Brüssel/Berlin. Deutschland könnte bei den Corona-Impfungen bis Ende Juni deutlich hinter anderen EU-Ländern zurückliegen. Ist die Verteilung fair?
- Innerhalb der Europäischen Union soll die Verteilung des Corona-Impfstoffs zentral geregelt werden
- Doch offenabr werden die Länder unterschiedlich stark mit Vakzinen versorgt
- Bis zum Sommer könnte die Schieflage noch anwachsen – zum Nachteil von Deutschland
Bei der Impfstoffbeschaffung durch die Europäische Union droht ein neues Problem: Die Vakzine von bisher vier Herstellern könnten nach bisherigen Plänen im zweiten Quartal derart ungleich verteilt werden, dass es zu massiven Schieflagen in der Union käme. So könnte Deutschland in den nächsten Monaten deutlich schlechter dastehen als etwa die Nachbarländer Niederlande und Dänemark.
Das ergibt sich nach Informationen unserer Redaktion aus internen EU-Daten. Demnach würde Deutschland nach aktuellem Stand bis Ende Juni insgesamt 94 Millionen Impfdosen der vier Hersteller Biontech/Pfizer, Moderna, Astrazeneca und Johnson & Johnson erhalten, was 1,13 Impfdosen pro Einwohner entspricht – gerechnet seit Beginn der Impfkampagne.
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Dänemark käme bei erwarteten 8,1 Millionen Impfdosen dagegen auf einen Anteil von 1,39 Dosen pro Einwohner. Der Anteil läge also um knapp ein Viertel höher, entsprechend schneller wäre die Bevölkerung in Dänemark durchgeimpft. Die Niederlande könnten nach diesen Angaben 20 Millionen Dosen erwarten, was einem Anteil von 1,15 Impfdosen pro Einwohner entspricht. Lesen Sie hier: Corona: Impfstoff-Typ könnte Ursache für Thrombosen sein
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Kroatien und Bulgarien hinken beim Impfen hinterher
Sehr gut schneidet demnach zum Beispiel auch Malta ab, während Länder wie Kroatien oder Bulgarien vergleichsweise sehr schlecht dastehen: Bis Ende Juni würde Bulgarien 4,1 Millionen Dosen erhalten haben, was einem Anteil von nur 0,59 Impfdosen pro Einwohner entspräche. Kroatien käme mit 2,7 Millionen Dosen auf eine Quote von 0,67 Impfdosen pro Einwohner. Beide Länder hätten also Ende Juni nur halb so große Impffortschritte erzielt wie Dänemark.
Die Zahlen belegen, dass die Ankündigungen der EU-Spitze, der Corona-Impfstoff werde unter den Mitgliedstaaten streng nach Bevölkerungsanteil verteilt, in der Praxis künftig nicht eingehalten wird. Bislang ist das Problem angesichts der knappen Mengen, die zur Verfügung stehen, noch nicht akut, das dürfte sich im zweiten Quartal aber ändern.
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Zum Teil hängt dies offenbar mit dem unterschiedlichen Bestellverhalten der Mitgliedsländer zusammen. So kann eine nationale Regierung beispielsweise beschließen, die ausgehandelten Optionen auf zusätzliche Impfstoffe nicht in Anspruch zu nehmen, sodass andere Mitgliedstaaten diese Optionen übernehmen und einen größeren Teil dieses Impfstoffs kaufen können.
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EU: Bis Ende des Sommers sollen alle Erwachsenen geimpft sein
Doch ist nach Angaben von Experten fraglich, ob dabei alles transparent zugegangen ist. Im Raum steht auch bereits der Verdacht, dass Länder auf eigene Faust Verträge mit Herstellern geschlossen haben könnten, was die EU-Kommission am Freitag allerdings zurückwies.
Die Kommission wollte sich auf Anfrage nicht zu den internen Zahlen äußern. Ein Sprecher räumte aber ein, dass es gewisse Abweichungen vom Bevölkerungsschlüssel gebe, abhängig von den Bestellungen der Mitgliedstaaten. Nicht genutzte Kontingente könnten unter anderen Mitgliedstaaten aufgeteilt werden.
Zudem wirkten sich die Lieferschwierigkeiten von Astrazeneca unterschiedlich aus, weil etwa osteuropäische Staaten vor allem dieses sehr preisgünstige Vakzin bestellt hätten und weniger von dem relativ teuren Biontech/Pfizer-Impfstoff. Ziel sei es aber, dass bis Ende des Sommers alle erwachsenen EU-Bürger geimpft sind. Die Daten, die jetzt in Brüssel durchsickern, sorgen aber offenbar bereits in einigen Hauptstädten für Unruhe.
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Kurz fordert mehr Transparenz bei der Beschaffung
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz äußerte am Freitag den Verdacht, es gebe möglicherweise Nebenabsprachen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten und Pharmafirmen. Es gebe Hinweise, dass in dem zuständigen EU-Gremium, dem sogenannten Steering Board zur Vakzinbeschaffung, ein „Basar“ zu Impfstoffen stattgefunden habe. „Es ist eindeutig, dass manche Mitgliedstaaten zu viel, andere zu wenig erhalten haben“, sagte Kurz.
Und so machten Österreich, Tschechien und Slowenien nicht mit, als 19 EU-Staaten Anfang April 2,8 Millionen Dosen Corona-Impfstoff an einige östliche EU-Partner spendeten. Die Ostländer hatten auf den günstigeren Astrazeneca-Impfstoff vertraut - und drohen nun nach Lieferschwierigkeiten mit ihren Impfkampagnen in Verzug zu kommen.