieder ein bisschen kneifen.“

Der Mann, der nun für den SSW als fraktionsloser Abgeordneter im Bundestag sitzen wird, ist Stefan Seidler. Der 41-jährige Flensburger studierte Staats- und Politikwissenschaften in Aarhus, heute ist er Dänemark-Koordinator der Landesregierung in Schleswig-Holstein. Über das Wahlergebnis seiner Partei freut er sich sehr: „Das ist sensationell für unsere kleine Partei, jetzt in den Bundestag einzuziehen. Ich muss mich da hin und wieder ein bisschen kneifen.“

Zuletzt saß der SSW nach der Bundestagswahl 1949 für eine Legislaturperiode im Bundestag. Seit 1961 ist die Partei jedoch nicht mehr bei einer Bundestagswahl angetreten. Immer wieder wurde seitdem über den Wieder-Antritt diskutiert, erst 2020 stimmte man beim Parteitag mehrheitlich für die Teilnahme an der Wahl 2021. Lange Zeit habe sich die Partei nur auf Schleswig-Holstein konzentriert, „aber wir haben gemerkt, dass wir leider oft zu kurz kommen“, sagt Seidler, beispielsweise bei der Infrastruktur oder dem Digitalpakt.

SSW-Spitzenkandidat Seidler: "Wir sind eine Mitte-Partei"

Im schleswig-holsteinischen Landtag ist der SSW bereits eine feste Größe, auch in vielen Kommunalparlamenten sitzt die Partei. Nun möchte der SSW bundespolitisch mitwirken. Im Parteien-Spektrum sieht Seidler seine Partei in der Mitte verordnet: „Wir sind eine Mitte-Partei, aber skandinavisch-pragmatisch. Uns geht es auch darum, Brücken zwischen den politischen Lagern zu bauen.“

Die Partei will ich sich vor allem für die Interessen von Minderheiten und der Menschen in Schleswig-Holstein einsetzen. „Es ist ganz klar, dass wir als Minderheit auch ein Interesse daran haben, dass es der Mehrheit gut geht“, sagt der Parteichef Meyer. Außerdem wolle man vor allem skandinavische Ideen und Konzepte nach Deutschland holen. „Gerade bei Themen wie Digitalisierung und Gesundheitspolitik kann man sehr viel von diesen Ländern lernen und das wollen wir einbringen,“ so Meyer.

(csr)