Berlin/Friedrichskoog. Lange verschwundene Wölfe sollen geschützt werden – es gibt aber immer noch Attacken auf Nutztiere. Können neue Regeln Konflikte lösen?

Der Bundestag hat den Abschuss von Wölfen deutlich erleichtert, um Schafe und andere Nutztiere damit besser zu schützen. Gegen die Stimmen der gesamten Opposition verabschiedete der Bundestag am Donnerstag ein entsprechendes Gesetz, auf das sich die große Koalition nach monatelangem Ringen verständigt hatte.

Kurz zuvor hatten in Schleswig-Holstein wütende Schäfer Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) mit 18 toten Schafen und Beschimpfungen empfangen. Auf einer Kundgebung in Friedrichskoog im Kreis Dithmarschen forderten sie einen effektiven Schutz ihrer Herden. Selbst sogenannte wolfssichere Zäune schützten ihre Tiere nicht vor Attacken, erklärten Schäfer.

Abschüsse solange erlaubt, bis keine Attacken mehr gibt

„Die Neuregelung zeigt, dass wir berechtigte Sorgen der Bevölkerung und die Interessen der Weidetierhaltung ernst nehmen“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Der CDU-Abgeordnete Hermann Färber sagte im Bundestag, bei 639 Übergriffen von Wölfen im vergangenen Jahr seien bundesweit 2067 Nutztiere gerissen worden.

„Deshalb ist es höchste Zeit, dass wir den Weidetierhaltern in Deutschland wieder eine Perspektive zum Schutze ihrer Tiere bieten.“ Für die Neuregelungen stimmten in namentlicher Abstimmung 361 Abgeordnete, 275 Parlamentarier lehnten sie ab.

In Zukunft ist ein Abschuss auch dann möglich, wenn unklar ist, welcher Wolf genau zum Beispiel eine Schafherde angegriffen hat. Es dürfen so lange Wölfe in der Gegend geschossen werden, bis es keine Attacken mehr gibt - auch wenn dafür ein ganzes Rudel getötet wird.

Trotzdem versicherte der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Träger: „Es wird kein unkontrolliertes Rudelschießen geben.“ Tatsächlich ist vorgesehen dass jeder weitere Abschuss von den Behörden der Ländern einzeln genehmigt werden muss.

In Friedrichskoog brüllte auf der Kundgebung immer wieder jemand: „Der Wolf muss weg.“ Besonders betroffen ist Schäfer Knut Jäger. Der Wolf habe am Sonnabend in seiner Herde gewütet: Drei Schafe tot. Dreieinhalb Stunde musste er auf den Rissgutachter warten, der die Wolfattacke dokumentieren muss, wie er sagte. Sonst gibt es kein Geld.

Schleswig-Holstein im Austausch mit Brüssel

Am nächsten Tag entdeckte er erneut in einer Herde drei tote Schafe. „Und wieder dreieinhalb Stunden warten. Und das war Sonntag. Mein Enkel hatte Taufe, Herr Minister. Und ich konnte nicht teilnehmen“, rief er mit tränenerstickter Stimme. Montag und Dienstag habe er die nächsten blutigen Kadaver mit zerfetzten Kehlen gefunden. „Da sind Lämmer drin“, schluchzte er. „Das ist meine Existenz. Ich weiß gar nicht mehr, wie es weiter gehen soll.“

Als Minister Albrecht auf die Ausgleichszahlungen verwies, wurde er sofort unterbrochen, „Wir wollen kein Geld, sondern keinen Wolf“, rief ein Schäfer. „Wenn der Wolf mal ein Schaf holen würde, damit können wir leben. Aber das ist kein Wolf, sondern ein Problemwolf.“ Albrecht betonte, das Problem könne man nur miteinander und nicht gegeneinander bewältigen.

„In dem Moment, wo die Entnahme rechtlich möglich ist, werden wir sie auch durchführen“, sagte der Minister. Schleswig-Holstein stehe mit Brüssel im Austausch über die Regeln zur Entnahme von Problemwölfen im deichnahen Bereich. Die EU-Kommission müsse sich damit auseinandersetzen, dass Schleswig-Holstein an der Westküste und an den Deichen eine wirkliche Problemlage habe.

Nach Angaben des Umweltministeriums hatte es in den vergangenen Tagen im Kreis Dithmarschen mehrfach Risse von Schafen „bei vornehmlich einem Schafhalter“ im Bereich der Gemeinden St. Michaelisdonn, Kuden und Buchholz gegeben. Dabei wiesen Experten in drei Fällen einen Wolf mit der Kennung „GW1430m“ als Verursacher nach.

Bis auf einen erfolgten demnach alle Risse auf Flächen, auf denen keine sogenannten wolfssicheren Zäune standen. Erst nach mehrfacher Aufforderung wurden dort nach Ministeriumsangaben erste Herdenschutzzäune aufgestellt. Danach habe es dort keine weiteren Risse gegeben.