Berlin. Immer wieder gibt es Schlagzeilen über tödliche Verkehrsunfälle mit Radfahrern und Fußgängern. Die Bundesregierung will gegensteuern.

Die Bundesregierung will schwere Unfälle, bei denen Fußgänger und Radfahrer verletzt oder getötet werden, verhindern. Das Mittel dazu: Tempo 30 in Städten. Doch damit die Koalition aus Union und SPD überhaupt tätig wird, wählt sie selbst einen Kunstgriff.

„Radverkehr ist umweltschonender als der Individualverkehr mit Pkw und entspannt die angespannte Verkehrssituation in vielen Innenstädten“, sagt die SPD-Verkehrspolitikerin Kirsten Lühmann. Mehr Radverkehr habe aber nur Sinn, wenn es nicht zu einem überproportionalen Anstieg von Verkehrsunfällen komme – deshalb habe man Änderungen vorgeschlagen.

Doch wie soll der Vorschlag Realität werden? CDU/CSU und SPD wollen, dass die Parlamentarier an diesem Freitag einem Antrag zustimmen, der die Bundesregierung auffordern würde, mehr für sicheren Radverkehr zu tun – obwohl Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bereits die Straßenverkehrsordnung ändern will.

Bundesregierung will noch weitergehen als die Reform des Verkehrsministers

Die Koalitionsfraktionen wünschen sich aber noch ein paar Ergänzungen. Unter anderem soll getestet werden, wie der Verkehr aussehen würde, wenn innerorts generell nur noch Tempo 30 erlaubt wäre und Tempo 50 auf Hauptverkehrsstraßen eigens angeordnet werden müsste.

Auch Tempo-30-Zonen in Wohngebieten gingen auf ein Modellprojekt von 1983 zurück, argumentiert CDU-Verkehrspolitiker Ulrich Lange. Man müsse offen sein, um zu sehen, wie sich das tägliche Miteinander aller Verkehrsteilnehmer auswirke.

Die Verkehrsmenge auf Straßen, bei denen vorher Tempo 50 erlaubt war, könnte dadurch erheblich sinken, geht aus einer Untersuchung des Autoclubs ADAC hervor. Fürsprache kommt vom Fahrradverband ADFC, der sich nach eigenen Angaben seit längerem für ein allgemeines Tempo-30-Limit in Städten einsetzt. „Grundsätzlich sollte gelten: Sicherheit für alle vor Tempo für einige“, heißt es vom Verband.

Dass Tempo 30 der große Wurf für Fahrradfahrer wäre, bezweifelt der Leiter der Unfallforschung der Versicherer, Siegfried Brockmann. Man könne davon ausgehen, dass Autofahrer dann mit etwa 40 unterwegs wären, aber: Schon heute seien nur bei 11 Prozent der Fahrradunfälle mit Personenschaden Auto oder Lastwagen mehr als 40 km/h schnell.

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    Das liege unter anderem daran, dass die meisten Unfälle beim Abbiegen passierten. „Allerdings wäre es mal einen Großversuch wert - zum Beispiel in einer ganzen Kommune“, meint Brockmann.

    „Entscheidend wäre eine bessere Infrastruktur“, meint Unfallforscher Brockmann. Dazu gehöre, dass es vor Kreuzungen keine Sichthindernisse wie parkende Autos zwischen Radlern und Autos gebe. Zudem brauche man getrennte Grünphasen für Fahrräder und Kfz. Denn Unfälle wie der Anfang Januar in Berlin-Kreuzberg passierten oft. „Der Radfahrer wird vor allem beim Abbiegeunfall verletzt und getötet“, so der Experte. (dpa/ac)