Berlin. Alle drei Tage stirbt eine Frau in Deutschland durch häusliche Gewalt. Die Regierung tut zu wenig dagegen, so der Vorwurf der Grünen.

Anruf bei der Polizeiwache: „Ich habe gerade meine Frau getötet.“ Es ist der 25. November 2019 in Essen, aber es könnte überall sein und jeden Tag passieren. Im Jahr 2018 kamen in Deutschland 141 Frauen durch häusliche Gewalt zu Tode.

„Es ist schon bestürzend, dass alle zwei, drei Tage in Deutschland Frauen durch häusliche Gewalt ums Leben kommen“, sagte die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic unserer Redaktion. In 123 Fällen war der Täter der eigene Ehemann, der Partner oder der Ex. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen zurück.

Häusliche Gewalt: Meist ist der (Ex-)Partner der Täter

Die Familie ist eine Idylle, sie gilt als Hort der Geborgenheit, auch der Sicherheit, sie ist der Bereich, so Grünen-Innenpolitikerin Mihalic, „in dem viele meinen, sicher zu sein“. Aber nicht sind. Der Filter, den das Bundeskriminalamt (BKA) seinen Statistiken vorstellt, lautet „in gemeinsamen Haushalt lebend“. 2018 zählte die Behörde hier 131 weibliche Opfer durch vorsätzliche Tötungsdelikte, dazu neun Körperverletzungen und eine Vergewaltigung jeweils mit Todesfolge.

Über ein Drittel aller getöteten Frauen (333) fielen Beziehungstaten in der Familie zum Opfer, „weit über ein Drittel aller getöteten Frauen“, rechnet die frühere Polzeibeamtin vor. Die Familie als Tatort – das gilt für die unterschiedlichsten Delikte: In 38 Prozent der Fälle von gefährlicher oder schwerer Körperverletzung, in 61 Prozent von Freiheitsberaubung und in 40 Prozent der Geiselnahmen von Frauen ist der Tatverdächtige der (Ex-)Partner oder ein Verwandter. Schon im vergangenen Jahr verzeichnete das BKA mehr Fälle häuslicher Gewalt.

Gewalt gegen Frauen: Verschläft die Bundesregierung das Thema?

Grünen-Politikerin Mihalic hatte nach einer Analyse gefragt, sie hat auf Muster und Erklärungen gehofft. Die Bundesregierung aber schien überfragt – bekommen hat die Parlamentarierin aus Gelsenkirchen dann lange Zahlenkolonnen und Verweise auf Kampagnen, Hilfstelefone, „Runde Tische“ („gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“) und Förderprogramme für Frauenhäuser.

Kunst prangert Gewalt gegen Frauen an

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    Mihalic hat das Gefühl, dass die Bundesregierung bei ihrer Analyse häuslicher Gewalt „noch nicht sehr weit“ sei. „Hier gibt es dringenden Nachholbedarf.“

    In ihrer Anfrage rufen die Grünen die Politik dazu auf, sich „intensiver mit dem Phänomen schwerer und schwerster Straftaten in Partnerschaft und Familie zu befassen. In der Öffentlichkeit sei das „erstaunlicherweise immer noch unterbelichtet“. Selbst das BKA hat zum Teil noch ein Analysedefizit. Erst in diesem Jahr hat das BKA begonnen, in seiner Opferstatistik zu erfassen, wie stark jemand bei einem Verbrechen verletzt wird. Bis 2019 war es ein blinder Fleck.