Berlin. Die SPD hat mit Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken eine neue Führung – ein überzeugender Neuanfang allerdings sieht anders aus.

Ein derart anstrengendes Verfahren zur Kür einer neuen SPD-Spitze gab es noch nie: 23 Regionalkonferenzen, über 8000 gefahrene Kilometer pro Kandidat, Dutzende Reden, 500 Fragen, zwei Abstimmungsrunden und zum Finale der große Wahlparteitag. Jetzt hat die SPD mit Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken ein Duo an der Spitze, hinter dem sich die Partei mit einem gewaltigen Kraftakt versammelt hat.

Dass die Wahlergebnisse überraschend gut waren, liegt wohl daran, dass auch den Scholz-Fans klar war: Ein Neustart mit Blamage für die neuen Chefs bringt die SPD auch nicht weiter. Die Bewerbungsreden haben zwar parteiintern gewirkt, aber man fragt sich: Reicht das, um auch jenseits der Delegierten zu begeistern?

Neue Chefs für die SPD – Olaf Scholz wirkt wie versteinert

Mit versteinerter Miene verfolgte der abgemeierte Olaf Scholz die Kür der neuen SPD-Vorsitzenden. Während ihm die eigenen Genossen eine Klatsche verpassten, stieg der Vizekanzler kurz danach zum beliebtesten Politiker der Deutschen auf. Er findet sogar mehr Zustimmung als Kanzlerin Merkel. Weg muss der, dem die Leute vertrauen? Verkehrte Welt bei der SPD.

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Jetzt also Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Das Duo hat sich durch seine Taktiererei schon zum Start gewaltige Probleme geschaffen. Sie standen beide für den Wechsel. Die unausgesprochenen Versprechen an die kämpferische Basis lauteten: Endlich raus aus Merkels tödlicher Umarmung!

„Nikolaus ist Groko-Aus“? Die Jusos irrten sich

Schluss damit, Wasserträger für eine Union zu sein, die mit ihrem Mitte-Kurs die SPD zum Polit-Zwerg schrumpft. „Nikolaus ist Groko-Aus“ feixten die Jusos. Jetzt kommt bald der Weihnachtsmann und allen schwant: Diese Große Koalition wird wohl auch den Osterhasen erleben.

Das Groko-Aus war schon wenige Stunden nach dem Mitglieder-Entscheid eingesammelt und es soll mit der Union nachverhandelt werden. Man kann sich vorstellen, was das für ein quälender Prozess wird, bei dem Angela Merkel den Zeitplan vorgibt. Da hat die taktisch versierte Kanzlerin schon ganz andere elegant an die Wand fahren lassen.

Polit-Profi Scholz muss auf die Parteichefs aufpassen

Jörg Quoos kommentiert zum SPD-Parteitag.
Jörg Quoos kommentiert zum SPD-Parteitag. © Dirk Bruniecki

Und der arme Scholz muss ein freundliches Gesicht machen und neu verhandeln, was er selbst schon für gut befunden hatte. Dabei muss er als Polit-Profi auch noch aufpassen, dass die neuen Parteichefs keine Anfängerfehler machen. Dieser Job ist maximal undankbar. Im öffentlichen Dienst gäbe es dafür eine dicke Schmutz-Zulage.

Die erste große Hürde für die SPD wird ohnehin darin bestehen, für diese Nachverhandlungen eine eigene Position zu finden. Besonders SPD-Vorstand und SPD-Fraktion sind mittlerweile Planeten, die sich eher abstoßen als anziehen. Da nützen auch die schönsten Appelle an die Gemeinsamkeit nichts.

Die Parteitagsregie verhinderte eine klare Kursbestimmung

Weg mit der schwarzen Null, ein höherer Mindestlohn und mehr Ausgaben für den Klimaschutz war die Ansage der neuen Parteiführung. Ob das reicht, damit Millionen Wähler wieder ihr Kreuz bei der SPD machen, ist eher fraglich. Da liefern Linkspartei und Grüne Stoff mit höherer Dosierung.

Schade ist, dass die Parteitagsregie eine klare Kursbestimmung verhindert hat. Das Duell Groko-Arbeitsminister Heil gegen Anti-Groko-Juso Kühnert wurde einfach weggeschummelt, indem ein weiterer Vize-Posten geschaffen wurde. Motto: Wenn jeder in den Vorstand darf, gibt es keinen Streit. Wird das Routine, hat die SPD eines Tages mehr Häuptlinge als Chinas KP.

Nein, das war kein überzeugender Neuaufbruch von Deutschlands ältester Volkspartei. Trotz der Wahlergebnisse. Das war ein riskanter Richtungsschwenk, mit ungewissem Ausgang. Damit wird die historische Krise der SPD auch nach diesem Parteitag weitergehen. Wie es auf dem SPD-Parteitag weitergeht, lesen Sie in unserem Newsblog.