Berlin. Hoffnungsträger enttäuscht: Der Impfstoff von Curevac zeigt bei Studienauswertung eine geringe Wirksamkeit. Alle Infos über das Vakzin.

  • Der Corona-Impfstoff des schwäbischen Unternehmens Curevac galt lange als vielversprechend - und zentral für die deutsche Impfkampagne
  • Nach einer abschließenden Studienauswertung weist das Vakzin aber nur eine geringe Wirksamkeit auf
  • Das Vakzin von Curevac ist ein mRNA-Impfstoff - ebenso wie Biontech und Moderna
  • Lesen Sie hier alles Wissenswerte rund um den Impfstoff aus Tübingen

Impfstoffe spielen bei der Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie eine prominente Rolle. Zu den bekanntesten Corona-Impfstoffen, die derzeit in verschiedenen Ländern auf dem Markt sind, zählen die Mittel der Hersteller Astrazeneca, Biontech/Pfizer, Moderna sowie Johnson & Johnson.

Einer der ersten Hersteller, der vergangenes Jahr mit einem Impfstoff von sich reden machte, war hingegen das Tübinger Unternehmen Curevac. Anschließend trat das Vakzin jedoch in den Schatten von anderen Hoffnungsträgern.

Eigentlich sollte der Impfstoff schon längst viel weiter sein. Doch nun ergeben abschließende Studienauswertungen, dass das Vakzin über alle Altersgruppen hinweg und für 15 Virusvarianten nur eine Wirksamkeit von 48 Prozent aufweise.

Hier lesen Sie, wie das Vakzin funktioniert, warum es Kritik gibt, wie viele Dosen Deutschland bestellt hat und was der Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp mit dem Unternehmen zu tun hat.

Wie wirksam ist der Curevac-Impfstoff?

Das Curevac-Vakzin namens CnCov basiert wie die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna auf dem Botenmolekül mRNA. Das regt im Körper die Bildung von Virusproteinen an, wodurch eine Immunreaktion ausgelöst wird. Es bilden sich Antikörper und T-Zellen, die im Falle einer Infektion den Erreger bekämpfen.

Das Unternehmen musste Mitte Juni in einer Pflichtbörsenmitteilung einräumen, dass der eigene Impfstoffkandidat in einer Zwischenanalyse nur eine vorläufige Wirksamkeit von 47 Prozent gegen eine Corona-Erkrankung „jeglichen Schweregrades“ erzielt habe. Damit habe er die vorgegebenen statistischen Erfolgskriterien nicht erfüllt. Dies bestätigte das Unternehmen Ende Juni. Demnach wurden auch in der abschließenden Studienauswertung nur 48 Prozent Wirksamkeit erzielt, "in allen Altersgruppen über 15 Virusvarianten hinweg".

Eine signifikante Schutzwirkung gegen eine Corona-Infektion sei bei Studienteilnehmern im Alter von 18 bis 60 Jahren mit 53 Prozent festgestellt worden. In dieser Altersgruppe schütze das Vakzin mit einer Wirksamkeit von 77 Prozent gegen einen moderaten und schweren Krankheitsverlauf und biete eine hundertprozentige Schutzwirkung vor einem Krankenhausaufenthalt oder einem tödlichen Verlauf der Infektion.

Der Curevac-Impfstoffkandidat befindet sich schon seit Dezember - also seit mehr als einem halben Jahr - in der finalen und damit zulassungsrelevanten 2b/3-Studienphase. Während zahlreiche Konkurrenten ihre Vakzine längst auf den Markt gebracht haben, sammelt Curevac nach wie vor Daten. Ob Curevac nun überhaupt absehbar - und wenn, wann - liefern kann, bleibt vorerst unklar.

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Curevac-Vorstandschef Franz-Werner Haas teilte mit, man habe auf stärkere Ergebnisse in der Zwischenanalyse gehofft. Man wolle die laufende Studie aber dennoch bis zur finalen Analyse fortsetzen. „Die endgültige Wirksamkeit könnte sich noch verändern.“ SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schrieb auf Twitter: „Schade, das Team aus Tübingen hätte Erfolg verdient gehabt.“

Curevac-Impfung: Was sind die Nebenwirkungen?

Offizielle Ergebnisse aus den Studien liegen zwar noch nicht vor - Professor Peter Kremsner von der Uni Tübingen, der die Studien zum Curevac-Vakzin leitet, hat gegenüber n-tv allerdings schon Beobachtungen verraten: "Die Sicherheits- und Verträglichkeitsdaten sehen sehr gut aus, obwohl wir noch verblindet sind." Verblindung bedeutet, dass unklar ist, welche Teilnehmenden die echte Impfung und welche nur einen Placebo bekommen haben.

In der dritten Phase sei beobachtet worden, dass besonders die jüngeren Studienteilnehmenden nach der Impfung über die folgenden Symptome geklagt hätten:

  • Kopfschmerzen
  • Gliederschmerzen
  • Abgeschlagenheit
  • Müdigkeit
  • Fieber (selten)

Schwere Nebenwirkungen wie etwa Sinusvenen-Thrombosen habe man in der Studie nicht gesehen.

Wann ist mit einer Zulassung des Curevac-Impfstoffs zu rechnen?

Die Bundesregierung hatte den Curevac-Impfstoff Berichten zufolge lange für die zweite Jahreshälfte eingeplant, auf der jüngst vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten Liste der Impfstoff-Lieferplanungen fehlte das Unternehmen aber bereits. Zuletzt hatte die Plattform „Business Insider“ berichtet, es habe noch Ende Mai in internen Lieferprognosen der Bundesregierung geheißen, dass von Curevac bis Jahresende eine zweistellige Millionenmenge an Impfstoffdosen erwartet werde.

Angesichts der massiven Zeitverzögerung hatte die Firma zuletzt nicht nur ihre Aktionäre immer wieder vertröstet. Bis Anfang Juni hatte es geheißen, das Unternehmen erwarte - abhängig von den klinischen Studiendaten - die Zulassung seines Impfstoffkandidaten in der EU zumindest noch im zweiten Quartal.

Doch kurz darauf wurde bekannt, dass sich das Verfahren weiter verzögern werde. Zuletzt war darüber spekuliert worden, der Curevac-Impfstoff könne möglicherweise im August in der EU zugelassen werden. Auch diese Aussichten könnten sich nach Bekanntwerden der neuen Daten erledigt haben. Die Anleger reagierten zeitweise panisch: Der Curevac-Börsenkurs sackte im nachbörslichen US-Handel am Mittwoch um mehr als die Hälfte ab.

Die EMA hat wegen der hohen Dringlichkeit in der Corona-Pandemie Vakzine im Rolling-Review Verfahren getestet. Das bedeutet, dass Daten und Ergebnisse laufend geprüft werden, auch wenn die Testreihen noch nicht abgeschlossen sind und noch kein Antrag auf Zulassung in der EU gestellt wurde. Das Verfahren ist schneller als herkömmliche Prüfungen, aber ebenso sorgfältig, wie die EMA versichert.

Wo wird der Curevac-Impfstoff hergestellt?

300 Millionen Dosen sollten bis Jahresende produziert werden, 2022 eine Milliarde. Erste Tranchen werden in Tübingen produziert. Die größten Kapazitäten steuern Pharma- und Chemieunternehmen wie Wacker mit einer Produktionsstätte in Amsterdam oder Rentschler (in Laupheim), GSK (in Belgien) und Bayer (in Wuppertal) bei. Auch der Schweizer Pharmakonzern Novartis ist Produktionspartner. Lesen Sie auch: Biontech: Der erste Corona-Impfstoff - Ein deutsches Wunder?

Außerdem wird Curevac seinen Impfstoff in Heidelberg produzieren. Mehr als 100 Millionen Dosen sollen dort vom Band laufen, 50 Millionen davon noch in diesem Jahr. Dafür ging das Tübinger Biotech-Unternehmen eine Partnerschaft mit dem Schweizer Pharma-Auftragsfertiger Celonic ein.

Corona-Impfung – Mehr zu den Impfstoffen:

Wie wird der Impfstoff von Curevac hergestellt?

Die Stabilität des Curevac-Impfstoffes hatte bei der Entwicklung einen hohen Stellenwert. Laut Unternehmenssprecher Schüller bleibt der Stoff bei Kühlschranktemperaturen bis zu drei Monate lang stabil, was einen Einsatz in Afrika oder Asien erleichtern würde.

Ein Impfstoff-Printer, von dem zwei Exemplare auf dem Firmengelände testweise den Wirkstoff produzieren, könnte eine dezentrale Impfstoff-Produktion ermöglichen. Die Idee ist, überall Impfstoffe "drucken" zu können und so "einen viralen Ausbruch lokal zu begrenzen", erzählt Schüller.

Unterstützt Deutschland die Entwicklung von Curevac?

Deutschland hält Anteile im Wert von 300 Millionen Euro am Tübinger Unternehmen. Die Technologie von Curevac habe das Potenzial, neue Impfstoffe und therapeutische Behandlungsmöglichkeiten für viele Menschen zu entwickeln, erläutert das Bundeswirtschaftsministerium.

Curevac hatte sich im vergangenen Jahr über einen Börsengang in New York sowie mehrmals über Kapitalerhöhungen frisches Geld verschafft und zudem eine Partnerschaft mit dem Leverkusener Pharmariesen Bayer vereinbart.

Historisch noch enger verzahnt ist Curevac allerdings mit dem SAP-Mitbegründer und Investor Dietmar Hopp, der nach wie vor einen Großteil der Anteile an dem Unternehmen hält. Hopp sorgte zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 für Schlagzeilen, als er überraschend und öffentlichkeitswirksam verkündete, Curevac könne möglicherweise schon im Herbst 2020 einen Corona-Impfstoff liefern. Das blieb ein unerfüllter Wunsch. (mit dpa)

Dieser Artikel ist zuerst auf morgenpost.de erschienen.