Estorf. Bürgermeister Arnd Focke aus Estorf in Niedersachsen gab sein Amt wegen rechtsextremer Drohungen auf. Den Feinden reicht das nicht.

Der Druck wurde zu groß, seine Kraft reichte nicht, um die Drohungen einfach wegzustecken. Arnd Focke ist vor wenigen Tagen von seinem Amt als Bürgermeister in der Gemeinde Estorf bei Nienburg (Niedersachsen) zurückgetreten. Doch offenbar ist das seinen Feinden nicht genug. Focke wird weiter bedroht.

Der Sozialdemokrat geht offensiv damit um, zeigt bei Facebook, wie er es nennt, „Fanpost“. Zu sehen sind in zwei Posts ein in ein Holzbrett vor seinem Haus geschnitztes Hakenkreuz sowie ein Brief. Der anonyme Absender hat einen Artikel über Focke aus der Zeitung ausgeschnitten und ein Fadenkreuz auf das Foto im Artikel gemalt – genau auf das Gesicht des Empfängers.

Seinen Angaben zufolge hat in beiden Fällen der Staatsschutz die Ermittlungen aufgenommen. „Ich habe mich für Öffentlichkeit entschieden und mache das konsequent weiter“, sagte er der in Hannover erscheinenden „Neuen Presse“. Von der Polizei war zunächst keine Stellungnahme zu den jüngsten Drohungen zu bekommen.

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Bürgermeister Focke trat zum Jahresende zurück – nach rechtsextreme Drohungen

Ende 2019 wurden die Drohungen gegen Focke so offensiv, dass er sich entschied, von seinem Amt als Bürgermeister zurückzutreten. „Wir vergasen dich wie die Antifa“ stand auf einem Zettel, der an ihn gerichtet war. Sein Privatauto sei mit Hakenkreuzen verunstaltet worden, zudem seien Zettel mit Drohungen in seinen Briefkasten geworfen worden, sagte Focke (SPD).

Zum 31. Dezember 2019 habe er daher sein Amt nach acht Jahren niedergelegt. Beide Vorfälle habe er zudem beim Staatsschutz angezeigt. Bundesaußenminister Heiko Maas äußerte sein Bedauern über den Rücktritt.

„Wenn Kommunalpolitiker, die sich vor Ort ehrenamtlich für unser Gemeinwesen engagieren, in den Rücktritt getrieben werden, ist das beschämend für unsere Demokratie. Das dürfen Rechtsstaat, Politik und Zivilgesellschaft nicht tatenlos hinnehmen“, schrieb der SPD-Politiker zu einem Bericht über Fockes Rückzug auf Twitter.

„Es geht um den Schutz meiner Familie und die Beschädigung des Amtes“, sagte Focke. „Die Entscheidung hat wehgetan, aber sie war richtig.“

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Rechtsextreme Übergriffe auf Bürgermeister: Staatsschutz ermittelt nach Rücktritt Fockes

Die Grünen-Fraktionschefin im Landtag, Anja Piel, nannte den Rücktritt „ein schlimmes Signal für eine wehrhafte Demokratie“. SPD-Fraktionschefin Johanne Modder erinnerte auch an die Anfeindungen gegen Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay und sagte: „Wir müssen diesen schrecklichen Auswüchsen entschieden entgegentreten und klare Kante gegen jede dieser bedrohlichen Erscheinungsformen zeigen.“

Die Polizei bestätigte, dass Focke am 2. Januar Anzeige erstattet habe. Der Staatsschutz ermittelt demnach wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie Volksverhetzung. Es gehe um Tatvorwürfe ab Mitte Dezember. Der Präsident der Polizeidirektion Göttingen, Uwe Lührig, verurteilte die Taten und sprach von „feigen Übergriffen“.

„Es ist absolut inakzeptabel, dass die Feinde unserer Demokratie unter dem Deckmantel der Anonymität gegen politisch engagierte Menschen und Amtspersonen hetzen, sie bedrohen oder gar angreifen“, sagte Lührig. Mit Blick auf den oder die Täter stehe die Polizei noch am Anfang der Ermittlungen, hieß es weiter. Da in Estorf in der Vergangenheit keine polizeilich relevanten rechten Aktivitäten bekannt geworden seien, sei die Motivlage „völlig spekulativ“.

Cem Özdemir- Gefährliche Morddrohung gegen den Grünen

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    Arnd Focke bekam schon früher nächtliche Anrufe

    Nach eigenen Angaben war der 48 Jahre alte Focke allerdings schon früher zur Zielscheibe Rechtsextremer geworden – unter anderem, weil er als Bürgermeister in der Flüchtlingshilfe aktiv gewesen sei. „Da gab es immer wieder mal nächtliche Anrufe. Aber dem habe ich mich gewappnet gesehen“, sagte er. Die neuen Vorfälle hätten jedoch eine andere Dimension. „Das war jetzt einfach zu viel. Das wurde zu persönlich und zu direkt.“

    Bei der Aufarbeitung verlasse er sich auf den Rechtsstaat, sagte Focke weiter. Er selbst brauche erst einmal ein paar Monate Pause. Er wolle sich aber weiter gegen Rechtsextremismus positionieren. Im November hatte bereits der Rückzug der Bürgermeisterin der sächsischen Gemeinde Arnsdorf, Martina Angermann, für Aufsehen gesorgt. Die SPD-Politikerin beantragte nach monatelanger Hetze die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand.

    Auch Bundespolitiker erhielten in den vergangenen Monaten Todesdrohungen aus dem rechtsextremen Spektrum, darunter die Grünen-Politiker Claudia Roth und Cem Özdemir.

    Am Dienstag wurde zudem bekannt, dass der Bürgermeister einer Kommune im Rheinland sich zum Schutz vor Rechtsextremisten bewaffnen will. Weil ihm die Polizei die Erlaubnis für einen Waffenschein verweigerte, klagt der Mann vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht. Er führt an, aus dem rechten Spektrum bedroht zu werden.

    NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte dazu, er persönlich halte nichts davon, wenn sich Mandatsträger bewaffnen.

    Niedersachsens Ministerpräsident warnt vor rechtsextremen Tendenzen

    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich in den vergangenen Monaten mehrfach demonstrativ hinter Kommunalpolitiker gestellt, die Opfer von Anfeindungen und Angriffen wurden. So besuchte er im Dezember die Bürgermeisterin der sächsischen Kleinstadt Pulsnitz. Zuvor hatte Steinmeier nach der Ermordung des Kasseler CDU-Politikers Walter Lübcke im Juni 2019 – vermutlich durch einen Rechtsextremen – von einem „Alarmzeichen für unsere Demokratie“ gesprochen.

    Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil warnte am Montag vor rechtsextremen Tendenzen und nannte den Fall in Estorf dabei als aktuelles Beispiel. „Unser Verständnis von Demokratie steht weltweit unter Druck, und es steht auch in unserem eigenen Land unter Druck“, sagte der SPD-Politiker beim Epiphanias-Empfang der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers im Kloster Loccum.

    Wegen zunehmender Anfeindungen und Bedrohungen schult die Polizei in Niedersachsen Vertreter der Kommunalpolitik und Verwaltung seit September vergangenen Jahres im Rahmen einer landesweiten Informationskampagne. Betroffenen werden unter anderem konkrete Ansprechpartner in den Sicherheitsbehörden genannt.

    Einen besseren Schutz von Bürgermeistern vor Übergriffen forderte im Herbst der niedersächsische Städtetag. Dem schloss sich nun der niedersächsische Städte- und Gemeindebund an.

    „Amts- und Mandatsträger dürfen nicht Opfer von Hass- und Bedrohungskampagnen werden“, sagte der Sprecher des Städte- und Gemeindebundes, Thorsten Bullerdiek, am Dienstag. Staatsanwälte etwa müssten geschult werden, wie Beleidigungen und Bedrohungen von Amts- und Mandatsträgern angemessen verfolgt werden können. (mbr/ses/dpa)