Athen. Griechenland will sich mit Kunststoff-Barrieren im Meer vor Migranten abschotten. Die Zahl der Flüchtlinge stieg zuletzt deutlich.
Griechenland hat ungewöhnliche Pläne, um Migranten davon abzuhalten, aus der Türkei überzusetzen. Schwimmende Barrieren aus Kunststoff sollen im Meer platziert werden.
Zunächst sei ein Versuch geplant, sagte Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos. „Wir wollen sehen, ob das funktioniert und wo und ob es eingesetzt werden kann“, sagte Panagiotopoulos im Nachrichtensender Skai am Donnerstagmorgen.
Griechenland: Barrieren gegen Flüchtlinge – das sagen Kritiker
Die griechische Presse verglich die geplanten Absperrungen technisch mit den Barrieren gegen Ölteppiche im Meer. Die Ausschreibungen waren am Vortag auf der Homepage des Verteidigungsministeriums veröffentlicht worden. Beobachter in Athen bezweifelten, dass die Barrieren Schleuser und Migranten davon abhalten könnten, die griechischen Küsten zu erreichen.
Die konservative griechische Regierung hat in den vergangenen Monaten das Asylverfahren beschleunigt. Sie will 1200 neue Grenzpolizisten einstellen und baut geschlossene Registrier- und Abschiebelager auf den Inseln im Osten der Ägäis.
Migration aus der Türkei hat deutlich zugenommen
Eigentlich dürften gar keine Migranten illegal auf dem Seeweg von der Türkei nach Griechenland kommen. Denn die Europäische Union hat mit der Türkei eine Vereinbarung geschlossen, die Ankara verpflichtet, Migranten und ihre Schleuser abzufangen. Außerdem muss die Türkei Migranten ohne Asylanspruch zurücknehmen.
Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) hatte 2019 die Zahl der Migranten, die illegal aus der Türkei nach Griechenland kamen, deutlich zugenommen. Waren es 2018 gut 50.500 Menschen gewesen, so kamen im vergangenen Jahr gut 74.600 aus der Türkei. Für 2020 rechnet Griechenland mit 100.000 neuen Flüchtlingen.
Experte hat Zweifel daran, wie sinnvoll schwimmende Barrieren sind
Fraglich ist, ob schwimmende Sperren daran etwas ändern. „Ich kann nicht genau verstehen, wie diese Barrieren die Migranten daran hindern sollen, nach Griechenland zu kommen“, sagte ein Offizier der Küstenwache der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa). Denn wenn die Migranten die Barrieren erreichten, seien sie in griechischen Hoheitsgewässern und müssten gemäß dem Seerecht gerettet und aufgenommen werden.
Außerdem verweist der Sprecher des UNHCR in Athen, Boris Cheshirkov auf die Pflicht Griechenlands, die Menschenrechte zu achten. Griechenland habe das legitime Recht, seine Grenzen so zu kontrollieren, „wie das Land es für richtig hält“, sagte er der dpa. „Dabei müssen aber die Menschenrechte geachtet werden. Zahlreiche Migranten, die aus der Türkei nach Griechenland übersetzen, sind nämlich Flüchtlinge.“
Linken-Politiker kritisiert: „Barrieren gegen Menschenrechte“
Darauf weist auch die deutsche Linke hin. „Das sind Barrieren gegen die Menschenrechte“, erklärte Michel Brandt, Obmann im Ausschuss für Menschenrechte des Bundestages. „Statt Schutzsuchenden zu helfen, bauen die EU-Mitgliedstaaten mit Hilfe ihres Militärs schwimmende Mauern.“ Die Linke forderte die Bundesregierung auf, „wenigstens die unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten aufzunehmen“.
In Athen wird der Barrierebau auch als innenpolitisches Manöver angesichts der wachsenden Unzufriedenheit über die Entwicklung der Einwanderung gewertet. Für Regierungschef Kyriakos Mitsotakis bringt der beständige Zustrom von Menschen politische Kosten.
Mehr zum Thema: Die aktuelle Lage in Griechenland
Die konservative Regierung will dem Trend mit zahlreichen Maßnahmen begegnen, was von der linken Presse als „Aktivismus“ gewertet wird. Mitsotakis ließ das Asylverfahren beschleunigen, stellt 1200 neue Grenzpolizisten ein, baut geschlossene Registrier- und Abschiebelager auf den Ägäis-Inseln und brachte mehr als 10 000 Migranten mit guten Asylaussichten zum Festland. Die neuen Grenzpolizisten sollen aus den Grenzregionen stammen. Damit gebe er 1200 jungen Inselbewohnern eine gute und sichere Arbeit, lobte die Athener Presse.
Die Registrierlager auf den Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos sind für nur rund 7500 Menschen gebaut und heillos überfüllt. Die Menschen leben dort unter miserablen Bedingungen. Unser Reporter war vor Ort: Flüchtlingslager Lesbos: Kinder im Dreck und Mütter in Angst.
(dpa/cho)