Berlin. Der Bundestag wird nach neuem Wahlrecht gewählt. Trotzdem sitzen bald so viele Abgeordnete wie nie im Parlament. Das sind die Kosten.

Wenn am 26. September der nächste Bundestag gewählt wird, entscheidet sich, wie viele Politiker einen Sitz erhalten. Zwar liegt die Richtgröße für die Abgeordneten-Mandate bei 598. Doch schon aktuell sitzen mit 709 Abgeordneten mehr im Bundestag, als vorgesehen. Keine westliche Demokratie hat ein so großes Parlament. Tatsächlich könnte es in diesem Herbst noch einmal deutlich wachsen.

Diese Steigerung kommt durch die Überhang- und Ausgleichsmandate zustande. Diese Plätze im Parlament werden dann vergeben, wenn eine Partei mehr Direktmandate mit der Erststimme gewinnt, als ihr eigentlich im Verhältnis durch die Zweitstimme zustehen.

Bundestagswahl: Warum könnte der Bundestag größer werden als je zuvor?

Es gibt insgesamt 299 Direktmandate, die bei jeder Wahl fast ausschließlich an CDU und CSU sowie SPD gehen. Seit mehreren Jahren erzielen die Volksparteien aber bei den Zweitstimmen Ergebnisse, die immer weiter von der Verteilung der Erststimmen entfernt liegen. Davon profitieren im Bundestag alle anderen Parteien, da das Sitzverhältnis - das sich aus den Zweitstimmen ergibt - mit den sogenannten Ausgleichsmandaten wiederhergestellt werden muss.

Umso größer der Unterschied zwischen gewonnenen Wahlkreisen und Zweitstimmenergebnis ist, desto größer wird der Bundestag, weil es mehr Ausgleichsmandate braucht. Erzielen Union und SPD, wie es aktuelle Umfragen zeigen, bei der Bundestagswahl nur Stimmanteile von knapp über 20 Prozent, so ist die Diskrepanz zu den Direktmandaten noch einmal höher als bei der letzten Bundestagswahl. Dieser Entwicklung liegt auch zugrunde, dass immer mehr Wähler ihre zwei Stimmen auf unterschiedliche Parteien verteilen. Das Endergebnis könnte sein, dass die Zahl der Abgeordneten die Marke von 800 Sitzen im September deutlich knackt.

Bundestag wird immer größer – im schlimmsten Fall 1000 Abgeordnete

Laut aktuellem Stand wären sogar bis zu 840 Mandate sehr wahrscheinlich. Berechnungen des Wahlrechtsexperten Robert Vehrkamp von der Bertelsmann-Stiftung zufolge könnte das Parlament, wenn es ganz dumm läuft, sogar auf mehr als 1000 Abgeordnete anwachsen.

Würde der Bundestag diesen Herbst auf mehr als 800 Sitze anwachsen, hätte das auch deutliche Folgen für die Steuerzahler: Der Bund der Steuerzahler mahnte auch aus Kostengründen zuletzt immer wieder eine Reform an. Schon in diesem Jahr ist das Parlament mit Ausgaben von mehr als einer Milliarde Euro so teuer wie nie zuvor. Die exorbitanten Kosten verursachen aber nicht die Abgeordneten allein.

In diese Summe mit einberechnet werden auch die Kosten für die Bundestagsverwaltung – das umfasst unter anderem Personalausgaben für Beamte, Unterhaltung der Liegenschaften, Sachausgaben, Investitionen oder der Besucherdienst. Einen großen Anteil an den Gesamtkosten des Parlaments machen aber vor allem die „aktiven mandatsbezogenen“ Kosten aus, nicht die Abgeordneten selbst.

So viel verdienen die Bundestagsabgeordneten

Alle Parlamentarier erhalten nach dem Abgeordnetengesetz eine monatliche Aufwandsentschädigung (§11) von 9.780,28 Euro sowie eine steuerfreie Kostenpauschale (§12 Abs. 2) von 4.418,09 Euro pro Monat. Für 2019 plant der Bund hierfür Gelder in Höhe von etwa 81,1 Millionen sowie 36,8 Millionen Euro ein, die damit direkt an die Abgeordneten fließen.

Zu den Diäten der Abgeordneten kommen aber noch weitere Kosten hinzu – schließlich hat jeder von ihnen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen oder unternimmt Dienstreisen. Diese „aktiven mandatsbezogenen“ Posten, wie die Mitarbeiterpauschale oder auch Zuschüsse für Krankheit und Pflege sowie Dienstreisen summieren sich ordentlich. In etwa kosteten diese Posten zuletzt 533 Millionen Euro im Jahr, umgerechnet erzeugt jedes einzelne Mandat jährlich also mehr als 750.000 Euro an unmittelbaren Ausgaben.

Bundestag würde schon bei 800 Abgeordneten erheblich teurer werden

Schon 2019 wurden im Bundeshaushaltsplan deshalb ungefähr 913,4 Millionen Euro für das Parlament veranschlagt. Davon machten die Entschädigungen für die Abgeordneten inklusive der Kostenpauschale nur knapp 13 Prozent aus. Mit 253,7 Millionen Euro sind die Kosten für die Beschäftigung von Mitarbeitern mit Abstand der größte Happen (27,8 Prozent) gewesen.

Der Bund der Steuerzahler hat nun eine Kostenprojektion vorgelegt, für den Fall, dass in Zukunft 800 Mandatsträger im Bundestag sitzen werden: Allein die „aktiven mandatsbezogenen“ Kosten lägen dann bei 597 Millionen Euro pro Jahr. Das würde eine Steigerung von 64 Millionen bedeuten. Die Ausgaben für das Parlament würden dann aller Wahrscheinlichkeit deutlich über der Milliardenmarke liegen. Der Steuerzahler-Verein warnt deshalb vor einem „XXL-Bundestag“ – auch weil so Vertrauen in die politische Institution verloren gehe.

Reform für Bundestagswahl: Deshalb scheiterte sie

Die letzten Bestrebungen für eine große Wahlrechtsreform sind an unterschiedlichen Interessen der eher kleinen Parteien und der Union sowie SPD 2020 gescheitert. Auf eine wirksame Reform konnte man sich in der laufenden Legislaturperiode nicht einigen. Vor allem die CSU sträubte sich gegen eine Neuregelung, da eine Reduzierung der 299 Wahlkreise vor allem sie getroffen hätte. Bislang gewann die CSU alle Direktmandate in Bayern.

Auch die CDU widersetzte sich, weil sie zum Zeitpunkt der Abstimmung in den Umfragen noch auf weit über 30 Prozent kam. Eine große Zahl von Ausgleichsmandaten wäre so nicht zustandegekommen, da auch die CDU bislang viele Mandate direkt gewann. Derzeit liegt die Union allerdings in den Umfragen gut zehn Prozentpunkte unter den Umfragewerten von damals. Mittlerweile könnten auch der SPD und den Grünen Ausgleichsmandate zustehen.

Einigen konnten sich die Parteien letztendlich nur auf eine Mini-Reform: Drei Überhangmandate sollen nicht ausgeglichen werden. Außerdem soll eine Kommission zu dem Thema arbeiten, diese hat sich bisher aber gebildet und noch nicht beraten. Einschneidender soll sich das Wahlrecht für die übernächste Bundestagswahl – die im Jahr 2025 regulär stattfindet – ändern. Dann soll die Zahl der Wahlkreise zumindest von 299 auf 280 reduziert werden.