Berlin. Eine Studie des Deutschen Kinderhilfswerks zeigt: Über Lebensqualität entscheidet schon bei Kindern und Jugendlichen die Adresse.

Kinder in den ärmsten Stadtteilen von deutschen Großstädten haben pro Person weniger Spielplatzfläche zur Verfügung als ihre Altersgenossen in den privilegiertesten Quartieren. Vor allem in Westdeutschland sind sie dabei gleichzeitig wesentlich häufiger Lärmbelastung ausgesetzt als Kinder in wohlhabenderen Gebieten. Das zeigt eine empirische Untersuchung des Deutschen Kinderhilfswerks, der Heinrich-Böll-Stiftung und des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), die unserer Redaktion vorliegt.

Anhand von Daten aus Berlin, Dortmund, Erfurt, Hamburg, Leipzig, Nürnberg und Saarbrücken wertete ein Forscher-Team aus, ob Kinder in ärmeren und reicheren Stadtteilen mit vergleichbar guter Infrastruktur aufwachsen. Dafür untersuchten sie den Zugang zu Kulturangeboten wie Bibliotheken, Spielplatz- und Naturflächen, ärztlicher Versorgung, Bildung, Verkehrssicherheit und Lärmbelastung.

Arbeiterviertel in Westdeutschland, Plattenbau in Ostdeutschland

Gemessen an der Quote der Kinder und Jugendlichen unter 15, die in Haushalten mit Hartz-IV-Bezug leben, gab es dabei in allen Städten Stadtteile, in denen sich Armut ballt. In den westdeutschen Städten und Westberlin waren das häufig Viertel, die eine lange Tradition als Wohnort von Industriearbeitern und -arbeiterinnen haben, wie Wilhelmsburg in Hamburg oder der Wedding in Berlin. Mit der De-Industrialisierung, so die Studie, habe dort oft die Armut Einzug gehalten. Auch interessant: Vom Schlamm auf Lesbos ins Wendland - wie vier junge Afghanen sich durchkämpfen

Deutsche sorgen sich darum, dass die Entwicklung von Kindern aufgrund beschränkter Betreuungs- und Schulangebote in der Corona-Krise beeinträchtigt wird.
Deutsche sorgen sich darum, dass die Entwicklung von Kindern aufgrund beschränkter Betreuungs- und Schulangebote in der Corona-Krise beeinträchtigt wird.

In den ostdeutschen Städten und Ostberlin gab es den höchsten Anteil armer Kinder in Plattenbausiedlungen, in denen erst nach der Wende der Anteil armer Familien stieg. Mehr zum Thema: Das Amt zahlt die Miete - doch eine junge Mutter findet trotzdem keine Wohnung

In Berlin haben Kindern in reichen Vierteln fast vier Mal so viel Spielplatz pro Kopf

Das zeigt sich auch in den Daten: In den westdeutschen Städten und Berlin gibt es laut Studie in und um sozial benachteiligte Quartiere häufig größere Industrie- und Gewerbeflächen. Gleichzeitig war dort auch die Lärmbelastung in den ärmsten Vierteln von Hamburg, Berlin, Nürnberg und Saarbrücken am höchsten. In den ostdeutschen Städten dagegen, wo die verstärkt von Armut betroffenen Plattenbau-Viertel vor der Wende als Wohngegenden angelegt wurden, gibt es keine erhöhte Lärmbelastung im Vergleich zu privilegierten Stadtteilen.

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    Unterschiede finden sich in Ost und West bei den Spielgelegenheiten für Kinder: Außer in Hamburg hatten in allen untersuchten Städten Kinder in den Stadtteilen mit der niedrigsten Hartz-IV-Quote deutlich mehr Spielplatz-Fläche pro Kopf zur Verfügung als Kinder in den ärmsten Gebieten. In Berlin waren es gut fünf Quadratmeter pro Kind in den ärmsten Gebieten, aber mehr als 18 in den reichsten.

    Auch Flächen für Naherholung und Sportanlagen gab es pro Kind in den am besten gestellten Quartieren mehr als in den anderen, und das in allen sieben untersuchten Städten.

    Keine Unterschiede bei Kultur und Gesundheitsversorgung

    Das Autoren-Team führt das darauf zurück, dass Wohnlagen mit vielen solchen Möglichkeiten sehr begehrt und deshalb teuer sind. Menschen, die Hartz IV beziehen, können sich diese kaum leisten.

    Im Vergleich zu Quartieren mit durchschnittlichen Quoten von Kinderarmut waren die Viertel mit den finanziell schwächsten Familien aber nicht schlechter gestellt, was den Zugang zu Naherholung und Sport angeht. Gute Nachrichten gab es dagegen bei vielen anderen Faktoren, die in der Studie geprüft wurden: Bei kulturellen Angeboten, Verkehrssicherheit, der Verteilung von Gymnasien und Kinderarztpraxen war keine Benachteiligung festzustellen – anders als zunächst angenommen.