Washington. Am 20. Januar muss Donald Trump gehen. Er hinterlässt Joe Biden eine Nation, die Jahre brauchen wird, um wieder zusammenzuwachsen.

  • Am 20. Januar endet die Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident, dann wird Joe Biden vereidigt
  • Auf den neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten warten große Aufgaben
  • Denn Trump hinterlässt viel verbrannte Erde und einen Trümmerhaufen. Wir zeigen, was Biden erwartet

Drei Wochen vor dem Regierungswechsel in Washington schäumt der scheidende Präsident Donald Trump vor Wut. Er twittert über angebliche Wahlmanipulation und beschimpft seinen Nachfolger Joe Biden als "Fake President". Am ersten Weihnachtstag beschwerte sich Trump auf dem Rückweg vom Golfplatz zu seinem Feriensitz Mar a Lago darüber, dass Ehefrau Melania, "die eleganteste First Lady in der Geschichte der Nation", nicht die Titelseiten von Modemagazinen geziert habe, Michelle Obama diese Ehre aber ein Dutzend Mal zuteil wurde.

Was bleibt von Donald Trump?

Alles skurrile Auswüchse der wachsenden Frustration darüber, dass es Trump nicht gelang, das Wahlergebnis zu kippen und er am 20. Januar gehen muss. Während sicher ist, dass ab dem Tag die neuen Bewohner der 1600 Pennsylvania Avenue im Herzen Washingtons Joe und Dr. Jill BIden heißen werden, fragen sich viele Amerikaner: "Was bleibt von Donald J. Trump?"

Donald Trump hinterlässt eine tief gespaltene Nation

Was bleibt also von seinem provokativen, bombastischen und restlos egozentrischen Regierungsstil, seinen Entgleisungen und persönlichen Attacken, dem ständigen Unterlaufen der Demokratie und des Rechtsstaats? Der 45. Präsident hinterlässt seinem Nachfolger sowie einer ganzen Generation von Amerikanern eine tief gespaltene Nation.

Er vererbt Biden zudem einen politischen Trümmerhaufen und hat in der Gesellschaft Wunden aufgerissen, die Jahre brauchen werden, um zu verheilen. Dabei hatte alles scheinbar harmlos begonnen. Im Juni 2015 entstieg ein strahlender Donald J. Trump in Begleitung von Ehefrau Melania der Rolltreppe, die in das Atrium seines gold verzierten Wolkenkratzers Trump Tower führt. Wenige Minuten später sprach er vor einem kleinen Publikum, das größtenteils aus Touristen und Mitarbeitern der Trump Organisation bestand, die Worte: "Ich bin hier, um meine Kandidatur für die amerikanische Präsidentschaft zu verkünden."

Die Anwesenden quittierten den Auftritt mit höflichem Applaus, doch Politiker in Washington ebenso wie fast alle führenden Medienorganisationen mokierten sich über das lächerlich anmutende Ansinnen des Selbstdarstellers Trump. Während seiner Rede schimpfte er über die herkömmliche Politik, über unfaire Handelspraktiken und über "Mexiko, das uns nicht seine besten Leute schickt, sondern Mörder und Vergewaltiger". Deswegen werde er entlang der über 3.000 Kilometer langen Grenzen eine Mauer bauen, um die drohenden "Karawanen illegaler Einwanderer", vor denen er später warnte, fernzuhalten.

Trotz Dutzender Schlappen vor Gericht macht der amtierende US-Präsident Donald Trump weiter mit dem Kampf gegen seine Niederlage bei der Präsidentschaftswahl.
Trotz Dutzender Schlappen vor Gericht macht der amtierende US-Präsident Donald Trump weiter mit dem Kampf gegen seine Niederlage bei der Präsidentschaftswahl. © dpa | Patrick Semansky

Selbst konservative Republikaner wie die Senatoren Lindsey Graham und Ted Cruz, die sogar heute noch dem Präsidenten nach dem Mund reden, geißelten ihn damals als "inkompetent" und "unmoralisch". Unterschätzt hatten sie und andere aber, dass der Immobilienunternehmer und Fernsehstar ganz bewusst als Außenseiter angetreten war, der das Gegenteil von ihnen verkörperte, also des politischen Establishment.

Sein hemdsärmeliger Stil, der freche und unfältige Umgangston sprachen Millionen von Mitbürgern an, die bis dahin dem Gebot der politischen Korrektheit gefolgt waren und es nicht wagten, sich zu Wort zu melden. Diese Wählerschicht, die sich im November dieses Jahres in jenen 74 Millionen Stimmen niederschlug, die Trump trotz seiner Niederlage für sich verbuchen konnte, hat er mobilisiert und für sich gewinnen können, 2016 und in noch größerem Umfang bei der jüngsten Wahl.

Er hat eine Bewegung in Gang gesetzt, die politischen Konventionen trotzt, in der persönliche Beleidigungen salonfähig wurden, unterdrückter Rassismus freigesetzt wird und absurde Verschwörungstheorien plötzlich druckreif sind. "Dieser Trumpismus wird uns weiter begleiten, der wird Bestand haben, auch ohne Trump als Präsident", sagt der demokratische Stratege Paul Begala, der seinerzeit ein leitender Berater von Präsident Bill Clinton war.

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Das wiederum hat einen hohen Preis. Die Trumpies folgen nämlich blindlings den abstrusen Behauptungen des Präsidenten, dass ihm die Wahl gestohlen worden sei. Sie leben in einer Welt "alternativer Fakten".

Ein Begriff, der von Trump Beraterin Kellyanne Conway stammt. Sie hatte damit erklären wollte, warum Satellitenbilder vor vier Jahren eindeutig der Behauptung des neuen Präsidenten widersprachen, dass das Publikum bei seiner Inauguration deutlich größer als die Besucherzahl bei Barack Obamas Amtseinführung gewesen sei.

Auch die "alternativen Fakten", die in rechtsgerichteten Online-Medien wie Breitbart und Infowars.com kolportiert werden, werden weiterleben. Das wiederum reißt eine tiefe Kluft auf zwischen jenen mehr als 80 Millionen US-Bürgern, die zu Recht Biden als legitimen Wahlsieger anerkennen und jenen, die der Überzeugung sind, dass ihr Held Trump Opfer eines massiven Betrugs gewesen sei.

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Dieses gegenseitige Misstrauen hat nicht nur Beziehungen, Freundschaften und selbst Ehen zwischen Andersdenkenden gestört. Es hat einen der Eckpfeiler der weltgrößten Demokratie ins Wanken gebracht, nämlich den Pluralismus in der Gesellschaft. Die Fähigkeit zur friedlichen Koexistenz verschiedener Meinungen und Weltanschauungen gehört für viele Amerikaner der Vergangenheit an.

Aus der Sicht von Trumps glühendsten Anhängern verbreiten die "New York Times", "Washington Post" und der Nachrichtensender CNN nämlich selbst dann "Fake News", wenn sie objektiv unwiderlegbare Fakten wiedergeben. Seine Gegner hingegen verachten und behandeln die Trumpies wie Mitglieder eines Kults, die blindlings ihrem narzisstischen Führer folgen. Die an abenteuerliche Verschwörungstheorien glauben, wonach Biden ein Pädophiler sei und der "Deep State" die Wahl manipuliert habe, um den Demokraten in den Chefsessel im Weißen Haus zu hieven.

USA: Demokratie hat zwar bemerkenswerte Resistenz bewiesen

Dieses gegenseitige Misstrauen wird auch weiter Bestand haben, wenn der 45. Präsident das Weiße Haus verlassen hat. Trump hat hunderte von Dekreten erlassen, Betrüger und Kriegsverbrecher begnadigt, sich mit einem ständig rotierenden Kabinett an Ja-Sagern und Handlangern umgeben, sich sowie seine Familie am Amt persönlich bereichert und vor allem eine Pandemie ignoriert, die über 330.000 Menschenleben forderte. Das alles wird relativ schnell der Vergangenheit angehören. Nicht aber sein unermüdliches Bestreben, die Nation zu spalten, Hass zu schüren, latente, rassistische Strömungen zu mobilisieren und ernsthafte Zweifel an der Demokratie zu säen.

Die Demokratie hat zwar bemerkenswerte Resistenz bewiesen. Das schlägt sich etwa in der reibungslosen Auszählung der Stimmen nach der Wahl und der Weigerung der Gerichte nieder, Trumps lächerlichen Klagen stattzugeben. Gleichzeitig hat die US-Demokratie aber schweren Schaden genommen, und es wird mehr als nur einer Integrationsfigur wie Joe Biden bedürfen, um das Vertrauen in den amerikanischen Rechtsstaat wiederherzustellen.