Berlin. Für viele Schüler bedeutet die Pandemie geschlossene Schulen. Wird deshalb das Abitur nun einfacher? Oder gibt es einen Notenbonus?

Es ist ein höflich formulierter Hilferuf. Sehr sachlich zählen zwei Abiturientinnen in ihrer Online-Petition auf, wie ihre Vorbereitung aufs Abitur bislang lief: Wochenlang kein Präsenzunterricht, ausfallende Lernplattformen, schlechte Kommunikation zwischen Lehrkräften und Schülern. „Zu erwarten, dass die Schüler in der Lage sind, ein reguläres Abitur zu schreiben, wäre nicht angemessen“, bilanzieren Henriette Bochmann und Ema Fenikova aus Sachsen.

Sie fordern deshalb eine Verschiebung der Prüfungen und mehr Wahlmöglichkeiten bei den Aufgaben. „Machen Sie uns nicht zu den Verlierern dieser Pandemie“, bitten die Schülerinnen das sächsische Kultusministerium in ihrem Petitionstext. Fast 12.000 Menschen haben schon unterschrieben.

Schule in der Corona-Pandemie: Wenig Präsenzunterricht

Die Sorgen von Bochmann und Fenikova haben derzeit viele Jugendliche, auch in anderen Bundesländern. Schon der Jahrgang, der 2020 seinen Schulabschluss gemacht hat, kämpfte mit Unsicherheit und erschwerten Bedingungen.

Auch interessant:Schulen und Kitas dicht: Die Regelungen für Sonderurlaub

Doch während diese Abschlussklasse immerhin bis März Präsenzunterricht hatte, hat die Pandemie für den Jahrgang, der jetzt die Schulen verlassen wird, mehr als ein ganzes Jahr durcheinander geworfen: Auf den Schulausfall durch den ersten Lockdown folgte ein Herbst, in dem der Betrieb durch frischluft-kalte Klassenzimmer und zahlreiche Quarantäne-Fälle beeinträchtigt wurde.

Kurz vor Weihnachten waren die Schulen wieder ganz zu, obwohl genau das verhindert werden sollte. Auch die Bundesschülerkonferenz fordert deshalb Abschlussprüfungen, die an die Bedingungen des Jahres angepasst sind.

Mehr zum Thema:Corona: Schulen und Kitas bleiben weiter im Lockdown

Bildungsministerin: Vorsicht vor „Corona-Bonus“ in den Noten

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) weiß, dass viele Schülerinnen und Schüler verunsichert sind. „Sie wissen nicht, ob sie sich ausreichend auf die Prüfungen vorbereiten können und auch nicht, ob ihre Abschlüsse als vergleichbar mit denen ihrer Vorgänger angesehen werden“, sagte Karliczek dieser Redaktion. „Wir müssen dafür sorgen, dass auch im Schuljahr 2020/2021 die Bildungsziele so weit wie möglich erreicht werden“, so die CDU-Politikerin.

Anja Karliczek (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, will mit einem Notenbonus vorsichtig sein.
Anja Karliczek (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, will mit einem Notenbonus vorsichtig sein. © dpa | David Hutzler

„Und wir müssen – ebenfalls im Interesse der jungen Leute – sicherstellen, dass die Prüfungen in diesem Jahr in der Bewertung durch Betriebe und Hochschulen gleichwertig zu allen anderen Jahren anerkannt werden.“ Mit der Forderung nach einem „Corona-Bonus“ in den Noten sollte man aber vorsichtig umgehen, findet Karliczek. Das sei eine Frage, die die Länder beantworten müssten.

Sollten die diesjährigen Abiturienten bessere Noten bekommen, um die Härten der Pandemie auszugleichen? Den Vorschlag gab es schon im vergangenen Jahr. Unter den Ländern herrscht Uneinigkeit: Während man sich etwa im Bildungsministerium in Thüringen leichtere Prüfungen vorstellen kann, lehnt Sachsen-Anhalt das ab. Niemand könne ein Interesse haben, Schulabschlüsse zu entwerten, sagte der dortige Bildungsminister Marco Tullner (CDU).

Lesen Sie hier:Richterbund fordert massive Investitionen in Digitalisierung

Was ist, wenn nur einige Länder Noten-Boni vergeben?

Vor allem bei Abiturienten können Nachkommastellen in der Abschlussnote über Karrieren entscheiden: Die Studienplätze sind begrenzt, gerade in den begehrten Fächern sortieren Hochschulen häufig über den Notenschnitt aus. Das wird auch in diesem Jahr nicht anders sein, sagt Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität Berlin und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK).

Eignungstests seien zwar eine gute Ergänzung im Zulassungsverfahren, aber angesichts hoher Bewerberzahlen in beliebten Fächern nicht umzusetzen. „Deswegen wird die Abiturnote weiter der Schwerpunkt-Indikator sein.“ Notenboni wegen Corona dürfe es deshalb nur geben, wenn alle Länder sie umsetzen, sagt Alt: „Wir müssen aufpassen, dass nicht einzelne Länder vorpreschen und Notenboni verteilen, das wäre unfair.“

Kolumne:Lockdown: Die Schule ist der neue Sehnsuchtsort der Teenager

Hochschulen rechnen mit Wissenslücken bei Abiturienten

Doch ob mit Noten-Bonus oder ohne: An den Hochschulen rechnet man damit, dass der diesjährige Jahrgang mit Wissenslücken aus der Schule kommen wird. Damit könnten die Hochschulen aber umgehen, sagt Alt. Schon in den vergangenen Jahren hätten sie Brückenkurse vor der eigentlichen Vorlesungszeit angeboten, vor allem im Problemfach Mathematik. Das werde in diesem Jahr wahrscheinlich ausgebaut.

Lesen Sie hier:Corona: Diese schärferen Regeln gelten jetzt für Kinder

„Da werden die Hochschulen Anfang des nächsten Wintersemesters verstärkt Angebote machen“, sagte Alt. Der HRK-Präsident appelliert an den Abiturjahrgang, nicht zu verzagen: „Vertraut darauf, dass ihr etwas gelernt habt in den letzten elf Jahren, lasst euch von den aktuellen Widrigkeiten nicht demotivieren.“

Ende Januar beraten die Kultusminister über das Abitur 2021

Bei der Kultusministerkonferenz (KMK) geht man derzeit noch davon aus, dass die Abiturprüfungen wie geplant stattfinden können. „Wir haben im letzten Jahr bei geschlossenen Schulen das Abitur durchgeführt und die Abstände und Hygieneregeln gewahrt“, sagte Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), die am Donnerstag offiziell den Vorsitz im Gremium übernimmt. Man werde auch in diesem Jahr alles dafür tun, dass es stattfindet.

Doch neben Plan A erörtere die KMK auch B und C. „Wenn das Infektionsgeschehen uns im Februar, März und vielleicht April noch so im Griff hält, dass der Präsenzunterricht sehr eingeschränkt ist, werden wir über Modifikationen nachdenken“, sagt Ernst.

So sei etwa in Berlin und Brandenburg bereits entschieden worden, dass Schulen für die Abiturprüfungen eine Aufgabe mehr bekommen – um auswählen zu können, was auch behandelt wurde. Die Standards des Abiturs würden aber nicht in Frage gestellt. Ende des Monats wollen die Kultusminister beraten, wie die Prüfungen in diesem Jahr ablaufen sollen.