Osnabrück. „Supergeil“ ist „superdreist“, kritisiert Bundesentwicklungsminister Müller. Er fordert existenzsichernde Löhne in Dritte-Welt-Ländern.

Zahlreiche Supermarkt-Ketten und Einzelhändler werben nach wie vor mit günstigen Preisen, häufig von Produkten, die aus Dritte-Welt-Ländern kommen. Daran regt sich kurz vor Beginn der Grünen Woche deutliche Kritik.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat den Einzelhandelsketten in einem Interview „unmoralische“ Geizkampagnen vorgeworfen: „2,88 Euro für 500 Gramm Kaffee, das ist auf Dauer nur durch Ausbeutung der Erzeuger möglich. ,Supergeil’ ist dann nur noch superdreist und superunmoralisch“, sagte Müller mit Blick auf eine gerade laufende Kampagne von Edeka der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ).

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller fordert faire Lieferketten

Hintergrund der Kritik: Sieben führende Einzelhandelskonzerne, darunter Aldi, Edeka und Rewe, wollen am Freitag auf der Landwirtschaftsmesse im Beisein Müllers eine Selbstverpflichtung unterschreiben, mit der sie Erzeugern in Dritte-Welt-Ländern „existenzsichernde Preise“ für Mangos, Bananen oder Kaffee garantieren. Damit sollen sie Verantwortung für faire Lieferketten übernehmen.

„Ich freue mich, dass im Lebensmittelhandel Bewegung ist“, sagte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) unserer Redaktion mit Blick auf die Selbstverpflichtung von Aldi, Lidl, dm und Co. „Damit erkennen die Handelsketten ihre Verantwortung für die Menschen an, die in ihren Lieferketten arbeiten. Das ist ein wichtiger erster Schritt für echte Fortschritte.“

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    Das sei zwar „ein wichtiger Schritt“, sagte Müller der NOZ, fügte aber sogleich hinzu: „Die Kampfpreise, mit denen mancher Lebensmittelhändler in diesen Tagen wirbt, lassen mich am Problembewusstsein zweifeln.“ Er fügte die Drohung an: „Für eine Schauveranstaltung bin ich nicht zu haben.“

    Um Lieferketten „auf eine wirklich faire Grundlage“ zu stellen, wolle er deshalb mit dem Einzelhandel „eine Mindestpreisschwelle beim Einkauf von Bananen in Ecuador oder Kakao in Ghana“ vereinbaren.

    „Nirgendwo in Europa so extremer Preiskampf wie in Deutschland“

    Zusätzlich müsse „die Beweiskette umgedreht werden: Wer mit Dumping-Angeboten lockt und Bananen für 88 Cent oder ein Pfund Kaffee für 2,88 Euro verkauft, wird dem Kunden künftig beweisen müssen, dass da keine Kinderarbeit drinsteckt. Geizhandel führt zu Verarmung, weil den Entwicklungsländern so Milliarden an Wertschöpfung entzogen werden“, begründete Müller seinen Vorstoß.

    Für Landwirte in den Entwicklungsländern sei die Lage „um ein Vielfaches dramatischer“ als für Deutschlands Bauern, ergänzte Müller und erläuterte: Die Produzenten erhielten 50 Cent für ein Pfund Kaffeebohnen, 14 Cent für ein Kilo Bananen oder 7 Cent für eine Tafel Schokolade.

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      „Die Folge ist klar: Für die Billigbananen bei uns werden dort Sklavenlöhne gezahlt, sodass dort Kinder arbeiten müssen, damit die Familien überleben.“ Verweise, in anderen EU-Ländern sei es nicht anders als in Deutschland, lässt der Minister nicht gelten. „Nirgendwo in Europa findet so ein extremer Preiskampf bei Lebensmitteln statt wie in Deutschland. Unsere Nahrung muss uns etwas wert sein.“ (les)